Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Originalpublikationen, Aufsätze, Buchbeiträge und sonstige Veröffentlichungen aus dem Bereich der Humanmedizin glänzen nicht immer durch sprachliche Brillanz und Ausnutzung aller Gestaltungsmöglichkeiten, die eine Sprache mit sich bringt. Dies gilt sowohl für deutsch- als auch englischsprachige Veröffentlichungen. In medizinischen Beiträgen werden viele eingefahrene Formulierungen und sprachliche Darstellungen genutzt, die jeder Arzt versteht, für den Laien aber sonderbar klingen mögen. Wir merken das meist nicht, weil wir so sehr daran gewöhnt sind. Und wenn die Schriftleiter, Editoren und Rubrikenleiter von wissenschaftlichen Fachzeitschriften im Bereich der Medizin, wie die Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie eine solche ist, Manuskripte zur Veröffentlichung zugesandt bekommen, wird wohl unbewusst (manchmal auch bewusst!) mehr der Inhalt als die sprachliche Darstellung bewertet. Also beteiligt man sich mehr oder weniger wissentlich an der Uniformität der sprachlichen Darstellung wie sie in der Medizin üblich ist.

Alles eine Frage der Perspektive

In der aktuellen Ausgabe unserer Zeitschrift werden Sie jedoch auf einen Beitrag stoßen, der so gar nicht den üblichen Lesegewohnheiten eines Arztes entspricht. „Arbeitsverträge für Ärzte“ von Schrader et al. aus der Rubrik „Das medicolegale Thema“ ist in einer ganz anderen Sprache geschrieben, nämlich in typischem „Juristendeutsch“ wie sie einer Publikation der renommierten Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) gut zu Gesicht stände. Für uns Mediziner, die juristisch nicht vorgebildet sind, mag die Lektüre ungewohnt, vielleicht sogar mühsam erscheinen. Herr Dr. Siebel, der verantwortliche Rubrikenleiter, Arzt und Jurist in Personalunion, hatte einige Zweifel, ob diese Sprache einen Mediziner fesseln kann, dieser den Beitrag neugierig liest oder aber nach wenigen Sätzen abbricht und sich der gewohnten Darstellung anderer Beiträge zuwendet. Andererseits sei der Beitrag von außergewöhnlich hoher inhaltlicher Qualität, wie der Jurist in ihm anerkennt. Das Thema per se erscheint doch für alle angestellten Ärzte von hoher Relevanz: Wer weiß schon, wie lange man nach welchen gültigen Rechtsnormen an Universitätskliniken befristet angestellt werden darf und worauf man beim Abschluss eines Arbeitsvertrags als Arzt achten sollte? Letztendlich haben Herr Dr. Siebel und ich gemeinsam beschlossen, dass Ihnen, geneigte und gebildete Leserinnen und Leser, mithilfe eines einleitenden Editorials zugemutet werden kann, auch einen sprachlich ungewohnten Beitrag zu lesen. Versuchen Sie es – aus meiner Sicht sicher gewöhnungsbedürftig, aber sehr präzise und sprachlich mal etwas anderes, was die eigenen Horizonte vielleicht etwas erweitert. Und ganz am Rande: Herr Dr. jur. Peter Schrader, der Autor des Beitrags, blätterte durch unsere Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie und stellte politisch korrekt fest, dass die Darstellung und die Sprache in unseren medizinischen Beiträgen doch „sehr anders“ als bei den Juristen sei. Es ist alles eben eine Frage der Perspektive!

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich viel Spaß beim Lesen dieses und auch der Ihnen gewohnten Beiträge!

Herzliche Grüße,

Ihr

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Prof. Dr. K. Kallenbach