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Zur Frage der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen

Eine notwendige Ergänzung der bisher in Deutschland geläufigen Argumente

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Notes

  1. Ein Paternalismus, der die Möglichkeiten des entscheidungsunfähigen Patienten zur Disposition über den eigenen Körper prinzipiell anders, nämlich erheblich enger zuschneiden will als die des einwilligungsfähigen (dessen Recht, sich jede Behandlung zu jeder Zeit zu verbitten, nirgendwo ernsthaft bestritten wird), und ihm daher für die Zeit vor seiner Todesnähe schlechterdings eine Duldungspflicht zur Behandlung auferlegen will, ist ethisch wie rechtlich nicht legitimierbar; dazu überzeugend ([19], S. A 107 f.).

  2. Statt aller [20]; weitere Nachweise bei ([19], S. A 109); dort auch weitere geläufige Argumente für diese Position.

  3. Im Internet unter http://www.bmj.bund.de/media/archive/734.pdf

  4. Grundlegende Erwägungen dazu bei Dresser ([6], S. 379 ff), weiter entwickelt in ([7], S. 234 ff.); vgl. auch ([4], S. 154 ff.) in der deutschen Diskussion ausgearbeitet von Merkel ([14], S. 545; S. 566 ff.; [15], S. 502, S. 506 ff.).

  5. In der internationalen moralphilosophischen Diskussion werden Konflikte dieser Struktur als „Ulysses dilemma“ bezeichnet. Man erwäge, ob man im Fall des auf eigenen, autonomen Wunsch an den Mast gefesselten Ulyssesfür einen Vorrang des aktuellen Willens (Losbinden) plädieren würde, nämlich für die Verbindlichkeit des nun inkompetenten, vom Gesang der Sirenen betörten Wunsches, und ob man daher den Gefesselten nun gegen seinen ausdrücklichen früheren Befehl tatsächlich losbinden (und seinem Verderben ausliefern) wollte.

  6. Zu welchen nachgerade tragischen Konstellationen es führen kann, zeigt ein amerikanischer Bericht im Hastings Center Report 28 (1), 1998, S. 28: Im Fall einer schwer dementen 73-jährigen Frau, die zuvor als aktive erfolgreiche Person eine PV mit Anweisungen zur Behandlungseinstellung für den Fall ihrer Demenz verfasst hatte, entstand ein gravierender Meinungskonflikt zwischen den (ganz gewiss nicht übel wollenden!) Kindern der alten Dame und dem Personal des Pflegeheims, in dem sie untergebracht war. Die Kinder verteidigten das frühere Bild ihrer Mutter und deshalb deren autonome PV; das Pflegepersonal verteidigte deren aktuelles Wohl als das eines Menschen, der keinerlei subjektive Rückbeziehung zu seiner früheren Verfügung mehr hatte, aber ersichtlich recht gerne lebte. Der Fall endete mit einer Verlegung der Patientin in ein anderes Heim (von der alten Dame mit Tränen sozusagen stumm, aber beredt kommentiert); dort starb sie offenbar alsbald, nachdem die intensive medizinische Lebenserhaltung zurückgezogen worden war.

  7. Zum Beispiel auch in den allermeisten zivilrechtlichen Beziehungen: als Namensträgerin, in sämtlichen Verwandtschaftsbeziehungen, als potenzielle Erbin, Erblasserin—und in zahlreichen weiteren.

  8. Sie wird daher auch von einem so bedeutenden Rechtsphilosophen wie Ronald Dworkin abgelehnt, der in unseren Fällen allein die frühere autonome PV—auch gegen die Interessen des späteren inkompetenten Patienten—für verbindlich hält (vgl. [8], S. 222 ff., S. 226).

  9. Vergleiche aus der umfangreichen internationalen Literatur nur ([14, 15], insbesondere S. 1576 f.; [2, 3, 9], S. 96 ff.; [5], S. 27 ff., S. 31; [1], S. 278 ff.) Studien aus jüngerer Zeit haben wichtige Unterschiede zwischen dem echten, irreversiblen apallischen Syndrom („Persistent Vegetative State“, kurz „PVS“) und dem so genannten „Minimal Conscious State“ herausgearbeitet; s. inbes. [18] sowie [9]; an der Gültigkeit des oben im Text zum echten PVS Ausgeführten ändert das nichts; vgl. dazu neuestens [11] und [22]; im übrigen berührt der rein empirische Befund, dass es selbstverständlich schwierige Zweifels- und Grenzfälle des PVS gibt, die normative Frage, wie in zweifelsfreien Fällen zu verfahren ist, ohnehin nicht. Offenbar in allen Fällen des apallischen Syndroms am Zustand völliger Bewußtlosigkeit zweifelnd, freilich (erstens) vor mehr als 13 Jahren und (zweitens) lediglich mit dem wenig überzeugenden agnostischen Argument, die subjektive Erlebnisunfähigkeit des apallischen Patienten sei nicht sicher beweisbar, McQuillen ([12], S. 373 ff, S. 383).

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Merkel, R. Zur Frage der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen. Ethik Med 16, 298–307 (2004). https://doi.org/10.1007/s00481-004-0324-z

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/s00481-004-0324-z

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