Das neue Querschnittfach 13 (Q13) „Palliativmedizin“ ist seit dem 1. August 2009 in der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) offiziell verankert. Palliativmedizin ist damit Pflichtlehr- und Prüfungsfach und wird ab dem Sommersemester 2013 nachweispflichtig. D. h., der Leistungsnachweis muss spätestens ab dem Wintersemester 2014 beim Übergang zum praktischen Jahr von den Studierenden nachgewiesen werden. Eine weitere, aktuell zur Entscheidung anstehende Novellierung der ÄAppO wird möglicherweise Q13 zu „Palliativ- und Schmerzmedizin“ erweitern.

Die Einführung des Querschnittbereichs ist von den Fachgesellschaften, Dozenten und Studierenden allgemein begrüßt worden und verändert die Lehrsituation an den meisten Fakultäten deutlich. An die Stelle von Wahlveranstaltungen mit wenigen hoch motivierten Studierenden und Dozenten werden zukünftig Pflichtveranstaltungen für alle Studierenden treten.

Das neue Querschnittfach sollte nicht allein die Versäumnisse der restlichen Lehre ausgleichen und ein Scheitern an den normativen Strukturen des „verschulten“ Medizinstudiums vermeiden. Vielmehr sollte mit Q13 erreicht werden, dass Studierende die Versorgung von und den Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Menschen und deren Angehörigen lernen. Da der Gesetzgeber aber keine Vorgaben zu Stundenumfang und Lehrformen macht, sind alle Planungen für Lehrinhalte, Lehrformate und Prüfungen frei. Es besteht daher die Gefahr, dass die Ausgestaltung von Q13 auf eine möglichst ökonomische Weise mit geringem Lehrumfang abgewickelt wird, beispielsweise durch einen hohen Anteil an Frontalveranstaltungen mit überwiegender Vermittlung von kognitiven Inhalten. Das liegt aber nicht im Interesse des Fachs bzw. der Fächer. Denn gerade hier müssen komplexe Kompetenzen weitergegeben werden, die über Faktenwissen hinausgehen, und anspruchsvolle Blended-learning-Formate für die Lehre verlangen.

Im Kontext der fachärztlichen Weiterbildung werden einige Schlüsselkompetenzen in Palliativ- und Schmerzmedizin durch das „CanMEDS framework“ gut beschrieben, insbesondere die Aspekte „collaborator“, „health advocate“ und „team worker“, die in einem Querschnittsfach eine bedeutende Rolle spielen. Dies impliziert, dass neben kognitiven auch anwendungs- und haltungsbezogene Lernziele definiert werden müssen. Gut definierte Lernziele zeichnen sich dadurch aus, dass sie konkret beschreiben, was der Absolvent am Ende der Lehrveranstaltung in der Prüfung können muss, in der Regel durch eine eindeutige Operationalisierung in Form von Formulierungen wie „benennen können“, „erklären können“, „am Modell demonstrieren können“ oder „an einem gegebenen Patienten durchführen können“. Mit dieser konkreten Operationalisierung von Lernzielen wird gleichzeitig auch die Form der geeigneten Prüfung festgelegt. So wird man die Fähigkeit, etwas „am Modell demonstrieren zu können“, nicht in einem MC-Test prüfen können. Damit schließt sich der Kreis zwischen Lernziel, Unterrichtsformat und Prüfung.

Die Steuerungsmöglichkeiten von Prüfungen sollten auf 2 Wegen genutzt werden. Einerseits wird den Studierenden eine Rückmeldung zu ihrem eigenen Kompetenzstand gegeben (formative Komponente), andererseits kann die Planung des Curriculums darüber die gewünschte Kompetenz der Absolventen definieren (kompetenzbasiertes Curriculum). Es sollte dabei immer bedacht werden, dass das gewünschte „Outcome“ eines Medizinstudiums „der zur allgemeinen Weiterbildung befähigte Arzt“ ist. Fachärztliche Lernziele (Prüfungsinhalte) überfrachten das Studium und müssen daher vermieden werden!

