Über die Kompetenzen psychodynamischer Psychotherapeuten wurde in der Vergangenheit schon sehr viel diskutiert und geschrieben. Aktuell ist dieses Thema heute insofern, als sich eine Reform der Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten abzeichnet, welche die bestehenden Ausbildungsstrukturen, aber auch die Inhalte und didaktischen Methoden ihrer Vermittlung nachhaltig verändern könnte. Deswegen veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft der Psychodynamischen Professorinnen und Professoren im September 2017 ein Symposion zur Frage nach den psychodynamischen Kompetenzen – und wie man sie erwirbt. Vier der dort vorgetragenen Referate bilden den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe des Forum der Psychoanalyse.

Eine Reform der Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten wird möglicherweise die derzeit verbreiteten Ausbildungsstrukturen ändern. Es ist damit zu rechnen, dass ein Teil der Ausbildungsaufgaben, die bislang von den Instituten der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) wahrgenommen wurden, zukünftig Hochschulen (Stichwort: „Direktausbildung“) oder psychosomatischen Kliniken übertragen werden. In dieser noch offenen Situation haben die Autorinnen Kerstin Sischka, Simone Filter und Susanne Singer in einer empirischen Erhebung untersucht, inwieweit die gegenwärtig in Ausbildung befindlichen Kandidatinnen und Kandidaten mit der jetzigen Form ihrer Ausbildung zufrieden sind. Die Mehrheit der 559 Befragten spricht sich dafür aus, das derzeit praktizierte Modell der institutsgebundenen Aus- bzw. Weiterbildung beizubehalten. Sie schätzen die dort praktizierte Integration von Theorie, Methoden und klinischer Erfahrung, das Lernen in kleinen Gruppen und die Anbindung an die psychoanalytischen Fachgesellschaften. Auch Verbesserungsvorschläge wurden erhoben: Die Institute sollten die wissenschaftliche Neugier und das Forschungsinteresse ihrer Kandidaten stärker fördern und hierzu mit den Universitäten intensiver zusammenarbeiten.

Peter Döring geht von der Vermutung aus, dass eine Reform der Ausbildung zum psychodynamischen Psychotherapeuten die Institute der DGPT zu weitreichenden Veränderungen herausfordern wird. Auch wenn Einzelheiten dieser Reform noch nicht zu erkennen sind, sollten sich die Institute schon jetzt mit der Gestaltung von Veränderungsprozessen befassen. Hierbei könnten Methoden aus der psychodynamischen Organisationsberatung und Gruppendynamik sehr hilfreich sein. Der Autor stellt solche Methoden vor und schildert ihre Anwendung anhand seiner konkreten Erfahrungen am Lou Andreas-Salomé Institut in Göttingen.

Jede Ausbildung zum psychodynamischen Psychotherapeuten zielt auf die Vermittlung professioneller Kompetenzen. In den Zeiten sich verändernder Ausbildungsstrukturen erscheint es notwendig, qualitätsvolles psychoanalytisches Arbeiten zu definieren und Methoden zur Erfassung fachbezogener Fähigkeiten und Fertigkeiten zu definieren. Herbert Will schlägt in seinem Beitrag vor, die bisher an den Ausbildungsinstituten übliche, sehr individualistische Auffassung von psychoanalytischen Fähigkeiten durch ein Kompetenzmodell zu ersetzen, das gegliedert und transparent ist und das die Prozesse des Lehrens und Lernens nachvollziehbar macht. Ein solches Kompetenzmodell könnte dazu beitragen, dass sich die Ausbildungskandidaten leichter als bisher ihrer Fähigkeiten vergewissern – gegen die oft geäußerte Besorgnis, in der Ausbildung nach undurchschaubaren Kriterien beurteilt zu werden. Zwei Kompetenzmodelle schlägt Herbert Will vor: Eines von Ken Israelstam, das in Australien weite Verbreitung und Anerkennung fand, und sein eigenes, das er in der Zusammenarbeit mit zahlreichen Supervisoren entwickelte.

Michael Ermann diskutiert die Frage, welche Bedeutung die Lehranalyse bei der Vermittlung psychodynamischer Kompetenzen zukünftig haben wird. Er erinnert an das oft beschriebene Dilemma der psychoanalytischen Selbsterfahrung zwischen einem didaktischen Anspruch einerseits und dem Anliegen einer Persönlichkeitsentwicklung andererseits. So sehr die Lehranalyse dem Kandidaten/der Kandidatin einen Einblick in die Methoden psychoanalytischen Arbeitens vermittelt, liegt ihre hauptsächliche Aufgabe doch darin, die Entfaltung einer „subjektiven psychoanalytischen Identität“ zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund einer reflektierten eigenen Lebensgeschichte sollen die jungen Psychoanalytiker ein persönliches Menschenbild und eine sensitive Beziehungsfähigkeit entwickeln, denn analytische Psychotherapie ist ja in einer sehr persönlichen Begegnung von Analysanden und Analytikern wirksam, weniger dadurch, dass erprobte Methoden „angewendet“ werden. Fraglich ist allerdings, inwieweit sich die Erwartungen an die Lehranalyse ändern werden, wenn die Institute einen Teil ihrer Verantwortung für die Ausbildung verlieren und die niederfrequente tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie an Bedeutung gewinnt.