Hintergrund

In der palliativmedizinischen Versorgung stellt Schmerz bei über 80% aller Tumorpatienten ein relevantes behandlungsbedürftiges Problem dar [28]. Die Behandlung dieses Symptoms ist im Zuge der allgemeinen Symptomkontrolle unter der Beachtung körperlicher, seelischer, sozialer und spiritueller Probleme zur bestmöglichen Lebensqualität für Patienten fest im Selbstverständnis der Palliativmedizin verankert [25].

Insbesondere die Behandlung von Durchbruchschmerzen gestaltet sich in der klinischen Praxis häufig problematisch. In ersten Beschreibungen definierte Portenoy (1990) den Durchbruchschmerz als „vorübergehende Exazerbationen bei stabilem Schmerzgeschehen und dauerhafter Opioidtherapie“ [18], welche 2009 durch Davies in „vorübergehende Exazerbationen (spontan oder ereignisabhängig) bei stabilem und angemessen behandeltem, dauerhaftem Schmerzgeschehen“ [4] verändert und erweitert wurde [10].

Als Kriterium zur Diagnostik von Durchbruchschmerzen wird einerseits ein Dauerschmerz von ≥12 h pro Tag während der vorangegangenen Woche und dessen angemessene Behandlung mit maximal leichter Schmerzintensität für ≥12 h pro Tag während der vorangegangenen Woche vorausgesetzt, zu dem dann die oben genannten vorübergehenden Schmerzexazerbationen hinzukommen [4].

In der Klassifikation wird maßgeblich zwischen 2 Auslösemomenten des Durchbruchschmerzes unterschieden: Ereignisabhängige, vorhersehbare Auslöser wie Bewegung bzw. ereignisabhängige, unvorhersehbare Auslöser, wie z. B. Husten oder Niesen, werden bei 40–60% der Durchbruchschmerzepisoden beobachtet. Spontane Auslöser für Durchbruchschmerzen sind bei 20–60% der Episoden ursächlich. Durchbruchschmerzen, die durch ein „end-of-dose-failure“ der Basismedikation zur Dauerschmerztherapie ausgelöst werden, werden dabei nicht berücksichtigt [4, 15, 21, 27].

In der palliativmedizinischen Literatur werden Prävalenzen des Durchbruchschmerzes zwischen 23 [5] und 93% [23] aller Tumorpatienten berichtet, wobei sich im Durchschnitt der bisher publizierten Ergebnisse Anteile von ca. 60–70% schätzen lassen.

Durchbruchschmerzen haben für Patienten eine verminderte Zufriedenheit mit ihrer Schmerztherapie [19, 29], eine verminderte Lebensqualität [1] und eine vermehrte Angst vor körperlichem Leid und vor einem qualvollen Sterben [19] zur Folge. Zusätzlich entstehen höhere Gesundheitskosten durch vermehrte und längere Krankenhausaufenthalte der betroffenen Patienten [1, 5].

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien durchgeführt, um einerseits die klinischen Charakteristika des Durchbruchschmerzes weiter zu definieren und andererseits Empfehlungen zur klinischen Therapie zu entwickeln. Diese Forschungsbemühungen konzentrierten sich auf das Ziel, Aussagen über die Eigenschaften eines optimalen zukünftigen Medikaments zur Durchbruchschmerztherapie zu treffen. Hier spielten nicht nur rein pharmakologische Wirkeigenschaften und Applikationswege bedeutende Rollen, sondern auch subjektive Patientenpräferenzen und -erfahrungen sowie ökonomische Argumente im Sinne allgemeiner Gesundheitskosten, z. B. durch (verlängerte) Krankenhausaufenthalte der betroffenen Patienten und durch die Preisgestaltung dieser Analgetika.

In der Behandlung von Durchbruchschmerz müssen dessen besondere Merkmale berücksichtigt werden. Betroffene Patienten berichten sehr hohe Schmerzintensitäten auf numerischen Rangskalen (NRS) mit einer medianen Zeit von 3 min bis zum Erreichen der absoluten Schmerzspitze [10, 16, 17]. Bei einer mittleren Schmerzdauer von 30 min [6] und mittleren Häufigkeiten von 4 Episoden am Tag [18] wird bei 31% der Episoden ein Rückgang nach weniger als 15 min bzw. bei 64% der Episoden nach 30 min [6, 15] auch ohne medikamentöse Interventionen erlebt.

