Ein Gesundheitswesen, das sich wesentlich am Gedanken der Solidarität und Subsidiarität orientiert, ist zunächst von dem Grundsatz getragen, dass die Errungenschaften der modernen Medizin allen Kranken in gleicher Weise und in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt werden können. Dieser Grundsatz scheint zunehmend in Frage gestellt. Schlagworte wie „begrenzte Ressourcen“, „Rationalisierung“, „Priorisierung“ oder „Rationierung“ kennzeichnen die aktuellen Debatten.

Die zunehmende Effizienzorientierung klinischer Tätigkeit birgt Risiken, aber auch Chancen sowohl im Hinblick auf eine qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung der Patienten wie auch für die Arbeitsbedingungen und das Selbstverständnis von Ärzten, Pflegenden und anderen klinisch Tätigen. Die verschiedenen Berufsgruppen können unterschiedlich auf den Kostendruck reagieren: Ob der Ressourcenverbrauch durch eine Steigerung der Versorgungseffizienz, also durch Rationalisierung, oder durch das Vorenthalten nützlicher Leistungen, also durch Rationierung, reduziert wird, liegt in ihrem Ermessen. Darin ist einerseits die Chance begriffen, dass die Leistungszuteilung ganz am medizinischen Bedarf und den individuellen Präferenzen der Patienten ausgerichtet werden kann. Andererseits besteht die Gefahr, dass nützliche Leistungen aus Kostengründen unterbleiben und dadurch die Versorgungsqualität der Patienten sinkt.

Wird die Last der Rationierungsentscheidung dem einzelnen Arzt aufgebürdet, werden medizinische Leistungen möglicherweise nach intransparenten und ggf. unzureichend begründeten Kriterien zugeteilt. Eine aus ethischer Sicht problematische Konsequenz liegt in der daraus resultierenden Gefahr, dass Patienten mit vergleichbaren Krankheiten nicht in gleicher Weise behandelt werden. In Frage steht nicht nur die bestmögliche medizinische Versorgung der Patienten, sondern auch das traditionelle Selbstverständnis von Ärzten und Pflegenden als Helfer und Fürsprecher ihrer je individuellen Patienten. Als solche sind sie verpflichtet, dem Einzelnen die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen, was in Widerspruch geraten kann zu dem Erfordernis, die knappen Gesundheitsleistungen effizienzorientiert einzusetzen.

Deshalb müssen sich in Anbetracht knapper Ressourcen alle Verantwortlichen auf Leitziele verständigen, die ethisch und ökonomisch vertretbar sind und darüber hinaus mit dem jeweiligen Selbstverständnis der klinischen Berufsgruppen in Einklang gebracht werden können. Eine differenzierte Debatte auf wissenschaftlicher Ebene und in der Öffentlichkeit ist hierfür unerlässlich.

Im Rahmen des Symposiums Klinische Ethik der Universität Heidelberg am 24. November 2009 wurde die Frage gestellt, welche Auswirkungen die zunehmende Effizienzorientierung in unterschiedlichen Bereichen klinischer Tätigkeit und für die unterschiedlichen Berufsgruppen hat und welche Lösungsmöglichkeiten denkbar sind. Die Beiträge im vorliegenden Themenheft greifen diese Fragestellung mit je unterschiedlichem Fokus auf.

Die ersten vier Beiträge legen den Schwerpunkt ihrer Betrachtung auf ökonomische Fragen, die der Makroebene (Gesundheitswesen) oder Mesoebene (Krankenhaus) zuzuordnen sind.

Um einen wissenschaftlich fundierten Diskurs über diese Themen zu führen, sind zunächst begriffliche Differenzierungen nötig. Alexander Dietz führt in zentrale ökonomische Begrifflichkeiten ein und plädiert für einen sinnvollen Gebrauch ökonomischen Knowhows im Gesundheitswesen. Die Steuerung des Gesundheitswesens solle nicht dem Markt überlassen werden, aber marktwirtschaftliche Instrumente könnten dort, wo es sinnvoll ist, eingesetzt werden.

Demgegenüber vertritt der Beitrag von Arne Manzeschke eine kritischere Sicht auf die Ökonomie und diagnostiziert eine Krise des Krankenhauses. Jürgen Wallner begegnet dieser Krise und bietet auf der Ebene des Krankhausmanagements Allokationskriterien an, die ethisch verantwortbar sind.

Steffen Fleßa, Timm Laslo und Paul Marschall nehmen eine betriebswirtschaftliche Perspektive ein und berechnen Zielfunktionen anhand eines Modells der Linearen Programmierung. Der Beitrag kommt zu dem Schluss, dass eine individualisierte Therapie derzeit mit wirtschaftlichen Risiken behaftet ist und dass der Gesetzgeber gefordert ist, Anreize für eine patientenorientierte Versorgung zu schaffen.

Der zweite Schwerpunkt des Themenheftes liegt auf der Mikroebene der klinischen Praxis. Wie gehen Ärzte und Pflegende damit um, dass sie in ihren Entscheidungen nicht nur mehr dem Wohl des individuellen Patienten verpflichtet sind, sondern auch kosteneffektiv arbeiten müssen? Viele Ärztinnen und Ärzte bestätigen oder befürchten den Einfluss der Mittelknappheit in ihrem klinischen Alltag. Dies zeigen empirische Studien zum ärztlichen Umgang mit knappen Ressourcen. Dass Ethik und Effizienz kein Widerspruch sind, sondern die effektive Nutzung von vorhandenen Ressourcen ethisch geboten ist, zeigen Georg Marckmann und Jürgen in der Schmitten. Sie stellen ein Modell vor, wie Ärzte in einer ethisch vertretbaren Weise Kostenerwägungen bei ihren Behandlungsentscheidungen berücksichtigen können. Dort, wo rationiert werden müsse, solle dies in einer für die Patienten transparenten und konsistenten Weise geschehen. Zunächst sollten solche Maßnahmen eingespart werden, die dem Patienten nur einen geringen oder unwahrscheinlichen Nutzen bei vergleichsweise hohen Kosten bieten.

Auch die Pflege sieht sich in spezifischer Weise von der zunehmenden Effizienzorientierung und dem damit einhergehenden Kostendruck betroffen. So stieg die Zahl der zu versorgenden Patienten pro Pflegestelle von 2000–2006 um 8 % bei gleichzeitig wachsenden Arbeitsanforderungen an die pflegerische Tätigkeit. Sabine Bartholomeyczik vertritt die Sicht, dass Pflegende in besonderer Weise von dem zunehmenden Kostendruck und den damit einhergehenden Einsparungen betroffen sind, und votiert unter dem Stichwort primary nursing für eine Rückkehr zu den Kernaufgaben der Pflege.