Avoid common mistakes on your manuscript.
In Medienberichten, z. B. des Bayerischen Rundfunks und der Tagesschau24, wurde darüber berichtet, dass das Opioid Methadon bzw. D,L-Methadon die Wirkung einer onkologischen Chemotherapie verstärke. Insbesondere bei bislang therapieresistenten Tumorleiden sei eine Verbesserung des Ansprechens auf die onkologische Therapie festzustellen. Ebenso finden sich im Internet Diskussionen und Berichte zu diesen Meldungen. Dies erweckt den fälschlichen Eindruck, dass Methadon einen positiven Einfluss insbesondere auf bisher therapieresistente Tumorleiden habe, z. B. bei Gliomen und Leukämieerkrankungen. Folge dieser missverständlichen Berichterstattung ist eine zunehmende Anzahl von Patientenanfragen hinsichtlich eines Einsatzes von Methadon als onkologische Therapiemaßnahme, nicht aber zur Schmerztherapie.
Labor ist nicht gleich Klinik
Grundlage der Berichterstattung sind unter anderem Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Frau Dr. Friesen vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Ulm [6, 7]. Diese konnte unter In-vitro-Bedingungen und im tierexperimentellen Setting durch Methadon einerseits eine direkte Apoptoseinduktion in Tumorzellen nachweisen: Über Opioidrezeptoren induzieren inhibitorische Gi-Proteine eine Reduktion des zyklischen AMP, was über Caspase-Aktivierung zum Zelltod von Leukämiezellen führt. Andererseits scheint auch eine methadonbedingte Sensitivierung von Tumorzellen gegenüber dem Zytostatikum Doxorubicin über den cAMP-Mechanismus beteiligt zu sein. Die Untersuchungen wurden an etablierten Leukämie- und Gliomzelllinien und an Nackt- und SCID-Mäusen durchgeführt. Dabei handelt es sich um rein experimentelle Behandlungsansätze.
Methadon wird seit vielen Jahren zur Schmerztherapie bei Patienten mit Tumorschmerzen angewandt und hat in diesem Zusammenhang einen festen Stellenwert. Während die Razematform von Methadon hauptsächlich für die experimentellen Effekte verantwortlich zu sein scheint, weist das Enantiomer Levomethadon diese Wirkung nicht in diesem Maße auf. In der Tumortherapie kommt in Deutschland mehrheitlich das Enantiomer Levomethadon zum Einsatz.
Bezüglich einer möglichen onkologisch-therapeutischen Wirkung von Methadon ist hervorzuheben, dass diese auch in früheren Untersuchungen nur im Rahmen vorklinischer Experimente in Zellkulturen und tierexperimentell an Nacktmäusen nachgewiesen wurde. Immer wieder werden in solchen Untersuchungen tumorreduzierende Wirkungen verschiedenster Substanzen gezeigt, die sich leider nicht auf die Patientenbehandlung übertragen lassen.
In der Vergangenheit ist eine mögliche Hemmung der Tumorzellproliferation auch in Bezug auf weitere Opioide, NMDA-Rezeptor-Antagonisten, Lokalanästhetika oder andere Substanzen untersucht und publiziert worden, ohne dass eine Übertragung der In-vitro-Ergebnisse auf die Klinik gelang [5, 9, 11, 13, 17, 18, 20]. Auch für die in den letzten Jahren diskutierte Hypothese einer potenziellen Überlebenszeitverlängerung unter dem Einsatz der perioperativen Regionalanästhesie bei onkologisch-chirurgischen Eingriffen konnten allenfalls Hinweise in retrospektiven Untersuchungen, aber kein belegbarer Beweis mit hoher Evidenzstufe dargestellt werden [3, 4, 10, 12, 16, 19]. Auf der anderen Seite konnte v. a. bei Morphin bei In-vitro- und tierexperimentellen Untersuchungen ein vermehrtes Tumorwachstum (u. a. über eine verstärkte Angiogenese) beobachtet werden [8, 15]. Auch hierfür gibt es keine validen klinischen Daten bei Patienten. Letztlich ist unklar, ob und ggf. welche dieser Effekte in der Patientenbehandlung eine Relevanz haben.