Die beschriebenen Charakteristika von Durchbruchschmerzen verlangen folglich nach einer möglichst schnell wirksamen, kurz anhaltenden, nicht- oder nur minimal-invasiven, praktikablen, nebenwirkungsarmen und preiswerten Therapie, die selbstständig vom Patienten angewendet werden kann. In den bisher verfügbaren Behandlungsempfehlungen wird an erster Stelle, sofern möglich, das Ansetzen einer kausalen Therapie und im zweiten Schritt eine Bedarfsmedikation von ein Zehntel bis ein Sechstel der Tagesdosis der Dauermedikation für die Behandlung des Durchbruchschmerzes angeraten oder eine individuelle Dosisfindung per Titration diskutiert [8]. Eine Erhöhung der Daueranalgesie könnte zwar präventiv dem Durchbruchschmerz entgegenwirken, bietet aber durch die Gefahr der chronischen Überdosierung mit Nebenwirkungen wie Sedierung, Übelkeit, Verstopfung oder sogar Atemdepression keine Alternative zur Durchbruchanalgesie. Vorsichtige Dosisanpassungen werden jedoch bei einzelnen Patienten mit Durchbruchschmerzepisoden als effektiv beschrieben [11].

Aus der klinischen Erfahrung zeigt sich jedoch, dass verfügbare Analgetika oft einen verzögerten Wirkeintritt und eine zu lange Wirkdauer aufweisen, als dass z. B. eine in wenigen Minuten auftretende und weniger als 1 h anhaltende Schmerzspitze aus Patientensicht zufriedenstellend gelindert werden könnte [26]. Dementsprechend konzentrieren sich die aktuellen Forschungsbemühungen auf Präparate und Applikationsformen für Medikamente bei Durchbruchschmerzen, die diesen Anforderungen entsprechen.

Die vorliegende Untersuchung soll einen Beitrag dazu leisten, das Erleben von Durchbruchschmerzen, bisher erprobte Therapiestrategien sowie subjektive Präferenzen und Erwartungen von Patienten mit Durchbruchschmerzen an ein optimales, zukünftiges Schmerzmedikament zu explorieren.

Methode

Die hier beschriebene Untersuchung ist Teil eines multizentrischen europäischen Kooperationsprojektes „European Survey of Oncology Patients‘ Experience of Breakthrough Pain“ mit 9 Zentren aus Großbritannien, Schweden, Dänemark und Deutschland unter Federführung des Royal Marsden Hospitals in Sutton, Großbritannien [2].

Für die vorliegende Auswertung wurden die Patienten der beiden deutschen Studienzentren ausgewertet. In jedem der teilnehmenden Zentren sollten in einer 6-monatigen Erhebungsphase Tumorpatienten, die von der Abteilung Palliativmedizin primär verantwortlich oder konsiliarisch betreut wurden, mithilfe eines Fragebogens zu ihren Erfahrungen mit Durchbruchschmerzen und über ihre Einstellungen zu verfügbaren und aktuell entwickelten Therapien für Durchbruchschmerzen befragt werden.

In einem ersten Teil des Fragebogens wurden 5 Screeningfragen zu Ein- und Ausschlusskriterien und 6 Fragen zu demografischen und krankheitsbezogenen Daten gestellt, um Patienten mit Durchbruchschmerz von Patienten mit unzureichend kontrolliertem Dauerschmerz zu unterscheiden.

Im zweiten Fragebogenteil wurden insgesamt 39 Items aus den folgenden 5 Abschnitten erfragt:

  • A) Charakteristika des Durchbruchschmerz,

  • B) Daueranalgesie,

  • C) Durchbruchanalgesie,

  • D) Wichtigste erwünschte Merkmale für neue Therapien gegen Durchbruchschmerzen,

  • E) Bisherige Erfahrungen mit alternativen Aufnahmewegen der Medikamenteneinnahme bei Durchbruchschmerzen bzw. anderen Problemen mit den jeweiligen Kontraindikationen und Problemen bei der Anwendung sowie das hypothetische In-Betracht-Ziehen dieser Applikationswege.

Die Fragebögen wurden anonymisiert und zentral durch die koordinierende Einrichtung ausgewertet, aufbewahrt und in eine elektronische Datenbank eingegeben.

Studiendesign

In der Zeit von 24.11.2008 bis 12.02.2010 wurden stationäre, ambulante und konsiliarisch behandelte Patienten mit Tumorerkrankungen der Klinik für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Aachen und der Abteilung für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Göttingen um deren Teilnahme an dieser Studie gebeten. Nach ausführlicher Patienteninformation erteilten Patienten ihre schriftliche Einwilligung zur Teilnahme. Dieser Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen und der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen zugestimmt.

