1 Einleitung

Die E‑Mobilität wird derzeit als ein probates Mittel zur Reduktion der Treibhausgasemissionen des Sektors Verkehr angesehen. Dies spiegelt sich in der in den letzten Jahren merklich gestiegenen Anzahl von Fahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb im Straßenverkehr. Obwohl derartige Antriebssysteme vornehmlich in Personenkraftwagen mit einem noch eingeschränkten Wirkungsbereich zu finden sind, geht die Entwicklung in Richtung Batteriesysteme mit höheren Leistungsdichten, um einerseits die Fahrleistungen zwischen den Ladevorgängen zu erhöhen und andererseits auch in den Nutzfahrzeugverkehr vorzustoßen.

Die derzeitigen Batteriegenerationen bauen stark auf eine Lithium-Ionen Technologie auf, die im Falle eines Brandereignisses – wodurch auch immer dieses zustande kommen mag – ein gänzlich anderes Verhalten als herkömmliche Energieträger (flüssige Kraftstoffe) aufweist. Dies bezieht sich auf die Brandursache ebenso wie auf Brandverlauf und Gefahrenrisiko durch die entstehenden Rauchgase. Besonders kritisch ist dies in unterirdischen Verkehrsanlagen oder im Garagenbereich, da hier die Brandbekämpfung erschwert ist und die Verdünnungsmöglichkeiten giftiger Rauchgase stark eingeschränkt sind.

Um diesen Problemen verstärkt auf wissenschaftlicher Basis auf den Grund gehen zu können, finden auf internationaler Ebene in bescheidenem Maße Untersuchungen zum Brandverhalten von batteriebetriebenen Fahrzeugen – ausschließlich in der PKW Klasse – statt. In Österreich wurde im Zuge der Verkehrsinfrastrukturforschung (VIF) 2018 ein Projekt zur Erweiterung des Wissensstandes in diesem Bereich initiiert. Unter Federführung der TU Graz arbeiten die MU Leoben, der Österreichische Bundesfeuerwehrverband sowie die ILF Beratende Ingenieure im Projekt BRAFA zusammen, um das Brandverhalten derartiger Fahrzeuge und dessen Auswirkungen auf die Sicherheit von Tunnelnutzern zu untersuchen (BRAFA, 1). Kernpunkt dieser Untersuchungen sind Realbrandversuche in Tunnelanlagen, um unter realistischen Randbedingungen die Brandentwicklung und die daraus resultierenden Folgen studieren zu können. Während die Messungen der Brandparameter einen Teil der Versuche ausfüllten, war ein zweiter den Möglichkeiten zur Löschung bzw. Eindämmung des Brandes gewidmet. Dieser zweite Teil diente vor allem dazu, qualitative Aussagen über die Einsatztaktik der Feuerwehr zu tätigen.

Die Versuche wurden allesamt im neu errichteten Tunnelforschungszentrum „Zentrum am Berg“ in Eisenerz im Zeitraum 2019/2020 durchgeführt (ZAB, 2). Derzeit laufen die Detailanalysen der Versuche und die Beurteilung der Auswirkungen. Das Forschungsprogramm soll im Sommer 2021 abgeschlossen werden.

2 Ausgangslage

Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass es bei Unfällen mit E‑Fahrzeugen zwei Problemkreise gibt, die (vor allem im Nutzfahrzeugbereich) noch gänzlich unerforscht sind:

  • Schädigungen einzelner Zellen führen zum sogenannten „thermal runaway“, der in weiterer Folge zu einer massiven Überhitzung der Batterie und zu einem Austritt von kritischen hochgiftigen und brennbaren Substanzen führt.

  • Brandverhalten und Schadstoffbildung, wenn ein Brandübergriff auf eine Batterie erfolgt.

Der derzeitige Stand des Wissens bezieht sich auf die Erfassung der Auswirkungen von Bränden einzelner Batteriezellen und kleineren Akkupacks [3] sowie Abschätzungen und Einzelversuche für PKW [4]. Dabei zeigt sich, dass unter anderem Fluorwasserstoff (Flusssäure, HF) entstehen kann, der als hochtoxisch einzustufen ist und für Ersthelfer bzw. Einsatzkräfte ein unbekanntes Risiko darstellt [5]. Herkömmliche Brandbekämpfungsmaßnahmen erscheinen nicht zielführend, da derartige Batterien genügend Eigenenergie und Brennstoffe haben, um Wiederentzündungen zu verursachen.

Anmerkung: Obwohl es sich beim Energiespeicher um Akkumulatoren handelt, ist auch im deutschen Sprachgebrauch in der Fahrzeuganwendung das Wort Batterie gebräuchlich. Daher wird auch hier in weiterer Folge von (wiederaufladbaren) Batterien gesprochen.

