Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert Techniken öffentlicher Gesundheitskommunikation und skizziert im Ausblick Minimalbedingungen für ihre ethische Vertretbarkeit. Dazu wird erstens an einem aktuellen Beispiel veranschaulicht, wie mittels Text und Bild die Öffentlichkeit überzeugt werden soll, ein bestimmtes Gesundheitsverhalten an den Tag zu legen. Zweitens werden anhand der internationalen Ethik-Debatte fünf Grundtypen von Techniken in der Gesundheitskommunikation (Information, Argumentation, Persuasion, Manipulation und Zwang) rekonstruiert und entlang von Mittel, Zweck, Folgen für Adressaten sowie Implikationen für Autonomie aus ethischer Sicht unterschieden. Am besonders ambivalenten Beispiel der Persuasion wird dann drittens diskutiert, welche ethischen Fallstricke es bei Gesundheitskommunikation zu bedenken gibt. Schließlich zeigen wir argumentativ auf, dass es in sensiblen bioethischen Themenfeldern wichtig ist, zwischen verschiedenen Techniken der Gesundheitskommunikation analytisch zu differenzieren. Ziel sollte die Ermöglichung einer fairen und transparenten Diskussion für breite Bevölkerungsgruppen sein.
Abstract
Definition of the Problem
Public health communication is aimed at large groups of populations with a spectrum of communicative techniques. However, current approaches rarely scrutinize the normative implications and the moral threshold with this spectrum. The contribution develops minimum conditions for health communication’s ethical acceptability.
Arguments
First, by using a recent example, it is demonstrated how image and text are used in an attempt to convince the public of adopting a certain health behavior. Second, the international ethical debate is analyzed to reconstruct five basic types of techniques in health communication (information, argumentation, persuasion, manipulation, and coercion) which are discussed with regard to their implications for means, ends, and consequences for recipients as well as their implications for autonomy. Third, ethical pitfalls are discussed using the ambivalent technique of persuasion as an example.
Conclusion
We argue that it is important to differentiate between techniques of health communication when it comes to sensitive topics of bioethics. Furthermore, we argue that health communication should allow for a fair and transparent discussion involving the broader population.
Notes
Wir beziehen uns im Rahmen dieses Artikels nur auf letzteren Aspekt, die praktische Anwendung.
Unsere Rekonstruktion ist qualitativ, diskursiv und erhebt nicht den Anspruch eines systematischen Reviews oder ähnliches.
Unter personaler Autonomie werden Wünsche oder Gründe verstanden, die die eigenen Handlungen motivieren. Sie wird oftmals von der moralischen Autonomie im kantischen Sinne unterschieden (zu dieser Debatte vgl. Taylor 2005). Im Sinne Kants bedeutet Autonomie nach Maximen zu handeln, deren allgemeine Anerkennung man sich vernünftigerweise selbst wünscht bzw. einsichtig wird. Ein solch anspruchsvolles Verständnis fordert Kommunikation, die zur Reflexion befähigt und die Vernunftfähigkeit von Personen nicht gefährdet, sondern diese allenfalls fördert. Da gerade emotionale Persuasion jedoch Vernunftfähigkeit unterminieren könnte, müsste man sie wohl aus streng kantischer Perspektive ablehnen.
Sie grenzt sich damit kommunikationslogisch von der interindividuellen Arzt-Patienten-Kommunikation ab, wenngleich Überschneidungen prinzipiell denkbar und im ethisch-theoretischen Bereich auch einsichtig sind (Callahan und Jennings 2002, S. 170). Aufgrund der begrenzten Ausführungsbedingungen sind diese nicht weiter Gegenstand unserer Analyse.
Die Kampagne entstand aus der Kampagne „Gib AIDS keine Chance“ (https://www.aidshilfe.de/meldung/gib-aids-keine-chance-liebesleben. Zugegriffen: 12. April 2018).
Wie z. B. die Kampagnen „Informieren, entscheiden, ausfüllen“, die sich auf Organspende-Ausweise bezieht, oder „Mach’s mit“ der BZgA zur AIDS-Prävention.
Der Begriff der Bildung (engl. health education) wird oft synonym für health communication verwendet und bezeichnet eine legitime Version der Einflussnahme (Campbell 1990). Der Begriff der „health education“ wird im Deutschen als „gesundheitliche Aufklärung“ übersetzt.
Es zeigt sich, dass Zwang eher als praktische, inter-individuelle denn als kommunikative Handlung verstanden werden kann. Die analytische Abgrenzung ist aber dennoch sinnvoll, weshalb wir diesen Typ mit in Betracht ziehen.
Wir danken einem Gutachter für den Hinweis, dass unsere Einteilung gewisse Parallelen zur im Kontext von Public Health-Ethik diskutierten „Intervention Ladder“ aufweist, die vom Nuffield Council on Bioethics eingeführt wurde (Schmidt 2016; Nuffield Council on Bioethics 2007). Dieses Modell wurde im Vorfeld nicht als Referenz herangezogen, da es auf die stufenweise Intensivierung staatlicher Maßnahmen zur Regulierung und deren jeweiliger Legitimationsbedürftigkeit abzielt, sich jedoch nicht im engeren Sinn auf Kommunikationsstrategien im öffentlichen Raum bezieht. Diese stellt dabei nur ein mögliches Mittel der Intervention dar. Daher geht es auch nicht auf Mittel wie Persuasion, arationale Argumentation oder Manipulation ein. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede rauszuarbeiten, stellt aber eine interessante Perspektive für weitere Arbeiten zum Thema dar.
Hier mag oft zwischen zufällig mangelhafter Kommunikation und absichtlicher Falschdarstellung nicht zu unterscheiden sein. Es zeigt sich an diesem Beispiel, dass die von uns vorgenommene Unterscheidung von Grundtypen aufgrund ihrer vielschichtigen Komposition ethischer Gesichtspunkte nicht immer eine eindeutige Zuordnung zulässt, mithin Grenzfälle möglich sind.
www.gesundheitsziele.de (zugegriffen 22. Juni 2018).
Vgl. auch: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/gesundheitsziele.html (zugegriffen: 22. Juni 2018).
Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention.html (zugegriffen: 22. Juni 2018).
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Danksagung
Die vorliegende Arbeit wurde zum Teil unterstützt durch den Riskbankens Jubileumsfond (Projekt „Mind the Risk“) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (Projekt „Ich möchte lieber nicht“ – Das Unbehagen mit der Organspende und die Praxis der Kritik. Eine soziologische und ethische Analyse). Die AutorInnen danken Elisabeth Späth für die Mitarbeit an den konzeptionellen Vorarbeiten zum Manuskript und den anonymen Gutachtern für konstruktive Hinweise.
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Schaper, M., Hansen, S.L. & Schicktanz, S. Überreden für die gute Sache? Techniken öffentlicher Gesundheitskommunikation und ihre ethischen Implikationen. Ethik Med 31, 23–44 (2019). https://doi.org/10.1007/s00481-018-0507-7
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