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Mit der Erkenntnis der physiologischen und nosologischen Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern auch in der Rheumatologie wurden die Besonderheiten kindlicher Patienten seit den 70er- und besonders 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts herausgestellt. Zuerst in den USA entstand die pädiatrische Subspezialität der Kinderrheumatologie, später auch in Europa. Dabei wurden richtigerweise die Unterschiede zwischen erwachsenen und kindlichen Patienten betont: das unreife Immunsystem des jungen Kindes, das zudem weniger Erfahrungen hat sammeln können; der wachsende und sich entwickelnde Organismus; die über Zwischenstufen heranreifende Persönlichkeit; die unterschiedliche Herangehensweise an den Patienten, der minderjährig ist und von seinen Eltern oder Erziehungsberechtigten begleitet wird. Schließlich wurde klar, dass Medikamente nicht einfach übernommen werden dürfen („für Kinder eine halbe Ampulle“), sondern dass eigene Medikamentenstudien in Abhängigkeit von Lebensalter, Körpergewicht oder Körperoberfläche notwendig sind, wenn man in der Behandlung von Kindern die gleiche Sorgfalt walten lässt wie bei Erwachsenen.

Nachdem diese notwendigen Abgrenzungen allseits akzeptiert waren, rückten auch wieder Gemeinsamkeiten zwischen der internistischen Rheumatologie und der Kinderrheumatologie in den Fokus: Bei der Transition der Patienten vom Kinderrheumatologen zum internistischen Rheumatologen begegnete man sich und stellte viele Gemeinsamkeiten fest. Manchmal war die unterschiedliche Terminologie hinderlich, z. B. bei der Bezeichnung der Spondyloarthritis als enthesitisassoziierte Arthritis oder der juvenilen idiopathischen Polyarthritis, die der internistische Rheumatologe aus Abrechnungsgründen in eine rheumatoide Arthritis umklassifizieren musste, obwohl er damit gegen alle wissenschaftlichen Prinzipien verstieß. Bei gemeinsamen Jahrestagungen stellte man fest, dass man voneinander lernen konnte. Während die Terminologie, die Medikamente, technische und labormedizinische Methoden überwiegend aus der Erwachsenenrheumatologie kamen, blieb die Herangehensweise an Patient und Krankheit einschließlich der Forschung, sozusagen die Seele des Faches, pädiatrisch und war auch nur so für Eltern und Patienten akzeptabel. Es war keine Einbahnstraße von der internistischen Rheumatologie in die Kinderrheumatologie, sondern die Ideen der Kinderrheumatologie wirkten in der interdisziplinären Zusammenarbeit befruchtend auf die Erwachsenenrheumatologie, z. B. bei den autoinflammatorischen Erkrankungen.

Von einander lernen!

In der fortwährenden Diskussion mit internistischen und pädiatrischen Rheumatologen entstand der Wunsch, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede speziell für die einzelnen Krankheitsbilder gemeinsam darzustellen.

Die polyartikuläre Manifestation des erwachsenen Patienten als rheumatoide Arthritis ist eine häufige Diagnose und gehört zu den häufigsten vom internistischen Rheumatologen betreuten Erkrankungen. Die entsprechende Erkrankung des kindlichen Patienten, die polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis, entspricht in der Mehrzahl nicht dem Krankheitsbild der Rheumafaktor-positiven rheumatoiden Arthritis, wie Johannes-Peter Haas aus Garmisch-Partenkirchen und Vincent Weinmann und Eugen Feist aus Vogelsang-Gommern feststellen. Bei gleichem Therapieziel, möglichst Remission, werden ähnliche Medikamente verwandt, zumal inzwischen Zulassungen der meisten Medikamente auch für Kinder und Jugendliche vorhanden sind. Die oft durch Alter und Entwicklung bedingten Besonderheiten bei Diagnose und Therapie sind zu beachten.

Bei den Spondyloarthritiden fällt die Gemeinsamkeit mit den kindlichen Manifestationen besonders auf, nicht zuletzt auch durch die Assoziation mit dem HLA B27. Toni Hospach aus Stuttgart, Gerd Horneff aus Sankt Augustin und Denis Poddubnyy aus Berlin zeigen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in einem Artikel auf, der dies an vielen Aspekten verdeutlicht. Bei Beginn im Kindes- und Jugendalter überwiegt die periphere Manifestation einschließlich der pathognomonischen Tarsitis. Mit zunehmendem Lebensalter gleicht sich aber die Symptomatik dem Bild des Erwachsenen an, wenn die Erkrankung fortbesteht.