3 Projektdurchführung

3.1 Versuchsaufbau

Kernaktivität des Projektes ist die Durchführung von Realbrandversuchen in einer Tunnelanlage. Mit dem zur Verfügung stehenden „Zentrum am Berg“, einer Außenstelle der Montanuniversität Leoben, steht ein weltweit einzigartiges Forschungszentrum zur Verfügung, das derartige Versuche in realen Tunnelanlagen ermöglicht. Mit einer Gesamtlänge von ca. 2 km umfasst es Tunnelbereiche mit Straßentunnelquerschnitten im Endausbau und Rohbau genauso wie Tunnelquerschnitte, die den gängigen einröhrigen Eisenbahntunneln entsprechen. Alle diese Teilbereiche sind fast unabhängig voneinander betreibbar. Abb. 1 zeigt eine Grundrissdarstellung des Tunnelkomplexes, Abb. 2 einen Teilabschnitt des Straßentunnels, der speziell für Brandversuche mit höheren Brandlasten ausgestattet ist. Die Realbrandversuche für dieses Projekt wurden in einem Tunnelabschnitt im Rohbauzustand durchgeführt, da dieser Bereich die für den damaligen Zeitpunkt günstigsten Rahmenbedingungen hinsichtlich Belüftungsmöglichkeiten, Fluchtwegsituierung und Infrastruktur für Messtechnik aufwies.

Abb. 1
figure 1

Grundriss der Untertage-Anlagen im „Zentrum am Berg“

Abb. 2
figure 2

Versuchsstollen, Tunnelabschnitt mit Hitzeschild für Brandversuche mit hohen Brandlasten

Als Messgrößen dienten in erster Linie Temperaturverteilungen im Tunnelquerschnitt, Temperaturbelastungen der Tunnelwände, die Konzentrationen der Rauchgase sowie bei durchgeführten Löschversuchen auch die Analyse des Löschwassers. Seitens der Batteriemodule erfolgte eine Temperatur- und Spannungsüberwachung einzelner Zellen. Für die Gasmessungen wurden Filter-Stack-Messungen für die Komponenten HF, HCl, SO2 und H3PO4 und kontinuierliche Messverfahren für die Stickoxide sowie für CO, CO2 und O2 eingesetzt.

3.2 Versuchsdurchführung

Die Versuchsdurchführung erfolgte gestaffelt, beginnend bei einzelnen Batteriemodulversuchen bis hin zu Gesamtfahrzeugen. Prinzipiell wurde versucht, die Luftströmung im Tunnel mittels mechanischer Ventilation auf einen Bereich um 1,5 bis 2 m/s einzustellen. Dies entspricht dem Regelbereich der Luftströmung in einem österreichischen Tunnel im Brandfall.

3.2.1 Modulversuche

Die erste Versuchsserie betraf Batteriemodule mit unterschiedlicher Zellchemie und in verschiedener Anzahl. Um eine verlässliche Messung der Gaskonzentrationen bewerkstelligen zu können, wurde ein eigener Versuchsaufbau mit einem verkleinerten Querschnitt verwirklicht (siehe Abb. 3a). Eine zweite Versuchsserie erfolgte mit einer Anzahl von Batteriemodulen, wie sie der Anordnung in einem handelsüblichen E‑Fahrzeug entspricht. Diese Module wurden in Brandtassen im freien Tunnelquerschnitt angeordnet (siehe Abb. 3b). Bei allen Versuchen waren die einzelnen Module physisch nebeneinander angeordnet, jedoch nicht elektrisch verbunden. Zudem lag ein Ladungsgrad von 100 % vor.

Abb. 3
figure 3

a,b Versuchsaufbau für Einzelmodule

In Summe wurden mit diesen beiden Testaufbauten 9 Versuche durchgeführt. Exemplarisch sind in Abb. 4 die Konzentrationsverläufe der Versuche 8 und 9 dargestellt. Beide Versuche wurden im vollen Tunnelquerschnitt durchgeführt. Die wichtigsten Parameter der Module finden sich in Tab. 1, ermittelte Konzentrationsverläufe in Abb. 4.

Abb. 4
figure 4

Konzentrationsverläufe der Versuche #8 und #9

TABELLE 1 Hauptparameter der Versuche

Betrachtet man die Ergebnisse der indikativen Messungen, so zeigt sich, dass bei den Versuchen mit den Batterien die HF-Konzentrationen im Abgas in beachtenswerten Höhen liegen und mit bisher bekannten Untersuchungsergebnissen gut übereinstimmen [6].

3.2.2 Fahrzeugversuche

Versuche mit Gesamtfahrzeugen sind rar und in der publizierten Literatur auf PKW beschränkt. Im Rahmen diese Forschungsprojektes wurden Brandversuche an Gesamtfahrzeugen durchgeführt, wobei immer versucht wurde, ein batterieelektrisch betriebenes Fahrzeug einem baugleichen konventionell betriebenen Fahrzeug gegenüberzustellen. Da die durchgeführten Versuche auch zur Erprobung unterschiedlicher Einsatztaktiken zur Brandbekämpfung dienten, ist der Datenumfang bezüglich Brandverhalten und ungestörter Rauchgasentwicklung eingeschränkt. Dies ist jedoch den limitierten finanziellen Mitteln für die Versuchsdurchführung geschuldet.