In diese Fragebogenstudie wurden Patienten älter als 18 Jahre mit einer Tumordiagnose aufgenommen, die im Zusammenhang mit ihrer Tumorerkrankung an Schmerzen leiden und deren Schmerzen die meiste Zeit vorhanden (während der letzten Woche ≥12 h/Tag) sind oder vorhanden wären, wenn sie kein Schmerzmanagement erhielten. Zudem sollten diese Schmerzen die meiste Zeit unter Kontrolle sein und für ≥12 h/Tag in der letzten Woche als „keine“ oder „leicht“, aber nicht als „mäßig“ oder „schwer“ beurteilt werden. Als weitere Einschlusskriterien wurden das Empfinden einer kurzzeitigen Schmerzverstärkung (= tumorbedingter Durchbruchschmerz) und der regelmäßige Gebrauch von starken Schmerzmitteln (hochpotente Opioide wie Morphium, Fentanyl, Hydromorphon, Methadon, Oxycodon) gegen die andauernden Schmerzen (= Dauerschmerz) definiert. Eine primäre Durchbruchanalgesie war für die Befragten zum Zeitpunkt der Studienerhebung nicht zwingend notwendig.

Ergebnisse

In der Zeit von Februar 2009 bis Januar 2010 nahmen jeweils 40 stationäre Tumorpatienten der Klinik für Palliativmedizin der RWTH Aachen und der Abteilung für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Göttingen an der Erhebung teil. Die Geschlechterverteilung war etwa ausgeglichen (42 Männer, 38 Frauen); die 80 Studienteilnehmer waren im Mittel 60,5 Jahre alt (33–91 Jahre) und litten unter Tumoren des Verdauungstraktes (29%), der Lunge (16%), der Brust (14%), mit unbekanntem Primärtumor (13%) und des urologischen Traktes (10%). Der Funktionsstatus war bei 42% der Patienten stark eingeschränkt (ECOG 3 oder 4).

Charakteristika der Durchbruchschmerzen

Häufigkeit, Auslöser und Dauer der Schmerzepisoden

Die teilnehmenden Patienten berichten zwischen 1 und 12 Schmerzepisoden (im Mittel 4) pro Tag, die entweder ereignisabhängig (47,5%), spontan durch unvorhersehbare Faktoren bedingt (37,5%) oder in Kombination beider Gründe (15%) auftraten. Die Schmerzintensitäten dieser Episoden wurden von 71% der Studienteilnehmer als „schwer“ eingestuft, von 25% als „mittel“ und von 3% als „leicht“ bei 1% fehlenden Angaben. Bei ereignisabhängigen Episoden wurde eine mediane Zeit bis zur Schmerzspitze von 5 min angegeben (0–240 min, Mittel 22 min), während nach spontaner Auslösung der Aufbau einer Schmerzepisode im Median 10 min dauerte (0–180 min, Mittel 24 min).

Linderung und Folgen des Durchbruchschmerzes

Ein Teil der Patienten (n=43) berichtete, dass eine Durchbruchschmerzepisode im Median 20 min (0–480 min, im Mittel 64 min) andauert, bis sie ohne Behandlung nachlässt. Bei 64% der Befragten werden wirksame Maßnahmen zur Schmerzreduktion eingesetzt, bei 21% der Befragten beenden die jeweils eingesetzten Maßnahmen die Durchbruchschmerzepisode nicht bzw. in 14% nur manchmal (1% fehlende Angaben). Diese Maßnahmen umfassten jeweils medikamentöse (26%) oder nicht-medikamentöse (73%) Therapien oder eine Kombination aus beiden (1%).

Die Mehrheit der Teilnehmer (84%) fühlte sich durch den Durchbruchschmerz in ihren Aktivitäten beeinträchtigt. Auf numerischen Rangskalen zwischen 0 (= keine) bis 10 (= vollständige Beeinträchtigung) gaben die Patienten im Mittel Auswirkungen von 7 in Bezug auf ihre allgemeine Aktivität, ihre Stimmung und das Gehvermögen an, 8 auf normale Arbeit, jeweils 6 auf ihren Schlaf, 6,5 auf die Lebensfreude sowie 5 auf Beziehungen zu anderen Menschen.

