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Die Diskussion über den Stellenwert von Cannabinoiden zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten Jahrgänge der Zeitschrift Der Schmerz, zuletzt mit dem Schwerpunktheft zu Cannabinoiden im Sommer 2019 [4]. In einer Reihe von Übersichtsarbeiten wurde die zumeist schwache Evidenz für die verschiedenen Indikationen zusammengefasst und nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes 2017, nach der auch Medizinalcannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden durften, mehrfach vor einem unkritischen Einsatz und zu hohen Erwartungen gewarnt [7, 12].
Während die Diskussion um Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabisblüten und -extrakte noch nicht abgeschlossen ist, erscheint nun Cannabidiol (CBD) als neuer Stern am Himmel. Der medizinische Einsatz von CBD zieht nicht nur in den Fachkreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren ein hohes Interesse auf sich [11]. Eine epidemiologische Untersuchung aus Neuseeland an 400 mit CBD behandelten Patienten gab eine Linderung von nichttumorbedingten Schmerzen, Symptomen infolge von neurologischen Erkrankungen, psychischen Störungen wie zum Beispiel Angst oder Depression oder tumorbedingten Symptomen an [6]. In einer Umfrage unter 58 Palliativpatienten in Florida wurde CBD genauso häufig eingenommen wie THC [8].
CBD wird eine Reihe von Wirkungen nachgesagt, darunter antiinflammatorische, immunmodulierende, antioxidative, antikonvulsive und analgetische Eigenschaften.
Begründet wird dies mit dem Wirkprofil von CBD, das es von anderen Cannabinoiden unterscheidet [10]. Während THC als partieller Agonist am CB1-Rezeptor (im zentralen und peripheren Nervensystem, wird für die psychoaktiven Wirkungen verantwortlich gemacht) und am CB2-Rezeptor (an Zellen des Immunsystems) wirkt, hat CBD eine antagonistische Wirkung am CB1-Rezeptor und wirkt als negativer allosterischer Modulator am CB2-Rezeptor. Zusätzlich wurden agonistische Wirkungen am TRPV1-Rezeptor und am 5HT1A-Rezeptor beschrieben, denen zum Beispiel ein anxiolytischer Effekt zugeordnet wurde. Da CBD im Gegensatz zu THC kein Agonist am CB1-Rezeptor ist, treten bei CBD keine psychomimetischen oder euphorischen Effekte auf und es entsteht keine Abhängigkeit. Die fehlende Psychoaktivität führt in den USA dazu, dass CBD auch zur Vermeidung oder zumindest Dosisreduktion von Opioiden empfohlen wird [3].
Mit dem Wirkprofil wurde CBD für die Behandlung eines breiten Spektrums von Krankheiten empfohlen: bei Epilepsie, multipler Sklerose, Alzheimer, Morbus Parkinson, rheumatoider Arthritis, Morbus Crohn und anderen entzündlichen Darmerkrankungen, bei Tumorerkrankungen und kardiovaskulären Erkrankungen, zur Symptomlinderung von Schmerzen, Angst, Depression und Übelkeit und zur Behandlung von Komplikationen bei Diabetes mellitus [13]. Die einzige Indikation, für die CBD als Medikament zugelassen worden ist, sind allerdings zwei Formen der kindlichen Epilepsie (Dravet-Syndrom und Lennox-Gastaut-Epilepsie). Für diese Indikationen steht in den USA ein Fertigarzneimittel mit CBD (Epidyolex®) zur Verfügung. Das Committee for Medicinal Products for Human Use der European Medicines Agency hat sich im Juli 2019 für eine Zulassung des Medikaments in der EU für diese beiden Indikationen ausgesprochen.
Besonderes Interesse erzeugen Meldungen über eine hemmende Wirkung auf das Wachstum von Brust‑, Lungen‑, Darm- und Hirntumoren [13]. Likar et al. geben in dieser Ausgabe von Der Schmerz eine aktuelle Übersicht zu CBD bei Tumorerkrankungen [14]. Die Veröffentlichungen stammen allerdings vor allem aus Studien an Tiermodellen, und die Autoren warnen folgerichtig davor, diese Ergebnisse unkritisch auf die klinische Anwendung am Menschen zu übertragen. Sie stellen auch Ergebnisse von fünf Publikationen über CBD-Anwendungen bei Tumorpatienten vor, allerdings handelt es sich nur um Fallberichte oder Fallserien, sodass auch diese Ergebnisse mit großer Vorsicht zu betrachten sind.