Der Messaufbau (siehe Abb. 5) umfasste Messungen des Temperaturprofiles (T) und der Gaskonzentrationen (GC), über die Höhe des Tunnels in verschiedenen Abständen vom Brandort, der Längsgeschwindigkeit der Tunnelluft (LG) stromaufwärts des Brandes sowie der Strahlung (MR) und der Batteriespannung (MV). Abb. 6a zeigt die Brandentwicklung eines BEV, bei dem der Batterieteil bereits am Brandgeschehen voll beteiligt ist. Im rechten Teil des Bildes ist der Einsatz einer Löschdecke zur vorübergehenden Brandeindämmung bzw. Verhinderung der Ausbreitung des Brandes dargestellt.

Abb. 5
figure 5

Messaufbau

Abb. 6
figure 6

Brandversuch E‑Fahrzeug Lieferwagen (a, © IVT), Löschversuche mit Branddecke (b, © TU Graz – Lunghammer)

Abb. 7 zeigt exemplarisch Auswertungen der Temperaturverteilung und Gaskonzentrationen während des Brandes eines E‑Fahrzeuges. Wie ersichtlich, liegen die Temperaturen der Rauchgase im Überkopf-Bereich bei 75 bis 80 °C und stellen somit – wie bei einem PKW Brand zu erwarten – kein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Die CO-Konzentrationen im oberen Tunnelbereich um 200 ppm und im unteren Bereich um 50 ppm (mit Spitzen bis 130 ppm) stellen ebenfalls kein unmittelbares Risiko dar. Die Wärmefreisetzungsrate weist einen Spitzenwert um 8 MW und eine durchschnittliche Wärmefreisetzungsrate um 4 MW auf. Bei diesen Parametern ist kein relevanter Unterschied zu einem Brand eines konventionellen Fahrzeuges feststellbar. Anzumerken ist jedoch, dass die Auswertungen zu den kritischen Rauchgasen HF, HCl und Phosphorsäure noch ausständig sind.

Abb. 7
figure 7

BEV Brandversuch: Temperaturverteilungen und Gaskonzentrationen (a), Wärmefreisetzungsrate (b)

Wie bereits angeführt, ist es auch Ziel des Projektes, Strategien zur Bekämpfung von Bränden durch die Einsatzkräfte zu untersuchen. Abb. 6b zeigt den Einsatz einer Löschdecke zur Reduktion des Brandgeschehens. Im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugbränden enthält der Energiespeicher (Li-Ionen Batterie) Bestandteile, die Sauerstoff enthalten. D. h. eine Reduktion des Brandgeschehens durch Sauerstoffentzug ist nur eingeschränkt möglich. Die durch den Bundesfeuerwehrverband durchgeführten diesbezüglichen Versuche demonstrierten die eingeschränkten Möglichkeiten des Löschens eines E‑Fahrzeuges. Es zeigte sich jedoch, dass vor allem die gezielte Kühlung des Energiespeichers eine effiziente Methode zur Reduktion der Brandlast darstellen würde.

4 Zusammenfassung

Während Brandereignisse konventioneller Fahrzeuge hinlänglich in ihrer Auswirkung auf die Sicherheit von Tunnelnutzern und das Bauwerk erforscht sind, ist dies bei E‑Fahrzeugen nicht der Fall. Im Rahmen des VIF Forschungsprogrammes wurde daher ein Projekt zur Untersuchung des Brandverhaltens von E‑Fahrzeugen in Tunnelanlagen initiiert. Kern dieses Projektes sind am „Zentrum am Berg“ durchgeführte Realbrandversuche an E‑Fahrzeugen und vergleichbaren Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben. Diese Versuche haben zum Inhalt, das Brandverhalten und die Auswirkungen der Brände zu untersuchen und unterschiedliche Löschstrategien für E‑Fahrzeug-Brände zu bewerten. Bis dato fanden mehrere Realbrandversuche an PKW statt, die zeigten, dass das Brandverhalten von E‑Fahrzeugen sich nicht wesentlich von jenem konventioneller Fahrzeuge unterscheidet. Merklich unterschiedlich ist jedoch die Rauchgaszusammensetzung durch das vermehrte Auftreten von Fluorwasserstoff und Phosphorsäure, die beide ein erhöhtes Gesundheitsrisiko darstellen. Moderne Hochleistungsbatterien auf Li-Ionen Basis haben den im Brandfall notwendigen Sauerstoff in sich, sodass herkömmliche Löschstrategien mit Wassereinsatz nicht ausreichen. Es bedarf vielmehr einer effizienten Kühlung der Energiespeicher, um die thermische Fortpflanzung des Brandes zu unterbinden. Die bisher durchgeführten Versuche zeigten, dass hier die unmittelbare Einbringung von Wasser in den Batteriebereich ein Weg sein könnte, auch Batteriebrände in ihrer Entwicklung zu hemmen. Im noch zur Verfügung stehenden letzten Jahr des Forschungsprojektes liegt nun der Fokus auf einer detaillierten Datenanalyse, einer Hochrechnung der Auswirkungen auf leistungsstärkere Fahrzeugkategorien wie E‑Busse und einer Einbindung der Ergebnisse in die Methoden zur Risikobewertung für Straßentunnel [7].