Daueranalgesie und Durchbruchanalgesie

Zur regelmäßigen Therapie des Dauerschmerzgeschehens sowie auch zur Behandlung von Durchbruchschmerz nutzten die befragten Patienten am häufigsten Fentanyl oder Hydromorphon (Tab. 1). Die Dosierung der Durchbruchschmerzmedikation ließ sich im Mittel als ein Viertel der Tagesdosis der Dauermedikation berechnen mit einer Spannweite zwischen 6 und 33%.

Tab. 1 Häufigkeiten der regelmäßigen/primären und zusätzlichen Analgesie sowie nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Linderung des Dauer- und Durchbruchschmerzes

Linderung durch Durchbruchanalgesie

Die erzielte Schmerzlinderung durch die Durchbruchanalgesie wurde von 14% als vollständig, 59% als gut, 15% als leicht und von 3% ohne Schmerzlinderung (bei 10% fehlenden Angaben) eingestuft. Die Patienten schätzten die Dauer des Wirkbeginns der individuellen Durchbruchanalgesie auf 20 min im Mittel (1–180 min); bis zur vollständigen Entfaltung der Wirkung vergingen im Mittel 40 min (2–240 min).

Nebenwirkungen und Anwendungsprobleme der Durchbruchanalgesie

Die Hälfte aller Teilnehmer (50%) gab keine unerwünschten Nebenwirkungen durch die Durchbruchanalgesie an. Insgesamt 45% aller Teilnehmer beklagten mindestens 1 Nebenwirkung, v. a. Schläfrigkeit (n=19) und Verstopfung (n=14), seltener Übelkeit und Erbrechen (n=5), Mundtrockenheit (n=4), Schwindel, Sehstörungen und Anorexie jeweils bei 2 Patienten und andere Symptome, wie z. B. Diarrhö, Stimmungsschwankungen und Konzentrationsstörungen, jeweils 1 Patient.

Nur 3 Patienten berichteten über andere, anwendungsbezogene Probleme der Durchbruchanalgesie wie schlechter Geschmack (2 Patienten) und praktische Anwendungsprobleme (1 Patient).

Zufriedenheit mit und Barrieren der Durchbruchanalgesie

Die Mehrheit der Patienten (64%) zeigte sich zufrieden mit ihrer Durchbruchanalgesie, 34% waren unzufrieden (fehlende Angabe 3 Patienten); 56% aller Teilnehmer gaben an, jede Episode des Durchbruchschmerzes mit starken Schmerzmitteln zu behandeln, 43% taten dies nicht (fehlende Angabe 1 Patient). Zu den häufigsten Gründen der betroffenen Patienten, Durchbruchanalgetika nicht anzuwenden, zählten die Angst, von dem Medikament abhängig zu werden (8 Patienten), sich an das Schmerzmittel zu gewöhnen (7 Patienten) oder vor Nebenwirkungen der Schmerzmittel (4 Patienten). Noch häufiger wurde als Grund gegen die Bedarfsmedikation angeführt, dass die Durchbruchschmerzepisoden nicht immer lange anhielten (17 Patienten) oder nicht immer schwer waren (12 Patienten), andere Maßnahmen effektiv waren oder die Schmerzmittel keine Wirkung zeigten (3 Patienten). Ein Patient gab an, dass der Arzt oder die Krankenschwester der Anwendung von Schmerzmitteln Grenzen gesetzt hatte.

Neue Therapien für Durchbruchschmerz

In der Abwägung der Wichtigkeit von 6 Merkmalen entschieden sich die Patienten in einer Rangliste mehrheitlich dafür, dass eine neue Therapie zur Behandlung von Durchbruchschmerzen an erster Stelle eine vollständige (n=48) und an zweiter Stelle eine schnelle Schmerzlinderung (n=43) erzielen sollte (Tab. 2).

Tab. 2 Häufigkeiten der Ranglistenplätze von erwünschten Charakteristika einer Analgesie von Durchbruchschmerzen aus einer Liste von 6 vorgegebenen Merkmalen plus einer Freitextoption (n=80)

Alternative Aufnahmewege der Medikamenteneinnahme

Für hypothetische orale, intranasale, inhalative und subkutane Anwendungen wurde jeweils erfragt, welche Kontraindikationen für diese Applikationsformen vorlagen, ob dieser Weg jemals bei Durchbruchschmerz oder anderen medizinischen Problemen genutzt wurde, ob es Schwierigkeiten bei der Anwendung gab und ob bzw. warum Patienten diese Anwendungsform nicht in Betracht ziehen würden. Hier zeigte sich, dass Patienten bereits häufig Erfahrungen mit oralen und subkutanen Präparaten gemacht haben und diese Aufnahmewege auch für sich in Betracht ziehen, während eine tatsächliche oder hypothetische Anwendung intranasal oder inhalativ zu applizierender Medikamente eher als unangenehm empfunden und damit abgelehnt wurde (Tab. 3).