Eine Prognosebesserung durch Methadon bei Tumorpatienten ist nicht wissenschaftlich belegt
Die in den Beiträgen der Medien oder im Internet erwähnten Patienten, die mit Methadon zur Tumorbekämpfung therapiert werden, erhalten dieses außerhalb von klinischen Studien. Inwieweit die beschriebenen Therapieerfolge auf die begleitende Chemotherapie oder auch auf andere Gründe zurückzuführen sind, kann nicht geklärt werden. Auch sind keine gut dokumentierten Einzelfallberichte publiziert.
Bereits am 26. März 2015 erfolgte eine gemeinsame Stellungnahme der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft (NOA) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), die eine als kurativ intendierte Anwendung von Methadon bei Gliomen ablehnt [21].
Problematisch in der medialen Darstellung und im Internet ist jedoch, dass mehrere Aspekte ungenügend berücksichtigt bzw. sogar deutlich verharmlost werden: Methadon ist ein stark wirksames Opioid mit opioidtypischen Nebenwirkungen wie Obstipation, Übelkeit/Erbrechen oder zentralen Nebenwirkungen. Ebenso sind QT-Verlängerungen mit dem Risiko für Arrhythmien beschrieben [1, 2]. Die sehr lange und teils recht unterschiedliche Halbwertszeit birgt überdies ein Kumulationsrisiko mit der Gefahr von Überdosierungen und der potenziellen Gefahr einer Atemdepression. Das atemdepressive Potenzial von Methadon ist, wie bei anderen Opioiden auch, höher, wenn es nicht zur Schmerztherapie eingesetzt wird, insbesondere bei opioidnaiven Menschen und Patienten mit einem Schlafapnoesyndrom [14]. Es besteht ein Gewöhnungspotenzial mit dem Risiko eines Fehlgebrauchs, das den unkritischen Einsatz problematisch macht. Zudem ist eine Umstellung von anderen Opioiden auf Methadon bisweilen schwierig und potenziell risikobehaftet, da die Äquivalenzdosen dieser Substanz zu Morphin und anderen Opioiden sehr variabel sind und so Überdosierungen oder aber auch Entzugssymptome drohen.
Methadon ist nur zur Schmerztherapie oder zur Substitution bei Opiatabhängigkeit zugelassen
Die fertig verfügbaren Präparate sind nur für die Substitution zugelassen und dürfen als solche nur durch Substitutionsärzte rezeptiert werden. Jedoch kann jeder approbierte Arzt eine Rezeptur auf einem Betäubungsmittelrezept ausstellen, nach der vom Apotheker eine Lösung aus der Rohsubstanz gemischt wird. Eine Zulassung für die Indikation onkologische Tumortherapie besteht nicht, sodass die Anwendung hier „off label“ erfolgt, ohne Absicherung eines Haftungsrisikos und Begründung für eine Kostenerstattung. Die Rechtfertigung eines Einsatzes von Methadon zur Tumortherapie außerhalb der Tumorschmerztherapie ist auch bei fehlenden Alternativen im Sinne eines individuellen Heilversuchs aus den vorliegenden Daten nicht ableitbar.
Generell muss festgehalten werden, dass durch die diskutierte unkritische Darstellung falsche Hoffnungen bei Patienten und Therapeuten geweckt werden können, die mit den vorliegenden wissenschaftlichen Daten nicht belegt werden können. Denkbar ist, dass durch solche Fehlinformationen Patienten eine etablierte und wissenschaftlich belegte Therapie ablehnen, um stattdessen mit Methadon behandelt zu werden.
Fazit
Zusammenfassend ist somit aus Sicht des Arbeitskreises Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. eine Anwendung von Methadon zur Tumortherapie aus den genannten Gründen abzulehnen.
