In den letzten Wochen und Monaten ist eine Fülle von Leitlinien und Empfehlungen zur Corona-Pandemie veröffentlicht worden. Über die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin war ich (LR) zum Beispiel in die Entwicklung der Leitlinien zur Entscheidungsfindung bei knappen Ressourcen (federführend Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin [DIVI] und Akademie für Ethik in der Medizin [AEM]; [1]), zur Symptomkontrolle bei COVID-19 (federführend Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin [DGP]; [2]) und zur ambulanten Versorgung (federführend die Deutsche interprofessionelle Vereinigung für Behandlung im Voraus Planen [DiV-BVP]; [3]) beteiligt.

In diesen Leitlinien wurde aber nur wenig auf die Folgen der sozialen Isolierung eingegangen, obwohl diese Folgen in der Öffentlichkeit wie auch im Alltag der klinischen Versorgung deutlich zu spüren sind. In erster Linie sind es natürlich die Patienten mit positivem Virennachweis, die unter dem Besuchsverbot auf der Isolierstation litten, bis hin zu den Berichten über Patienten mit COVID-19, die auf der Intensivstation versterben, ohne dass die Angehörigen sie noch einmal besuchen konnten.

Aber auch viele andere Menschen sind von den Isolierungs- und Distanzierungsmaßnahmen betroffen. Ambulante Hospizdienste haben die Besuche der ehrenamtlichen Mitarbeiter eingestellt, ebenso ist vielerorts Psychotherapie oder Seelsorge nur noch telefonisch möglich. Im Palliativdienst betreute Patienten brachen die palliative Chemotherapie ab, weil sie dafür im Krankenhaus isoliert worden wären und lieber die verbleibende Lebenszeit mit der Familie verbringen wollten. Der Ehemann einer Patientin konnte seine Frau nicht auf der Palliativstation besuchen, weil das Pflegeheim, in dem er lebte, ihm mitteilte, dass er nach einem solchen Besuch nicht mehr zurück ins Pflegeheim kommen dürfte. In der SAPV bricht der Ehemann der verstorbenen Patientin in Tränen aus, als er realisiert, dass er maximal 10 Menschen zur Beerdigung einladen kann. Auf der Palliativstation wird beim routinemäßigen Abstrich vor der Verlegung des Patienten ins Pflegeheim ein positiver Befund gemeldet, daraufhin müssen fast alle Ärzte und Pflegekräfte der Station in häusliche Quarantäne – sollen allerdings auch weiter mit Mundschutz arbeiten kommen, da sonst der Stationsbetrieb nicht aufrechterhalten werden kann.

Auch wenn jetzt nach und nach die Bestimmungen gelockert werden, Besuche im Pflegeheim oder Krankenhaus wieder möglich sind (wenn auch mit starken Einschränkungen), sieht es doch danach aus, dass die Corona-bedingten Probleme uns noch länger beschäftigen werden.

Dabei ist eigentlich trotz aller Einschränkungen vieles möglich. Das fängt übrigens schon bei der Terminologie an. Wir möchten nicht von sozialer Distanzierung reden, weil ja gerade die sozialen Beziehungen erhalten und möglichst noch gestärkt werden sollen – auch wenn man sich nicht berühren darf. Es sollte deshalb besser der Begriff der physischen Distanzierung genutzt werden.

Von den vielen Ideen lässt sich sicherlich nicht alles umsetzen. So hat einer der Autoren (LR) mehrere Tablets gekauft und für Patienten eingerichtet, die in der Isolierung mit ihren Angehörigen über soziale Medien kommunizieren möchten. Diese Tablets wurden bis jetzt aber noch nicht gebraucht, weil die betroffenen Patienten entweder körperlich und kognitiv so eingeschränkt waren, dass sie die Geräte nicht nutzen konnten oder, wenn sie dafür noch fit genug waren, ohnehin schon über ihr Smartphone alle Kontaktmöglichkeiten genutzt hatten.

Dennoch sind wir gefordert, neue Wege zu beschreiten, zum Beispiel mit Angeboten zur virtuellen Trauerbegleitung, wenn die realen Kontakte mit Freunden, Verwandten oder Trauerbegleitern nicht möglich sind. In den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und anderer Fachgesellschaften, die in dieser Ausgabe von Der Schmerz veröffentlicht werden [4], sind solche neuen Wege gesammelt worden. Dabei geht es um die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen, aber auch um die Behandlungsteams auf den Isolier- und Intensivstationen, die die Last der COVID-19-Behandlungen tragen müssen, und die Hospiz- und Palliativteams.

Vielleicht stellen wir ja im Lauf der Pandemie fest, dass sich mit den neuen Wegen auch neue Horizonte eröffnen, und manches auch nach der Pandemie noch genutzt werden kann. Nicht als Ersatz für Nähe oder Berührung, aber als Ergänzung, zum Beispiel mit niederschwelligen Angeboten für die Trauerbegleitung über soziale Medien.

Wir möchten Sie weiterhin anhalten, Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie mit den Lesern von Der Schmerz zu teilen, wenn sie auch für andere Behandler relevant sind [5]!