Tab. 3 Häufigkeiten von regelmäßigen Beschwerden (Mehrfachantworten möglich), Erfahrung im Gebrauch bei Durchbruchschmerz und für andere Indikationen, Schwierigkeiten bei der Anwendung, mögliche Anwendung und Ablehnungsgründe (Mehrfachantworten möglich) von oralen, intranasalen, inhalativen und subkutanen Medikamenten (n=80)

Diskussion

Die hohe Prävalenz von Durchbruchschmerzen und die damit verbundenen pharmakologischen Herausforderungen aktivierten in den letzten 2 Jahrzehnten zahlreiche Studien, die die klinischen Charakteristika des Durchbruchschmerzes genauer definieren und klare Therapieempfehlungen entwickeln sollten [13]. In dieser Arbeit wurden das Erleben von Durchbruchschmerzen aus der Sicht der Patienten sowie erste Erfahrungen mit existierenden Therapiestrategien und Erwartungen von Patienten aus Deutschland an ein optimales, zukünftiges Schmerzmedikament untersucht.

Die hier vorgestellten Ergebnisse zu Häufigkeit, auslösenden Faktoren, Dauer und Einschränkungen durch Durchbruchschmerzen decken sich weitestgehend mit der vorliegenden Literatur [12]. Die Ergebnisse verdeutlichen den Leidensdruck der Patienten und unterstreichen die Bedeutung und Dringlichkeit der Entwicklung von weiteren adäquaten Therapiemaßnahmen zur Behandlung von Durchbruchschmerz [27].

Bei der genauen Betrachtung der Ergebnisse zu Therapien zur Dauer- und Durchbruchanalgesie fallen mehrere Besonderheiten auf. Obwohl Morphin als der Goldstandard in der Tumorschmerztherapie gewertet wird und noch vor wenigen Jahren vorrangig zum Einsatz kam [14, 20], scheint der Anteil von Patienten mit Morphin zur Daueranalgesie in dieser Erhebung eher gering zu sein zugunsten einer höheren Repräsentation von Hydromorphon und Fentanyl. Dies mag einerseits an der praktikablen Applikation als transdermales Pflaster und der daraus resultierenden Präferenz von Behandlern oder Patienten liegen, andererseits an intensiv geführtem Marketing.

Eher selten wird in der Durchbruchanalgesie Gebrauch von Fentanyl gemacht, obwohl dieses im Erhebungszeitraum als bukkale, oral transmukosal und in klinischen Studien oder als Rezepturarzneimittel auch für die intranasale Applikationsform verfügbar war. Stattdessen wurde vereinzelt sogar Gebrauch von niedrig potenten Präparaten der WHO-Stufe II (z. B. Tramadol) oder solchen mit verzögertem Wirkeintritt und langer Halbwertszeit (z. B. Oxycodon, Levomethadon) gemacht, die in der Durchbruchanalgesie nach heutigem Kenntnisstand keinen optimalen Behandlungserfolg versprechen [9].

Obwohl viele Studienteilnehmer neben ihrer medikamentösen Behandlung der Durchbruchschmerzen zusätzlich nicht-pharmakologische Maßnahmen, wie z. B. Ruhe/Schlaf, Wärme oder Lagerung/Positionswechsel zur Linderung beschrieben [22], waren nur zwei Drittel der Befragten mit der Therapie ihrer Durchbruchschmerzen tatsächlich zufrieden. Da diese Erhebung im klinischen Setting erfolgte, ist anzunehmen, dass die Therapie des Durchbruchschmerzes außerhalb spezialisierter Einrichtungen unter noch weniger optimalen Bedingungen verlaufen könnte. Auf die Frage nach den Wünschen nannten Patienten erwartungsgemäß v. a. eine vollständige und schnelle Schmerzlinderung mit wenigen Nebenwirkungen und praktikabler Eigenanwendung und legten eher wenig Wert z. B. auf die einfache Verabreichung durch andere Personen oder die Wirtschaftlichkeit der Medikamente. Diese Erwartungen wurden jedoch nicht umfassend erfüllt.

