Auch wenn im Jahr 2020 der internationale Tourismus COVID-19(„Coronavirus disease 2019“)-bedingt um über 70 % und auf das Niveau von vor 30 Jahren zurückgegangen ist, wird durch die Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) mit einer Erholung der Reiseaktivitäten in den nächsten Jahren gerechnet [34]. Die Anzahl an Kindern und Jugendlichen, die internationale (Fern‑)Reisen antreten, war in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und betrug zuletzt ca. 10 % aller (Fern‑)Reisenden [7]. Dabei werden immer häufiger auch tropische und subtropische Gebiete bereist. Eine besondere Rolle spielt der Besuch von Freunden und Verwandten in medizinisch unterversorgten Gebieten („visiting friends and relatives“ [VFR]) [7]. Gleichzeitig hat sich die Lebensqualität für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen durch Fortschritte in den verfügbaren Therapien in den letzten Jahrzenten enorm verbessert, sodass auch diese Patientengruppe zunehmend an (Fern‑)Reisen teilnimmt [12]. Entsprechend wird der Kinderrheumatologe immer häufiger mit der Frage einer adäquaten Reiseberatung für seine von einer rheumatologischen Erkrankung betroffenen Patienten mit ihren speziellen Risiken und Bedürfnissen konfrontiert.

Die Einschätzung, ob ein Kind mit einer rheumatischen Erkrankung an einer (Fern‑)Reise teilnehmen kann und welche Reisevorbereitung notwendig ist, hängt entscheidend von dem geplanten Reiseziel, der Reisedauer sowie dem Alter und der Erkrankung des Kindes ab. Eine Reise in die Subsahara birgt naturgemäß andere Anforderungen an den Patienten und die Reisevorbereitung als eine Reise an das Nordkap. Grundsätzlich sollten folgende Punkte mit den Eltern thematisiert werden:

  • Ist das Kind überhaupt reisefähig?

  • Welche Gesundheitsrisiken bestehen während der Reise für das betroffene Kind?

  • Welche Expositionsprophylaxen können/sollten durchgeführt werden?

  • Welche Impfungen sind für die Reise notwendig?

  • Ist eine Chemoprophylaxe erforderlich?

  • Wie sollte die Reiseapotheke ausgestattet werden? Was gibt es bezüglich Lagerung und Transport der antirheumatischen Medikation zu beachten?

  • Wo findet man vor Ort medizinische Hilfe? Wie kann ich den Behandler dort über die Erkrankung informieren?

  • Welche Versicherungen sind sinnvoll?

Überprüfen der Reisefähigkeit

Grundvoraussetzungen für eine internationale Reise eines Kindes mit einer rheumatologischen Erkrankung sind ein guter klinischer Zustand und eine gut kontrollierte Grunderkrankung zum Zeitpunkt der Reise. Es sollten möglichst keine Änderungen an der Medikation kurz vor Reiseantritt erfolgen. Neben der aktuellen Ausprägung der Grunderkrankung hängt die Reisefähigkeit auch von der medizinischen Versorgung vor Ort bzw. unterwegs ab. Hinzu kommen je nach Art der Reise weitere Voraussetzungen, z. B. Feststellen der Flug- [11] oder Tauchfähigkeit [29]. Die Bedingungen vor Ort (Hitze, Kälte, Höhe, Hygiene, medizinische Versorgung), die geplanten Aktivitäten (Anstrengung) und das Alter des Kindes (erhöhtes Dehydratationsrisiko bei Säuglingen und Kleinkindern) müssen in die Beurteilung der Reisefähigkeit mit einbezogen werden. Generell empfohlen ist, dass das Reiseziel dem Kind angepasst werden sollte und nicht umgekehrt (Stichwort „Reisen für Kinder“ statt „Reisen mit Kindern“). Fernreisen mit Säuglingen werden unabhängig von der Grunderkrankung nur bedingt empfohlen, da ein kindgerechtes Reisen in diesem Alter kaum möglich ist, größere Risiken für diese Altersgruppe bestehen und weniger Medikamente bzw. Impfungen zugelassen sind.