S. Wirz
Für den Arbeitskreis Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft
Literatur
Alinejad S, Kazemi T, Zamani N et al (2015) A systematic review of the cardiotoxicity of methadone. EXCLI J 14:577–600
Anghelescu DL, Patel RM, Mahoney DP et al (2016) Methadone prolongs cardiac conduction in young patients with cancer-related pain. J Opioid Manag 12:131–138
Bajwa SJ, Anand S, Kaur G (2015) Anesthesia and cancer recurrences: the current knowledge and evidence. J Cancer Res Ther 11:528–534
Buggy DJ, Borgeat A, Cata J et al (2015) Consensus statement from the BJA Workshop on cancer and anaesthesia. Br J Anaesth 114:2–3
Bundscherer A, Malsy M, Gebhardt K et al (2015) Effects of ropivacaine, bupivacaine and sufentanil in colon and pancreatic cancer cells in vitro. Pharmacol Res 95–96:126–131
Friesen C, Hormann I, Roscher M et al (2014) Opioid receptor activation triggering downregulation of cAMP improves effectiveness of anti-cancer drugs in treatment of glioblastoma. Cell Cycle 13:1560–1570
Friesen C, Roscher M, Hormann I et al (2013) Cell death sensitization of leukemia cells by opioid receptor activation. Oncotarget 4:677–690
Gupta K, Kshirsagar S, Chang L et al (2002) Morphine stimulates angiogenesis by activating proangiogenic and survival-promoting signaling and promotes breast tumor growth. Cancer Res 62:4491–4498
Harimaya Y, Koizumi K, Andoh T et al (2002) Potential ability of morphine to inhibit the adhesion, invasion and metastasis of metastatic colon 26-L5 carcinoma cells. Cancer Lett 187:121–127
Heaney A, Buggy DJ (2012) Can anaesthetic and analgesic techniques affect cancer recurrence or metastasis? Br J Anaesth 109(Suppl 1):i28–i17
Huang H, Benzonana LL, Zhao H et al (2014) Prostate cancer cell malignancy via modulation of HIF-1alpha pathway with isoflurane and propofol alone and in combination. Br J Cancer 111:1338–1349
Ismail H, Ho KM, Narayan K et al (2010) Effect of neuraxial anaesthesia on tumour progression in cervical cancer patients treated with brachytherapy: a retrospective cohort study. Br J Anaesth 105:145–149
Malsy M, Gebhardt K, Gruber M et al (2015) Effects of ketamine, s‑ketamine, and MK 801 on proliferation, apoptosis, and necrosis in pancreatic cancer cells. BMCAnesthesiol 15:111. doi:10.1186/s12871-015-0076-y
Minkowitz HS, Scranton R, Gruschkus SK et al (2014) Development and validation of a risk score to identify patients at high risk for opioid-related adverse drug events. J Manag Care Spec Pharm 20:948–958
Nguyen J, Luk K, Vang D et al (2014) Morphine stimulates cancer progression and mast cell activation and impairs survival in transgenic mice with breast cancer. Br J Anaesth 113(Suppl 1):i4–i13
Piegeler T, Votta-Velis EG, Liu G et al (2012) Antimetastatic potential of amide-linked local anesthetics: inhibition of lung adenocarcinoma cell migration and inflammatory Src signaling independent of sodium channel blockade. Anesthesiology 117:548–559
Sacerdote P, Bianchi M, Gaspani L et al (2000) The effects of tramadol and morphine on immune responses and pain after surgery in cancer patients. Anesth Analg 90:1411–1414
Shavit Y, Ben-Eliyahu S, Zeidel A et al (2004) Effects of fentanyl on natural killer cell activity and on resistance to tumor metastasis in rats. Dose and timing study. Neuroimmunomodulation 11:255–260
Snyder GL, Greenberg S (2010) Effect of anaesthetic technique and other perioperative factors on cancer recurrence. Br J Anaesth 105:106–115
Tegeder I, Grosch S, Schmidtko A et al (2003) G protein-independent G1 cell cycle block and apoptosis with morphine in adenocarcinoma cells: involvement of p53 phosphorylation. Cancer Res 63:1846–1852
http://www.dgn.org/presse/pressemitteilungen/3040-gliomtherapie-mit-methadon-bisher-nur-experimentell-getestet-wirkung-beim-menschen-voellig-unklar. Zugegriffen: 14.12.2016
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
H. Hofbauer, M. Schenk, K. Kieselbach und S. Wirz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Additional information
H. Hofbauer, M. Schenk, K. Kieselbach und S. Wirz sind Mitglieder des Arbeitskreises Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Hofbauer, H., Schenk, M., Kieselbach, K. et al. Einsatz von Methadon zur Unterstützung der onkologischen Therapie?. Schmerz 31, 2–4 (2017). https://doi.org/10.1007/s00482-016-0183-9
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00482-016-0183-9