Psychodynamik beschreibt die innerseelischen Vorgänge, die das Erleben und Verhalten steuern, dem Menschen Stabilität und Identität geben und das soziale Zusammenleben ermöglichen. Sie bilden typische Muster, die die Persönlichkeit prägen.

Für Freud (1915) war die Psychodynamik einer der drei Bezugspunkte seiner Metapsychologie: „Ich schlage vor, daß es eine metapsychologische Darstellung genannt werden soll, wenn es uns gelingt, einen psychischen Vorgang nach seinen dynamischen, topischen und ökonomischen Bedingungen zu beschreiben“. Ihn beschäftigten in seinem ersten Modell der Psyche die Beziehung zwischen den Bereichen bewusst, vorbewusst und unbewusst. Später beschrieb er als Psychodynamik die Prozesse zwischen den Instanzen Ich, Es und Über-Ich. Hier handelte es sich um ein physikalistisches Modell, das die Psychodynamik als Gegenstück zur Struktur bzw. zur „Topik“, dem „Ort“ seelischer Prozesse, verstand.

Diese Modelle bildeten die Grundlagen der psychoanalytischen Persönlichkeitslehre und der Freud’schen Krankheitslehre und Behandlungstheorie, welche das Zusammenwirken zwischen bewussten und unbewussten seelischen Prozessen erforscht und vornehmlich interpretativ für die Behandlung nutzt. Solange die klassischen Konzepte in der Psychoanalyse vorherrschten, wurden demnach die Begriffe Psychodynamik und Psychoanalyse nahezu gleichgesetzt. Sie kennzeichneten die Zentrierung auf unbewusste und konflikthafte psychische Prozesse.

Mit der Fortentwicklung der psychoanalytischen Theorien und Konzepte ist die Gleichsetzung von Psychoanalyse und Psychodynamik inzwischen verblasst und hat neuen Ansätzen Raum gegeben. Mit dem Aufkommen und der Verbreitung alternativer Theorien, insbesondere der Objektbeziehungs- und Narzissmustheorie, und dem zunehmenden Einfluss der interpersonellen und intersubjektiven Konzepte sowie der Bindungstheorie stehen Prozesse der Interaktion, der Kommunikation und der Bezogenheit heute viel mehr im Zentrum des psychoanalytischen Denkens als die innerseelischen Kräfte und Prozesse. Die neueren Theorien und Konzepte stehen zwar nicht im Widerspruch zum klassischen psychodynamischen Verständnis, die Betrachtung hat sich aber zunehmend vom Innerseelischen zum Interaktionellen, das heißt vom intrapsychischen Raum zum intersubjektiven Feld, verschoben. Die Arbeiten von Winnicott, Bion oder der Boston Study Group um Daniel Stern sind dafür beispielhaft.

Vor diesem Hintergrund hat sich schrittweise auch der Gebrauch der Begrifflichkeit verändert. Ausgehend von internationalen psychiatrischen Konventionen spricht man heute auch im deutschsprachigen Bereich verallgemeinernd von psychodynamisch (englisch: „psychodynamic“), wenn Phänomene unter der Perspektive des Unbewussten betrachtet werden. Damit wird der Begriff „psychoanalytisch“ im wissenschaftlichen Sprachgebrauch außerhalb der analytischen Gemeinschaft mehr und mehr zurückgedrängt. In der Folge werden die Konzepte der Psychoanalyse und die spezifischen psychoanalytischen Verfahren unter den Begriff „psychodynamisch“ subsumiert, der zu einer Art Gattungsbegriff wird und das gesamte psychoanalytische Feld bezeichnet.

Besondere Bedeutung haben für die deutschsprachige Psychotherapie dabei die tiefenpsychologisch fundierten Verfahren. Sie wurden 1967 international einzigartig durch die Psychotherapierichtlinien als „psychoanalytisch orientierte“ Einzel- und Gruppentherapie konzipiert, um eine damalige Versorgungslücke zu schließen. Ursprünglich konfliktzentriert und damit auf die Psychodynamik ausgerichtet, nehmen heute strukturorientierte Ansätze immer stärkeren Einfluss auf die praktische Versorgung und rücken strukturelle Bedingungen und Defizite in den Vordergrund der Aufmerksamkeit. Sie machen eine Behandlungstechnik erforderlich, die besonderes Gewicht auf Stützung und Ermutigung, Klärung und Anleitung legt. In der Konsequenz tritt das innerseelische Kräftespiel, insbesondere die Konfliktdynamik, zugunsten einer angewandten Ich-Psychologie immer mehr in den Hintergrund. Auch diese Methodik firmiert unter dem Begriff „psychodynamisch“, obwohl die unbewussten, konflikthaften Prozesse nicht mehr ihr unmittelbarer Gegenstand sind.

In dieser Situation stehen wir vor der Frage, ob es nicht an der Zeit ist, das Gebiet der psychoanalytischen Theorie und Praxis neu zu vermessen. Wir bewegen uns heute nicht mehr auf einem eng begrenzten Gebiet der Psychoanalyse, sondern in einem weiten Feld psychoanalytisch begründeter Konzepte und Verfahren, die – volens nolens – unter dem Begriff Psychodynamik firmieren. Damit stehen wir vor der Herausforderung, bei den verschiedenen Anwendungen immer wieder den Bezug zur Psychoanalyse als den gemeinsamen Grund zu reflektieren und lebendig zu halten – um der konzeptionellen Klarheit und Aufrichtigkeit unserer Wissenschaft willen.