Damit ist die Richtschnur für die individuelle Prüfungsplanung der jeweiligen Fakultäten vorgegeben. Wenn der Aphorismus „assessment drives curriculum“ ernsthaft zu Ende gedacht wird, bedeutet das in diesem Zusammenhang, dass die Kunst der Curriculumsplanung darin besteht, die Prüfungsformate möglichst nahe an diesen Kompetenzen zu konstruieren. Daraus ergibt sich für die adäquate Überprüfung des „Studierendenoutcomes“ eine intelligente Mischung aus unterschiedlichen Prüfungsformaten. Hinsichtlich der anwendungsbezogenen Prüfungen, z. B. „objective structured clinical examinations“ (OSCE) oder „mini-clinical evaluation exercises“ (Mini-CEX), sollte streng darauf geachtet werden, dass definitive Fertigkeiten geprüft werden. Damit kann verhindert werden, dass diese aufwendigen Formate für kognitive Inhalte „verschwendet“ werden. Typische für OSCE-Stationen geeignete Fertigkeiten wären in der Palliativ- und Schmerzmedizin die Patienten-Arzt-Interaktionen, beispielsweise die spezielle Anamnese oder die Gesprächsführung beim Überbringen schlechter Nachrichten. Auf der anderen Seite steht die kognitive Wissensbasis, deren Überprüfung ebenso wichtig ist, damit die vermittelten Fertigkeiten nicht im leeren Raum stehen. Sie kann in einem Multiple-Choice-Test durchaus auch auf höherer Ebene im Sinne von fallbasiertem Entscheidungswissen überprüft werden. Hohe Reliabilität und relativ geringer Aufwand machen Multiple-Choice-Tests doppelt attraktiv. Voraussetzung sind qualitätssichernde Maßnahmen wie etwa der konsequente Einsatz von Komitees zur Fragenbegutachtung oder ein ausreichend großes Fragenkontingent.

Als weitere Möglichkeit können strukturierte mündlich-praktische Prüfungen (SMPP) klar definierte und begrenzte Lernziele prüfen. SMPP sind Prüfenden und Geprüften aus den M2-Prüfungen bekannt. Mit diesem Format kann das mit der geprüften Fertigkeit assoziierte Zusammenhangwissen überprüft werden, wobei gleichzeitig auch das Lernverhalten der Studierenden nachhaltig gesteuert wird. Allerdings erfordern auch SMPP eine gewisse Prüferschulung. Schließlich können in der Palliativmedizin anlässlich von Exkursionen oder Praxistagen in Arztpraxen, Hospizen und Palliativstationen Beobachtungen auf der Basis von Checklisten durchgeführt werden, z. B. als Mini-CEX.

Will man auf einer umfassenderen, evtl. auch qualitativen, Ebene die Effektivität der eingesetzten Lehrformate für Q13 überprüfen, sind komplexere Bewertungsinstrumente notwendig. Nach Tannenbaums allgemeinem Modell zu Effektivitätsbedingungen eines Trainings müssen dann verschiedene Instrumente kombiniert werden. Neben der Erfassung des Zuwachses in kognitiven Schlüsselfunktionen (essenzielle Lernziele) kann die Messung der Leistungsmotivation und Selbstwirksamkeit wichtige Informationen liefern. Zuletzt sollte der Transfer in den Praxisalltag überprüft werden, z. B. durch eine qualitative Darstellung des Kompetenzzuwachses mit standardisierten Beobachtungsbogen.

Zusammenfassend ist die Einführung des neuen Querschnittfachs 13 „Palliativmedizin“ (bzw. „Palliativ- und Schmerzmedizin“) eine große Chance, die seit langem beklagten Defizite in der Patientenversorgung außerhalb von spezialisierten Zentren durch Pflichtlehre für alle Studierenden zu beheben. Nun kommt es darauf an, die vorhandenen Lernzielempfehlungen (s. Curriculum der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und Kerncurriculum der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) in adäquate Lehr- und Prüfungsformate zu überführen. Die Heterogenität der Lehrsituationen an deutschen medizinischen Fakultäten wird keine uniformen Lösungen zulassen, bietet aber hierdurch und durch die vollständige Neuschaffung des Fachs die Möglichkeit, die entstehenden unterschiedlichen Lehr- und Prüfungskonzepte hinsichtlich ihrer Effektivität im Sinne eines Benchmarkings in den kommenden Semestern strukturiert zu untersuchen. Praxiserfahrene Lehrverantwortliche sind gemeinsam mit theoriegeleiteten Ausbildungsforschern aufgerufen, sich dieser Aufgabe anzunehmen.

Das abschließende Fazit lautet: Prüfungen haben ein hohes curriculares Potenzial. Wir sollten alles dafür tun, es klug zu nutzen!

A. Kopf

J. Breckwoldt