Die Autoren schlussfolgern, dass die ersten bisherigen Ergebnisse auf eine mögliche Hemmung des Tumorwachstums durch CBC hinweisen.
Likar et al. führen auch aus, dass die präklinischen Ergebnisse auf eine mögliche Überlegenheit von reinem CBD gegenüber Pflanzenextrakten hinweisen könnten. Dies weist aber auch gleich auf ein Problem mit dem Einsatz von CBD in Deutschland hin. Bisher sind in Deutschland nur zwei Fertigarzneimittel mit Cannabinoiden verfügbar, zum einen ein oromukosales Spray mit THC und CBD im Verhältnis 1:1 (Sativex®), zugelassen für Patienten mit multipler Sklerose und schmerzhaften Muskelspasmen trotz Opioidtherapie, und ein synthetisches THC-Präparat (Canemes®) zur Behandlung von Übelkeit oder Erbrechen unter Chemotherapie bei Tumorpatienten. THC kann auch als Rezepturarzneimittel eingesetzt werden. Cannabisblüten oder -extrakte können ebenfalls verordnet werden, allerdings nur solches Cannabis, das entsprechend den Vorgaben als medizinischer Cannabis angebaut worden ist. Bislang steht kein Cannabis aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung, sodass Cannabisblüten oder -extrakte aus dem Ausland importiert werden müssen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat im April 2019 die ersten Zuschläge für den Anbau und die Ernte von insgesamt 7200 kg für vier Jahre erteilt, sodass voraussichtlich ab 2020 erstmals Cannabis aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung stehen wird.
Cannabidiol steht in Deutschland bisher nicht als Fertigarzneimittel in reiner Form zur Verfügung. Möglich ist die Anwendung des Sprays oder die Verordnung einer Sorte von Blüten oder Extrakt, die einen hohen Anteil CBD und einen möglichst niedrigen Anteil THC enthält. Einen Überblick über die verfügbaren Sorten gibt https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_in_Deutschland_erh%C3%A4ltlichen_medizinischen_Hanfsorten (aufgerufen am 21.02.2020).
CBD als Reinsubstanz untersteht nicht dem Betäubungsmittelgesetz (in Kombination mit anderen Cannabinoiden aber schon). Cannabidiol könnte deshalb auch einfach als Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz kommen, zum Beispiel als CBD-Öl. Die Regelungen hierzu sind Aufgaben der Landesämter. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit berichtet allerdings, dass derzeit in keinem Bundesland Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig sei (https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen/13_FAQ/FAQ_Hanf_THC_CBD/FAQ_Cannabidiol_node.html; aufgerufen am 21.02.2020). Bei den CBD-haltigen Ölen und anderen Präparaten können sich Ärzte und Patienten auch nicht auf die Inhaltsangaben auf dem Label verlassen, da sowohl deutliche Abweichungen vom angegebenen CBD-Gehalt wie auch wechselnde Anteile an THC in Präparaten nachgewiesen worden sind [2, 5].
Allerdings sei hier auch nochmals darauf verwiesen, dass bisher keine Studien zum direkten Vergleich von verschiedenen Cannabinoiden veröffentlicht worden sind. Die einzigen beiden Studien, in denen THC verglichen wurde mit einer Kombination von THC und CBD bei Tumorschmerz [9] und bei neuropathischen Schmerzen nach Schädigung des Plexus brachialis [1], haben kaum einen Vorteil der Kombination gezeigt, erlauben also keine eindeutige Aussage über die Wirkung von CBD.
Wenn auch CBD generell als sehr verträglich gilt, werden doch Nebenwirkungen beschrieben. In erster Linie sind dies Müdigkeit, Fatigue, Anorexie und Diarrhö [10]. Insbesondere bei Patienten mit Tumorerkrankungen sind dies ohnehin häufige und belastende Beschwerden, durch die ein möglicher therapeutischer Effekt des CBD auch wieder eingeschränkt werden kann.
Likar et al. ist zu danken für die gute Übersicht über den Stand des Wissens. So spannend die Ergebnisse mit CBD also bisher auch sind, sollte dies aber nun zu vorsichtiger Neugier und mehr Forschungsaktivitäten führen, und nicht zu überschießendem Enthusiasmus.
Prof. Dr. med. Lukas Radbruch
Prof. Dr. Winfried Häuser
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Radbruch, L., Häuser, W. Cannabidiol. Schmerz 34, 115–116 (2020). https://doi.org/10.1007/s00482-020-00458-w
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