Liebe Leserinnen und Leser,

neben einer breiten Palette an Arbeiten zur Grundlagenwissenschaft und Artikeln über chirurgische Techniken unseres Fachgebiets kommt in dieser Ausgabe der Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie auch die Sicht der Psychologie auf das Fach Herzchirurgie in zwei Beiträgen zu Wort. Der erste Artikel erscheint berechtigterweise an prominenter Stelle als CME-zertifizierte Fortbildung. Der zweite Beitrag beleuchtet sehr ausführlich die mannigfaltigen Interaktionen zwischen verschiedenen an der Therapie beteiligten Personengruppen und den einer herzchirurgischen Therapie zugeführten Kranken. Der Arbeitstitel „In der Höhle des Löwen“ mag etwas überzeichnet wirken, gibt aber durchaus wichtige Anregungen zur persönlichen Reflexion.

Ich persönlich hege keinen Zweifel, dass insbesondere die Patientenversorgung in hohem Maß von der Möglichkeit einer eingespielten Zusammenarbeit mit Kolleginnen/Kollegen des psychologisch-psychosomatischen Fachgebiets profitieren kann. Dass sich psychologische und physische Prozesse wechselseitig verstärken, ist bereits jedem Segler bewusst: Angst ist ein wesentlicher Auslöser bzw. Verstärker aller somatischen Erscheinungen der Seekrankheit eines Crew-Mitglieds. Dies gilt bewiesenermaßen auch für das subjektive Maß der Schmerzempfindung und den daraus resultierenden Bedarf an Analgetika. Wenn auch nicht unwidersprochen, gibt es darüber hinaus durchaus solide Hinweise in der Literatur für einen Zusammenhang zwischen präoperativ empfundener Angst und der Häufigkeit eines postoperativen Delirs. Gerade dieses durch Unruhe, Angstattacken und Wahnwahrnehmungen gezeichnete Krankheitsbild in der Grenzzone psychischer und physischer Erkrankungen geht mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einher. Möglicherweise würden auch die bei Verhinderung eines gewissen Prozentsatzes an postoperativem Delir eingesparten Kosten den finanziellen Aufwand für ein psychologisches Team mehr als ausgleichen.

Sicherlich empfinden viele Patienten die Entscheidung zur Herzoperation noch als Ereignis, das die eigene Existenz in einen Grenzbereich des Lebens bringt. Hier könnte aber bereits bei der Indikationsstellung auch in Zusammenarbeit mit überweisenden Kollegen Entscheidendes geleistet werden. So liegen heute bei den meisten elektiven kardiochirurgischen Eingriffen Morbidität und Mortalität weit unter den entsprechenden Zahlen der großen onkologischen Chirurgie. Auch stellt die überwiegende Zahl an Operationen an den Herzkranzarterien und -klappen Eingriffe mit nahe kurativer Wirkung dar. Wesentliche Verbesserungen könnte aber in der Tat dann eine für Risikopatienten etablierte perioperative Mitbetreuung durch psychologisches Fachpersonal bewirken.

Davon unbenommen bleibt, dass die (lebenslange) Ausbildung zum Herzchirurgen gleichermaßen „Herz, Hirn und Hände“ berücksichtigt, Vermittlung umfangreicher theoretischer Fachkenntnisse, Schulung einer für jeden Arzt angemessenen lebenslang zu bewahrenden Empathie und hochspezialisiertes technisches Training.

Alle Autoren mögen mir diesen ausschließlichen Ausflug auf das von Frau Dr. Katharina Tigges-Limmer et al. aufgegriffene Gebiet verzeihen. Die Leserinnen und Leser werden dennoch wie immer das breite Spektrum unserer Zeitschrift für Herz- Thorax- und Gefäßchirurgie wertschätzend zur Kenntnis nehmen.

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Univ. Prof. Dr. med. Armin Welz