Es scheint Barrieren in der Durchbruchanalgesie zu geben, die den zufriedenstellenden Therapieerfolg für Betroffene verhindern [7]. Einerseits könnte die Wirksamkeit der Präparate durch Patienten missverstanden werden, sodass die Bedarfsmedikation bei nicht ausreichender subjektiver Schmerzlinderung nach der ersten Verabreichung nicht wiederholt wurde. Andererseits könnte schmerzbedingter Stress bei nicht ausreichender Wirkung der Durchbruchanalgesie bestehende Episoden verstärken oder gar neue Episoden auslösen, was dann als nicht zufriedenstellende Wirkung der Durchbruchanalgesie wahrgenommen wird. Letztlich können die Aussagen aus Patientensicht auch falsche Angaben enthalten, wie z. B. der Hinweis auf eine inhalative Applikation von Durchbruchanalgetika, die zum Zeitpunkt der Studiendurchführung in Deutschland nicht verfügbar waren.

Überraschend war eine wesentliche Abweichung in der deutschen Stichprobe im Vergleich zu den anderen teilnehmenden EU-Ländern bei der Beurteilung und Akzeptanz von alternativen Applikationswegen (Tab. 3). Die deutsche Frage „Haben Sie die Verwendung solcher Präparate zur Behandlung der Schmerzverstärkungen jemals in Betracht gezogen?“ wurde für die Verwendung von intranasalen und inhalativen Präparaten von fast der Hälfte der deutschen Studienteilnehmer verneint, in den anderen EU-Ländern jedoch nur von 16–26% bzw. 9–27% der Studienteilnehmer [2, 3]. Eine ähnlich hohe Akzeptanz von oralen, intranasalen und subkutanen Applikationsformen von Durchbruchanalgetika findet sich bei bis zu 90% aller Befragten in einer britischen Studie mit 100 Tumorpatienten [24]. Als Hauptgrund für die Ablehnung wurde von den deutschen Patienten in der vorliegenden Studie mehrheitlich angegeben, dass sie den Gedanken an solche Produkte nicht mögen, Zweifel an der Wirksamkeit dieser Produkte hegen oder Probleme mit Nase bzw. Lunge hätten, was diesem Aufnahmeweg widersprechen würde. An dieser Stelle mag spekuliert werden, dass moderne, intranasale und inhalative Applikationswege möglicherweise durch die individuelle medizinische Sozialisation von Patienten als weniger wirksame Präparate eingeschätzt werden und eher Skepsis hervorrufen. Traditionelle orale Medikationen via Tabletten oder subkutane Präparate via Injektion werden hingegen durch persönliche Erfahrungen als nachweisbar wirksam erlebt und daher eher ernst genommen.

Diese Unterschiede können jedoch am Wortlaut der Übersetzung liegen. Im englischen Original lautete die Frage „Would you consider using such a product to treat exacerbations of your pain?“, was mehr als das potenzielle Abwägen dieser Behandlungsoptionen gelten kann, während die deutsche Formulierung eher auf bisher schon konkret erfolgte Nachfragen, wenn solche Applikationswege vom Behandler vorgeschlagen wurden, bezogen scheint.

Die unterschiedlichen Antworten der deutschen Teilnehmer lassen deshalb nicht eindeutig auf eine stärkere Ablehnung dieser Applikationswege in Deutschland zurückschließen.

Die von den Patienten genannten Gründe für die Abneigung gegenüber intranasalen und inhalativen Präparaten könnten auch auf ein Informationsdefizit der Patienten hinweisen, zumal die theoretischen pharmakologischen Besonderheiten der transmukosal, intranasalen oder inhalativen Applikation den Erwartungen von Schmerzpatienten in Bezug auf vollständige und rasch einsetzende Wirkung und einfache Applikationsweise ihrer Durchbruchschmerzmedikation grundsätzlich entgegenkommen könnten.

Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen die enorme Komplexität des Phänomens „Durchbruchschmerz“, bei dem nicht nur die subjektive Wahrnehmung des Symptoms selbst eine ausgeprägte Streubreite bei Tumorpatienten aufweist, sondern auch die sehr unterschiedlichen Präferenzen und Erwartungen an eine effektive Therapie nebst der Vielzahl an individuellen Gründen, die dieser entgegenstehen. Ärztliche Behandlung und Begleitung sollte (nicht nur in der Palliativmedizin und Tumorschmerztherapie) dieser Komplexität Rechnung tragen.