Im Jahr 2019 sorgte ein Fall in England für große Aufmerksamkeit: Freddie McConnell wollte nach der Geburt seines Kindes als Vater in der Geburtsurkunde verzeichnet werden; dies wurde ihm gerichtlich verweigert. Der Grund hierfür: McConnell hatte das Kind selbst ausgetragen und geboren. Männer sind schwanger und gebären Kinder. Genauer sind es trans*MännerFootnote 1, die mit weiblichen Geschlechtsorganen geboren wurden. Manche von ihnen nennen sich augenzwinkernd Seepferdchen. So auch Freddie McConnell, der seine Schwangerschaftserfahrungen mit dem Film „Seahorse“ dokumentierte.

Wie viele trans*Schwangerschaften es in Deutschland oder anderen europäischen Ländern gibt, ist statistisch bislang nicht erfasst. Zurzeit ist die Zahl der trans*Schwangerschaften niedrig. Ein Grund dafür ist, dass in einigen Ländern geschlechtsangleichende Operationen noch immer Voraussetzung für die rechtliche Personenstandsänderung sind. Die damit zwangsläufig einhergehende Sterilisierung macht es trans*Männern unmöglich, Kinder selbst auszutragen. In Deutschland ist diese erst seit der Revision des Transsexuellengesetzes im Jahr 2011 keine Voraussetzung mehr, um den Personenstand ändern zu lassen. Vor dem Hintergrund der immer lauter werdenden Forderungen nach der Übersetzung von Menschenrechten in nationale Gesetzgebungen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Thema trans*Schwangerschaft in den kommenden Jahren zunehmend relevant werden wird. Denn das Leben als trans*Mann schließt zum einen den Kinderwunsch nicht aus und muss zum anderen nicht Unfruchtbarkeit bedeuten.

Die vom 14.–16. Januar 2020 in Leeds stattfindende Konferenz „Trans Pregnancy“ war das erste große wissenschaftliche Treffen zu diesem Thema. Sie war Höhepunkt eines dreijährigen, internationalen Forschungsprojekts, das im April dieses Jahres auslaufen wird. Ziel des Projektes ist es, einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Erfahrungen und der gesundheitsbezogenen Bedarfe von trans*Personen mit Kinderwunsch zu leisten. Hierfür wurden qualitative Erhebungen in der EU, den USA, Kanada und Australien durchgeführt. Dabei wird auf eine interdisziplinäre Zusammenführung von Wissensbeständen und Analyseinstrumenten aus Medizin, Recht, Soziologie und Genderstudies gesetzt. So gehen die Forscher*innen u. a. der Frage nach, inwiefern trans*männliche Schwangerschaften vorherrschende Vorstellungen von Familie beeinflussen, neue Perspektiven auf Geschlechtsidentitäten eröffnen und welche Herausforderungen sich für gegenwärtige Standards der Schwangerschaftsversorgung identifizieren lassen. Die Ergebnisse sollen als empirische Grundlage für die Entwicklung von Bildungs- und Awarenessprogrammen für Stakeholder dienen, um die gesundheitliche Versorgung und die soziale und rechtliche Teilhabe von schwangeren trans*Männern zu verbessern.

Eine Vielzahl an Perspektiven bereicherte das Programm und ermöglichte einen regen Austausch. Trans*Männer teilten ihre persönlichen Geschichten über Schwangerschaft, Sozialwissenschaftler*innen und Mediziner*innen stellten ihre Forschung vor und unterschiedliche Professionen aus dem Gesundheitssektor berichteten von ihrem alltäglichen Umgang mit diesem Phänomen. Abgerundet wurde die Konferenz mit verschiedenen künstlerischen Zugängen zur Thematik, einer Performance und Filmen wie „Seahorse“. Hierfür war der Tagungsort – ein Theater – sicherlich genau der richtige.

Wie ein roter Faden zog sich die Frage durch die Konferenz, was es heißt, eine trans*Familie zu sein, und wie professionelle Personen im Gesundheitswesen reproduktionsmedizinischen Wünschen begegnen können. Allen Beiträgen gemeinsam war die stetige Mitverhandlung der Frage nach körperlicher Selbstbestimmung, wie die Aktivist*en Junco und Fernandéz aus Argentinien ausführten. Denn wie cis-PersonenFootnote 2 haben auch trans*Personen unterschiedliche Vorstellungen und Lebensentwürfe bezüglich ihrer Familienplanung. Claire Brown (Teesside University, England) untersucht etwa in ihrem Forschungsprojekt, welche Herausforderungen trans*Personen im Kontext von Adoptionsverfahren meistern müssen. Sie argumentierte, dass Barrieren aufgrund des Geschlechts möglicher Eltern abgebaut werden sollten, um die Bedürfnisse der Kinder in den Fokus zu rücken. Neben Schwangerschaft und Kinderwunsch wurde ebenso der Wunsch nach Kinderlosigkeit thematisiert, also der Zugang zu Verhütung und Abtreibung. Das aktuelle Forschungsprojekt von Juno Obedin-Maliver, Gynäkologin in den USA, zeigt auf, mit welchen spezifischen Barrieren trans*Personen konfrontiert sind, wenn sie Informationen und medizinische Versorgung erhalten wollen.

