Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

bradykarde und tachykarde Herzrhythmusstörungen und die Vielfalt ihrer Symptomatik von höchst belästigendem Arrhythmiegefühl über die unsystematische Vertigo und Präsynkope bzw. Synkope bis hin zum plötzlichen Herztod (Letzterer mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 1 pro 1000 Einwohnern) stellen unverändert ein relevantes klinisches Szenario in der Notfall- und Akutmedizin dar. Die für Betroffene in der Regel eindrucksvollen Paroxysmen determinieren nicht zwangsläufig deren prognostische Bedeutung, was im Einzelfall patientenseitig zu erheblichen Irritationen führen kann. Das Spektrum des Akutmanagements im Arrhythmienotfall erstreckt sich von der zügig symptomlindernden Intervention bis hin zu lebensrettenden Maßnahmen.

Ein wichtiger Aspekt im Umgang mit Arrhythmien und Synkopen besteht in dem Umstand, dass deren Ursache und Pathophysiologie auch aus Funktionsstörungen und Erkrankungen resultieren kann, die nicht im primär kardiologisch/elektrophysiologischen Fachgebiet angesiedelt, sondern beispielsweise neurologisch oder endokrinologisch verursacht sind. Der wesentliche Anteil kardiologischer/rhythmologischer Malfunktionen an der Entstehung relevanter Arrhythmien und Synkopen ist aber unbestreitbar. So schreibt beispielsweise Richard N. Fogoros, einer der Pioniere der Entwicklung diagnostischer Strategien in der Elektrophysiologie, in der aktuellen fünften Ausgabe seines Werks „Electrophysiologic testing“ [1] rückschauend völlig zurecht: „Classically, the evaluation of syncope has centered on searching for neurologic etiologies. However, it has become apparent that most syncopal episodes have cardiovascular causes. The physician evaluating a patient with syncope should therefore search carefully for cardiovascular etiologies.“

Abgesehen von sekundären Brady- oder Tachykardien als Folge endokriner Erkrankungen, Elektrolytverschiebungen und/oder unerwünschter medikamentöser Wirkungen etc., lassen sich die Ursachen klinisch bedeutsamer Arrhythmienotfälle auf Basis ihrer zugrundeliegenden Mechanismen in unterschiedliche Kategorien aufteilen.

Zunächst finden sich idiopathische Formen tachykarder Herzrhythmusstörungen, dies hauptsächlich in Form einer supraventrikulären oder ventrikulären Extrasystolie bis hin zur repetitiven monomorphen ventrikulären Tachykardie aus dem rechten oder dem linken Ventrikel. Weiterhin fungieren funktionelle oder manifeste Störungen des Reizbildungs- und/oder -leitungssystems häufig als zugrundeliegendes Substrat verschiedener Arrhythmien. Bei den Bradykardien erstreckt sich die Bandbreite vom kranken Sinusknoten über verschiedene atrioventrikulären Überleitungsstörungen bis hin zu den Schenkelblockierungen und ihren diversen Formen der Leitungsverzögerung auf Ventrikelebene. Bei den tachykarden Arrhythmien reicht das Spektrum von den klassischen Reentry-Tachykardien, an denen das spezifische Reizleitungssystem evtl. unter Einbezug akzessorischer Verbindungen beteiligt ist, über Vorhoftachykardien bis zu den unterschiedlichen Formen ventrikulärer Tachykardien. Spezifische Erkrankungen und ihre Folgezustände, wie akute oder auch abgelaufene Ischämien sowie Vitien, können Substrate für verschiedenste Formen von Arrhythmien verursachen. Zunehmende Aufmerksamkeit wird dem Umgang mit den genetisch bedingten tachykarden Herzrhythmusstörungen gewidmet. In diesem Zusammenhang sind sog. Iono- bzw. Kanalopathien, die arrhythmogene rechtsventrikuläre Erkrankung und auch die verschiedenen Varianten der Veränderung der QTa‑/QTc-Periode zu nennen. Und last but not least dürfen potenzielle Malfunktionen funktioneller kardialer Implantate nicht unerwähnt bleiben. Die Anzahl aggregattragender Patienten steigt rapide, und mittlerweile verfügen wir über eine mehr als zwei Dekaden währende klinische Erfahrung mit zunehmend differenzierter arbeitenden antitachykarden Devices und einer deutlich längeren Spanne im Umgang mit Herzschrittmachern.

Arrhythmienotfälle treten in der Regel plötzlich ein, und das primäre Ziel der Notfallintervention besteht natürlich in der schnellstmöglichen Terminierung der Akutsituation. Für die akute antitachykarde medikamentöse Therapie stehen verschiedenste Agenzien zur Verfügung, deren Einsatz unter Erfassung der spezifischen klinischen Patientensituation sowie der Kenntnis ihrer pharmakologischen Spezifika und Wirkmechanismen die Tachykardie in der Regel rasch terminieren lässt. Selbstverständlich gehören indikationsabhängig die externe elektrische Kardioversion bzw. Defibrillation zum Spektrum antitachykarder Strategien.

Den akuten Bradykardien liegt bei fast der Hälfte der Fälle eine reversible Ursache zugrunde. Die Behandlung dieser Ursache stellt ein Fundament der Bradykardie-Behandlung dar. Mit den intravenösen chronotropen Substanzen und der Anlage eines passageren Schrittmachers (transkutan, transvenös, epikutan) stehen effektive Therapiemaßnahmen zur Behandlung der akuten Bradykardien zur Verfügung. Bei hämodynamisch wirksamer Bradykardie während der akuten Infarktphase wird nach den aktuellen ESC-Guidelines nur noch dann ein transvenöser Schrittmacher empfohlen, wenn medikamentöse Versuche der Frequenzbeschleunigung (in erster Linie Atropin, nur bei Wirkungslosigkeit Katecholamine) fehlschlagen und die Bradykardie nach Akut-PCI persistiert [2].

Die Beherrschung der diversen Fehlfunktionen aktiver Rhythmusimplantate verlangt Kenntnisse und Erfahrung in der Beurteilung der elektrokardiographischen Analyse und der Arbeitsweise der jeweiligen Implantate, aber auch die Kenntnis potenzieller Rescue-Strategien, wie einer simplen Magnetauflage. Besonders effektiv gestaltet sich das Notfallmanagement, wenn die Handhabung der Devices und die Antiarrhythmika-Therapie beherrscht werden.

Ablative Strategien spielen im Notfallmanagement eine zeitlich nachgeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die Beherrschung der Akutsituation, um Zeit für eine subtile Fehler- bzw. Problemanalyse zu gewinnen und darauf basierende geeignete kurative Therapieoptionen konzipieren zu können. Dies bedeutet nicht, dass im begründeten Einzelfall, insbesondere beim VT-Sturm, eine Ablationsbehandlung geeignet sein kann, eine Akutsituation zu beherrschen, insbesondere, wenn die genannten Sofortmaßnahmen nicht (dauerhaft) zielführend sein sollten.

Wir haben den vorliegenden Themenschwerpunkt konzipiert, um das breite und komplexe Feld des Akutmanagements arrhythmiebedingter Notfallsituationen hinsichtlich Diagnostik und Therapie so umfassend wie möglich darstellen zu können und dazu auf ihrem jeweiligen Gebiet sehr erfahrene Autoren um ihre Beiträge gebeten. Wir wünschen Ihnen viel Freude an und Kenntnisgewinn von der Lektüre der vorliegenden Ausgabe.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Reinhard Höltgen und Ihr Bernd Lemke