Beratung über Gesundheitsrisiken

Das Gesundheitsrisiko von (Fern‑)Reisen hängt allgemein vom Reiseziel, Art der Reise und Reisedauer ab. Hinzu kommen individuelle Gesundheitsrisiken, die sich von dem Vorliegen einer möglichen Grundkrankheit und potenziellen unerwünschten Wirkungen von Medikamenten ableiten lassen.

Das Krankheitsspektrum der Reiseerkrankungen bei Kindern unterscheidet sich von dem bei Erwachsenen. Kinder erkranken häufiger an einer akuten Gastroenteritis, Hauterkrankungen oder kutanen Larva migrans und erleiden häufiger Tierbisse [8]. Kinder haben gegenüber Erwachsenen ein deutlich erhöhtes Risiko, nach einer Fernreise hospitalisiert zu werden, dies gilt insbesondere für VFR(„visiting friends and relatives“)-Reisende [7, 8]. Häufigste Ursachen einer Hospitalisierung von Kindern aufgrund einer Reiseerkrankung sind Fieber- (Malaria, Dengue-Fieber und Typhus) und untere Atemwegserkrankungen [5].

Das individuelle Gesundheitsrisiko wird wesentlich vom Grad der Immunsuppression mit bestimmt

Spezifische Gesundheitsrisiken für Kinder mit rheumatischen Erkrankungen sind im Wesentlichen ein erhöhtes Risiko für Infektionen und das Risiko eines Schubs, der möglicherweise durch die veränderten Umweltbedingungen ausgelöst werden kann [32]. Dabei wird das individuelle Gesundheitsrisiko wesentlich vom Grad der Immunsuppression mit bestimmt [31, 35]. Es werden verschiedene Schweregrade der Immunsuppression unterschieden. Als Medikamente ohne immunsuppressive Wirkung gelten Hydroxychloroquin, Sulfasalazin und Apremilast [31, 35]. Niedrig dosierte Glukokortikoide (< 0,2 mg/kg/Tag Prednison-Äquivalent) und niedrig dosierte Basistherapeutika (Methotrexat ≤ 15 mg/m2/Woche; Azathioprin < 3 mg/kg/Tag, Ciclosporin ≤ 2,5 mg/kg/Tag; Leflunomid ≤ 0,5 mg/kg/Tag; Mycophenolat-Mofetil/Mycophenolsäure ≤ 1200 mg/m2/Tag, Cyclophosphamid < 2 mg/kg/Tag) werden als geringgradig immunsuppressiv angesehen [31, 35]. Der Grad der Immunsuppression der meisten Biologika (z. B. TNF[Tumornekrosefaktor]-Inhibitoren, IL[Interleukin]-1-Antagonisten oder -Inhibitoren, IL-6-Inhibitoren, IL-17-Inhibitoren, IL-12/-23-Inhibitoren, JAK[Januskinase]-Inhibitoren [cave: erhöhtes Zoster-Risiko für Erwachsene], Belimumab) wird als variabel (d. h. gering bis schwer) bezeichnet und hängt v. a. von patienteneigenen Zusatzfaktoren (wie individuelle Infektanfälligkeit, s. unten) ab. Zu den schwer immunsuppressiven Medikamenten gehören neben den hoch dosierten Glukokortikoiden (> 0,2 mg/kg/Tag Prednison-Äquivalent bzw. 10 mg/Tag oder i.v.-Stoßtherapie), und hoch dosierten Basistherapeutika (Richtwerte s. oben) v. a. der T‑Zell-inhibierende Antikörper Abatacept und B‑Zell-depletierende Antikörper (z. B. Rituximab) sowie die Kombination von Immunsuppressiva [2, 31, 35]. Je nach zugrunde liegender inflammatorischer Erkrankung ist auch ein erhöhtes Thromboembolierisiko während Langstreckenflugreisen zu bedenken [33]. Hinzu kommen allgemeine Gefährdungen wie Tierbisse, Sonnenbrand oder Unfälle [17, 22]. Unfälle sind die häufigste Todesursache bei Kindern auf Fernreisen [36].

