Zusammenfassung
Die Zugänge zu Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch psychische und psychosomatische Erkrankungen haben in den letzten zehn Jahren drastisch zugenommen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der sozialmedizinischen Begutachtung von Patienten mit Schmerz auf dem Gebiet der psychosomatischen Medizin haben wir den Eindruck entwickelt, dass vielfach primäre soziale Problemstellungen – hier die Arbeitslosigkeit – zu den relevanten Chronifizierungsfaktoren gehören. Wir haben 100 sozialrechtliche Gutachten aus den Jahren 2002–2007 nach quantitativen und qualitativen Kriterien ausgewertet. Es hat sich gezeigt, dass die gesamte Stichprobe zum Zeitpunkt der Rentenantragsstellung langzeitarbeitslos war und zu Beginn ihrer Krankenkarriere insbesondere schmerzbezogene Beschwerdebilder und entsprechende diagnostische und therapeutische Behandlungen aufgewiesen hat. Erst im späteren Verlauf – zumeist nach Ablehnung ihrer Rentenanträge aufgrund der Gutachten von organmedizinischen Gutachtern – kamen dann psychiatrische oder psychosomatische Themenstellungen auf, die zu Begutachtungen durch Fachärzte für Psychiatrie oder psychosomatische Medizin geführt haben. Im Beitrag werden die sozialen Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen, diskutiert.
Abstract
The number of invalidity pensions for mental and psychosomatic disorders has dramatically increased in the last decade. Given the experience in sociomedical assessment of people with chronical pain diseases, we developed the impression that primarily social problems—especially long-term unemployment—play an important role in the processes of chronification of pain diseases. We evaluated 100 expert opinions from 2002–2007 according to quantitative and qualitative critieria. We found that at the time of applying for retirement nearly the whole sample was long-term unemployed and that the especially these people suffered from diseases characterized by pain at the beginning of their patient career and they all had received a large range of diagnostic and therapeutic interventions. Only during the course of their disease—usually after the rejection of their application for pension by expert medical opinions—did they receive the diagnosis in the field of psychiatry and psychosomatics. In a next step they were assessed by experts in the field of psychiatry and psychosomatics. In this article, the important social factors that influence this development are discussed.
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Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Schneider, W., Braungardt, T. Medikalisierung sozialer Probleme am Beispiel von Schmerzpatienten. Schmerz 30, 327–332 (2016). https://doi.org/10.1007/s00482-016-0145-2
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