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Qualitätsmanagement für Psychoanalytiker

Stein der Weisen oder Stein des Sisyphos?

Quality-management for psychoanalysts

The Philosopher's stone or Sisyphean task?

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Forum der Psychoanalyse Aims and scope

"Zunächst gab es ein paar Amöben. Einige mutierte Amöben paßten sich besser der Umgebung an und wurden zu Affen. Dann kam das Total Quality Management" (Scott Adams 1999).

Zusammenfassung

Ausgehend von aktuellen Qualitätsproblemen und offenen Fragen im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung wird ein Konzept für Qualitätsmanagement und Zertifizierung für Psychoanalytiker dargestellt und begründet, das auf der Basis von professionellen Qualitätsmanagementmodellen (DIN ISO 9.000 ff., EFQM) entwickelt wurde.

Abstract

The article discusses current problems with the quality of psychotherapeutical services. Based on professional quality-management models (ISO 9.000, EFQM) a concept of quality management and accreditation for psychoanalysts is proposed.

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Notes

  1. Allerdings zeigen sich auch grundlegende Unterschiede zwischen Psychoanalyse und Qualitätsmanagement: Die Auffassung von Patienten als Co-Produzenten ihrer Gesundheit und insgesamt die Anwendung von Prinzipien des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen (völlige Planbarkeit, Nullfehlerphilosphie) beinhalten implizit auch Vorstellungen von unbegrenzter Machbarkeit, von Gesundheit als planbarem und herstellbarem Produkt. Solche Vorstellungen würden Analytiker bei ihren Patienten als behandlungsbedürftige narzisstische Größenphantasien zum Gegenstand der Therapie machen.

  2. Die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ) fasst diese Aspekte für das Gesundheitswesen so zusammen: "Was Qualitätsmanagement nicht sein soll: Qualitätsmanagement ist kein Allheilmittel für die Bewältigung aller Probleme in Klinik und Praxis. Man muss daher die Möglichkeiten und Grenzen der am Qualitätsmanagement-Prozess Beteiligten richtig einschätzen. Viele Probleme sind durch die derzeitige Versorgungsstruktur bedingt, die weder die Arztpraxis noch das Krankenhaus verändern kann. Eine Überforderung von Projektgruppen programmiert den Misserfolg. Ein anderer Aspekt ist der wissenschaftliche Ansatz, er sollte aber bei den Aktivitäten im Klinik- bzw. Praxisalltag nicht im Vordergrund stehen. Das Ziel ist vielmehr, die Patientenversorgung in der Routine besser zu gestalten." (Q-M-A. Das Informations- und Fortbildungsprogramm für Qualitätsmanagement in der Ambulanten Versorgung, www.aezq.de).

  3. Wobei die Kosten von etwa 8.000–15.000 € für 160–300 Sitzungen, verteilt über 3–4 Jahre (also etwa 3.000 € im Jahr), im Vergleich zu Kosten für Diagnostik und Behandlung von ähnlich schwerwiegenden und lebensbeeinträchtigenden somatischen Erkrankungen wiederum vergleichsweise niedrig sind.

  4. In Kliniken wird dies das schon lange so gehandhabt: Dort prüfen MDK oder Sachbearbeiter des Rententrägers Psychodynamik, Behandlungsplan und erreichte Veränderungen in kurzen Abständen und machen davon die weitere Kostenübernahme abhängig.

  5. Der Vorwurf gilt allerdings genauso auch für die anderen Bereiche der Medizin: Was ist bekannt über die Ergebnisse von hausärztlichen, internistischen oder orthopädischen Behandlungen? In keinem anderen ärztlichen Gebiet werden für alle Behandlungen aller Patienten bei allen Ärzten des gesamten Gebietes Daten erhoben, sondern es werden gezielte Erhebungen zu bestimmten Krankheitsbildern, Behandlungs- oder Untersuchungsmethoden durchgeführt.

  6. Es ist beispielsweise fraglich, wie sinnvoll es ist, für ein Einpersonenunternehmen ein Qualitätsmanagementhandbuch zu erarbeiten, in dem der Praxisinhaber für sich selbst sämtliche Arbeitsabläufe detailliert beschreibt. Das wäre nach DIN ISO gefordert und ist für die klare Regelung von Verantwortlichkeiten und zur Information aller Mitarbeiter in einer größeren Organisation (wie z. B. der Ausbildungsambulanz eines Instituts) auch durchaus sinnvoll.

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Piechotta, B. Qualitätsmanagement für Psychoanalytiker. Forum Psychoanal 19, 129–148 (2003). https://doi.org/10.1007/s00451-003-0156-3

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