Klärung des individuellen Infektionsrisikos

Sowohl aufgrund der krankheitsimmanenten Immundysfunktion als auch durch die therapieinduzierte Immunsuppression können bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen im Vergleich zu gesunden Kindern vermehrt schwere Infektionen inklusive opportunistischer Infektionen auftreten [3, 4]. Patientenspezifische Zusatzfaktoren (wie eine individuelle Infektanfälligkeit in der Vorgeschichte, Lymphozyto- oder Leukozytopenie, Hypogammaglobulinämie) spielen eine wichtige zusätzliche Rolle bei der Einschätzung des individuellen Infektionsrisikos. Prinzipiell ist bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen mit vermehrten reiseassoziierten Infektionen bzw. schwereren Verläufen, insbesondere unter immunsuppressiver Therapie, zu rechnen. Kein erhöhtes Risiko besteht für Kinder mit Rheuma nach aktuellem Stand für schwere COVID-19-Infektionen.

Fallbeispiel

Ein 17-jähriges Mädchen mit einer Psoriasisarthritis (Subtyp einer juvenilen idiopathischen Arthritis) hatte sich zu einer Projektarbeit für 1 Jahr in Bolivien aufgehalten. Die Erkrankung war unter einer Therapie mit niedrig dosiertem Methotrexat und Adalimumab in Standarddosis zuvor 2 Jahre gut kontrolliert. Während ihres Bolivienaufenthalts entwickelte die Patientin eine fieberhafte blutige Diarrhö. Als Ursache konnte mittels Stuhlmikroskopie eine intestinale Amöbiasis diagnostiziert werden. Unter einer 10-tägigen Therapie mit Metronidazol, gefolgt von 7 Tagen Paromomycin verschwanden die intestinalen Beschwerden. Eine Woche nach Absetzen der antiparasitären Therapie kam es allerdings zu einem Relaps. Die Therapie wurde zunächst erfolgreich wiederholt, um wieder in einem Rezidiv zu münden. Weitere Therapien mit alternativen Imidazol-Derivaten (Ornidazol und Secnidazol) sowie mit Nitazoxanid führten nicht zu einer dauerhaften Beschwerdefreiheit. Das Absetzen von Methotrexat änderte nichts an der Rezidivneigung. Erst nach zusätzlichem Absetzen von Adalimumab heilte die Darminfektion folgenlos aus. In dieser Zeit trat ein leichter Schub der Psoriasisarthritis auf, der mit NSAIDs („non-steroidal antiinflammatory drugs“) ausreichend symptomatisch kupiert werden konnte. Zwei Monate nach Überstehen der Amöbiasis wurde die immunsuppressive Therapie mit Adalimumab als Monotherapie fortgesetzt. Weitere Infektionen traten unter der Monotherapie nicht auf. Methotrexat zur Vorbeugung der Ausbildung von Anti-drug-Antikörpern gegen Adalimumab wurde erst wieder nach Rückkehr der Patientin nach Deutschland zum Therapieregime hinzugenommen.

Systematisch erhobene Daten zum Risiko reiseassoziierter Infektionen bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen fehlen. Von erwachsenen immunsupprimierten Rheumapatienten kann ein potenziell erhöhtes Risiko für Infektionen bei Reisen in tropische Länder abgeleitet werden [6, 32]. Insbesondere unter Biologikatherapie sind schwere Krankheitsverläufe u. a. von Tuberkulose, Japanischer Enzephalitis, Hepatitis A und E, Malaria, Toxoplasmose, Histoplasmose, Bartonellose, kutane und viszerale Leishmaniose beschrieben – Letztere auch bei einem Kind unter Anakinra [9, 14, 16]. Reisediarrhö, die je nach Reiseland bei bis zu 40 % der Kinder auftritt, kann bei kleinen Kindern und Immunsupprimierten ebenfalls einen prolongierten und schweren Verlauf nehmen [21]. Dies hebt die besondere Notwendigkeit von Reiseimpfungen und Aufklärung über prophylaktische Maßnahmen wie gute Hände- und Nahrungsmittelhygiene hervor (s. unten).