Sowohl das Forschungsprojekt als auch die Konferenz sind eng mit der trans*Community verbunden. „By us, for us“ ist der Leitsatz von Kate Nambiar und der Clinic T. Die Clinic T ist ein Gesundheitszentrum in Brighton, UK, das aus der trans*Community heraus gegründet wurde und auf die Gesundheitsversorgung von trans* und abinären Personen spezialisiert ist. Neben der Clinic T gibt es seit einiger Zeit die Gender Inclusion Midwives in Brighton. Trans*Schwangere können sich direkt an die Gender Inclusion Midwives wenden und erhalten dort eine transsensible Schwangerschaftsbegleitung. Darüber hinaus entwickeln die Gender Inclusion Midwives sprachliche und klinische Handreichungen, um eine qualitative und einheitliche Versorgung von trans*Schwangeren zu ermöglichen. In jenen sollen Begrifflichkeiten erklärt und genderneutrale Alternativen genannt werden (z. B. chestfeeding statt breastfeeding). In Brighton werden verschiedene Wege ausprobiert, um Wissen und Erkenntnisse der Genderforschung im Klinikalltag zu implementieren. Ein Aspekt, der immer wieder als Problem in der Gesundheitsversorgung genannt wird, ist das Misgendering, also das Benutzen des falschen Pronomens. In Brighton wurden dafür Pronomen-Sticker eingeführt, die Personen tragen können. Die Idee ist, dass sowohl trans*Personen als auch Klinikpersonal nicht in die unangenehme Situation eines Outings geraten, weil das Klinikpersonal so die entsprechende Person auf der Basis der Information des Stickers ansprechen kann.

Viele Vorträge beschäftigten sich mit der Frage, welche Rolle Sprache in der sozialen Welt spielt und welche besondere Deutungshoheit die Definitionen und Konzepte gesellschaftlicher Teilsysteme wie Medizin und Recht haben.

Anna Sophie Bach (University of Southern Denmark) griff dies in ihrem Vortrag „Who is the mother?“ auf, denn wie in Deutschland steht die Definition von Mutterschaft in Dänemark in der rechtlichen Tradition der römischen Auffassung „Mater semper certa est“. Väter mit Uterus existieren rechtlich somit nicht. Anna Sophie Bach plädierte für flexiblere und inklusivere rechtliche Begriffe, die mehr den familiären Realitäten gerecht würden.

Die weitreichenden Folgen der aktuellen Rechtslage wurden immer wieder mit Beispielen aus dem Alltagserleben illustriert. Yuval Topper-Erez berichtete, dass bei dem Versuch, sein Baby bei der Behörde zu registrieren, sein Wunsch schlicht negiert wurde. Wenn er ein Mann sei, könne es kein Kind geben. Ido Katri (University of Toronto) stellte in dem Vortrag „Transparental Designations and the Limits of Legal Recognition“ die Frage, warum sich Gesetzgeber mit alternativen Definitionen von Elternschaft so schwer tun. Laut Katri geht es zum einen um das staatliche Interesse, die Übernahme von Verantwortung für das Kind zu regeln. Darüber hinaus werde jedoch an einer heteronormen Vorstellung, wie diese Verantwortungsprozesse ausgestaltet werden sollen, festgehalten. Beispielsweise werde davon ausgegangen, dass es für das Aufwachsen eines Kindes wichtig sei, von einer Frau bzw. Mutter geboren zu werden.

Neben den rechtlichen Ansprüchen von trans*Personen wurde in weiteren Beiträgen zudem ein zutiefst menschliches Anliegen adressiert, welches Camilla Tved (Independent Midwive, Denmark) „Making someone exist“ nannte. Dabei geht es um die Forderung nach der Sichtbarkeit der Existenz von trans*Personen und deren Lebenssituationen.

Trans*Schwangerschaft stellt, wie die Konferenz zeigt, für natürlich gehaltene Verhältnisse zwischen den Geschlechtern infrage und bricht mit Prämissen, indem sie die Verbindung von Schwangerschaft und Weiblichkeit herausfordert. Zurzeit werden Trans*Männer noch häufig gefragt: „But if you are not a woman, why do you want to give birth?“ Wie Evelyn Callahan (Open University, England) in ihrem Vortrag „Resisting the Mandatory Femininity of Pregnancy through Sex Self-Identification“ ausführte, lässt sich anhand dieser Frage zeigen, wie eng körperliche Prozesse wie Schwangerschaft mit Annahmen über Geschlechtszugehörigkeit und -performance verbunden sind.

Michelle Walks (Simon Fraser University, Canada) und Kolleg*innen interviewten 22 trans*Männer aus Nordamerika, Australien und Europa und befragten sie zum Zusammenhang zwischen körperlicher Wahrnehmung und Schwangerschaft. Während für manche die Schwangerschaft ein dysphorisches Körpererleben triggerte, da sie selbst die Veränderung ihres Körpers Weiblichkeit zuschrieben und überdies durch ihr Umfeld zugeschrieben bekamen, berichteten andere, dass sie das Schwanger-Sein durchaus als männlich wahrgenommen hätten. So sei das Ausbleiben der Periode nicht nur ein Hinweis auf Schwangerschaft, sondern könne auch als männliche Erfahrung gedeutet werden.

Forschung in Deutschland zur gesundheitlichen Versorgung von trans*Personen steht noch ganz am Anfang. Erstere größere Projekte wie InTra Health (Dortmund) und das TRANS*KIDS Projekt (Münster/Göttingen) laufen gerade an. Zum Thema trans*Schwangerschaft gibt es im deutschsprachigen Kontext bisher keine größeren Forschungsprojekte. Ein erstes kleineres Projekt am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen untersucht die praktischen Schwierigkeiten, mit denen Gesundheitsversorger*innen und trans*Schwangere konfrontiert sind.