Der Morbus Still, die systemische juvenile idiopathische Arthritis, ist das klassische Beispiel des Vorangehens der Kinderrheumatologie, was ja die Ausnahme darstellt: Hier wurde die Erkrankung beim Erwachsenen lange nach der Erkrankung beim Kind beschrieben und sogar nach der kindlichen Erkrankung benannt, als adulte Form des Morbus Still. Andrea Regel, Dirk Föll und Martin Kriegel aus Münster beschreiben die vielen Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede des Krankheitsbildes beim Kind und beim Erwachsenen. In beiden Lebensaltern gilt inzwischen die gleiche Vorstellung zur Pathogenese mit primärem Überwiegen der Autoinflammation (angeborenes Immunsystem) und einem allmählichen Übergehen zur Autoimmunität (adaptives Immunsystem): Dies beinhaltet die therapeutische Möglichkeit, durch frühzeitige Therapie mit IL-1-Blockade die Entstehung der Autoimmunität zu verhindern.

Auch beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) fallen die Ähnlichkeiten des Krankheitsbildes zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ins Auge, wie Tobias Alexander aus Berlin und Christian Hedrich aus Liverpool betonen. Es bleibt aber die Gefahr des schwereren Verlaufs der Erkrankung bei Beginn in jüngerem Lebensalter mit einer größeren Rate von Nierenschäden. Diese Unterschiede des Beginns und initialen Verlaufs gleichen sich bis zum Transitionszeitpunkt im jungen Erwachsenenalter aneinander an, beinhalten aber auch, dass die bis zu diesem Zeitpunkt möglicherweise angesammelten Schäden vom Patienten zu tragen sind. Insbesondere für jüngere Kinder kann es problematisch sein, dass die neue insgesamt deutlich verbesserte Klassifikation des SLE als primäres Kriterium die ANA-Positivität ansieht, die bei Kindern in einem nicht unwesentlichen Prozentsatz nicht erreicht wird. Diese Kinder können dann unter dieser Klassifikation nicht als SLE diagnostiziert werden, zumal es keine eigene Klassifikation für Kinder gibt. Wichtig ist bei Kindern zu beachten, dass krankheitsauslösende Mutationen vorliegen können.

Die Vaskulitiden gehören nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen zu den seltenen Erkrankungen, wie Kirsten Minden aus Berlin und Jens Thiel aus Freiburg konstatieren. Insbesondere bei der IgA-Vaskulitis, dem Kawasaki-Syndrom und der Riesenzellarteriitis fallen ausgeprägte altersbedingte Unterschiede bei Auftreten und Verlauf auf, die bisher weitgehend ungeklärt sind. Die Therapie ist bei Erwachsenen nur teilweise evidenzbasiert, bei Kindern fast gar nicht. Die Prognose hat sich im Laufe der letzten Jahre gebessert, es besteht aber noch viel Forschungsbedarf, der in internationaler Zusammenarbeit umgesetzt werden wird.

Zu den ganz neuen Erkrankungen gehören die unter dem Konzept der Autoinflammation zusammengefassten Erkrankungen, zu denen pathophysiologisch auch der schon erwähnte klinisch lange bekannte Morbus Still gehört. Die neuen Erkrankungen wurden im Wesentlichen primär bei kindlichen Patienten beschrieben und sind außer dem familiären Mittelmeerfieber sehr selten, aber oft behandelbar, wenn die Diagnose gestellt wird, wie Martin Krusche aus Hamburg und Tilmann Kallinich aus Berlin herausstellen. Dies liegt daran, dass viele dieser Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter beginnen: Zum Beispiel beim familiären Mittelmeerfieber sind dies 75 % vor dem zehnten Lebensjahr. Jedes Jahr werden neue autoinflammatorische Erkrankungen beschrieben, was ganz wesentlich auf der Molekulargenetik beruht, die zur Diagnosestellung inzwischen unverzichtbar geworden ist. Zu diesen Erkrankungen gehören auch die erst in den letzten 10 Jahren beschriebenen Interferonopathien mit einer Erhöhung von Typ-1-Interferon. Inzwischen gibt es darüber hinaus auch Erkrankungen wie das VEXAS-Syndrom, die erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter auftreten.

Entsprechend dem erklärten Ansatz behandelt dieses Heft der Zeitschrift für Rheumatologie ein breites Spektrum rheumatologischer Erkrankungen, also die meisten der bei Kindern und Jugendlichen auftretenden Erkrankungen, die ebenfalls bei Erwachsenen vorkommen. Entsprechend fehlen die frühkindliche ANA-positive Oligoarthritis, die häufigste Form der juvenilen idiopathischen Arthritis, die bei Erwachsenen nicht auftritt, und die Gicht als wesentliche rheumatische Erkrankung des Erwachsenen, die bei Kindern in der Regel nicht vorkommt. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viel Spaß und Gewinn beim Lesen, wobei Ihnen vielleicht neue Erkenntnisse erwachsen aus der unterschiedlichen und manchmal ungewohnten Perspektive der häufig erstmals in dieser Kombination zusammenarbeitenden Autoren.