Auch bei Reiserückkehrern spielen Infektionen eine potenzielle Rolle. Neben den Krankheiten, auf die routinemäßig vor Beginn einer Biologikatherapie gescreent wird, also in der Regel Tuberkulose, HBV (Hepatitis-B-Virus), HCV (Hepatitis-C-Virus) und ggf. HIV (humanes Immundefizienzvirus), können bei Reiserückkehrern ebenso wie bei Migranten auch weitere latente Infektionen durch die Biologikatherapie reaktiviert werden, wie z. B. Strongyloidiasis oder viszerale Leishmaniose [2].

Inhalte der Expositionsprophylaxe

Der wichtigste Aspekt in der Reiseberatung – unabhängig vom Alter des Reisenden – ist die Vorbeugung von potenziellen Reiseerkrankungen durch eine an die Reise angepasste Expositionsprophylaxe. Der Reisende soll zu einem gesundheitsbewussten Umgang während der Reise „erzogen“ werden.

Regeln der Hände‑, Kontakt- und Nahrungsmittelhygiene

Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos, beschriebener schwerer Verläufe von Reisediarrhö und möglicherweise nicht durchgeführter oder ineffektiver Impfungen ist eine sorgfältige Hände‑, Kontakt- und Nahrungsmittelhygiene für Kinder ebenso wie für alle anderen Reisenden mit rheumatischen Erkrankungen unbedingt notwendig. Die Familien sollten in entsprechende Verhaltensregeln eingewiesen werden (Tab. 1). Bei Kindern ist insbesondere auch das Vermeiden von Kontakt zu Tieren sowie von Wasserverschlucken beim Baden (v. a. in Süßwasser) zu erwähnen (Tab. 1).

Tab. 1 Hygieneregeln für Kinder auf Reisen. (Nach [28])

Prophylaxe von Insektenstichen

Aufgrund des erhöhten Risikos für schwere Verläufe von durch Mücken, Fliegen, Zecken oder Raubwanzen übertragenen Erkrankungen (darunter Malaria, Dengue, Chikungunya, West-Nil-Fieber, Trypanosomiasis u. a.) ist ein guter Insektenschutz bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen auf Reisen in (sub)tropische Gebiete unabdingbar. Dabei wird neben dem Tragen adäquater langärmeliger, heller, ggf. mit Permethrin-imprägnierter Kleidung auch der Einsatz von Insektenrepellents, die auf die Haut aufgetragen werden, empfohlen. Als nächtlicher Mückenschutz empfiehlt sich das Schlafen in mückensicheren Räumen (Klimaanlage, Mückengitter) oder der Einsatz von ebenfalls mit Permethrin-imprägnierten Mückennetzen [25].

Es sind Insektenrepellents mit verschiedenen Wirkstoffen erhältlich (z. B. N,N-Diethyl-m-toluamid [DEET], Icaridin, Ethylbutylacetylaminopropionat [EPAAB] und para-Menthan‑3,8‑diol [PMD] sowie die Fettsäuren Caprin- und Laurinsäure), die jedoch nicht alle für Kinder uneingeschränkt empfohlen sind. Die Empfehlungen verschiedener internationaler Fachgesellschaften bezüglich Einsatz und Konzentration der Präparate variieren dabei [5, 19, 30]. Eine ausführliche Übersicht über die in Deutschland erhältlichen Präparate inklusive Alterszulassung findet sich in den aktuellen Empfehlungen der DTG (Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V.) zur Malariaprophylaxe [25]. Vorsicht gilt insbesondere für das aufgrund seiner guten Wirksamkeit auf tropischen Reisen breit eingesetzte DEET, da es dermal resorbiert wird. Die maximal empfohlene Konzentration für Kinder sollte beachtet werden (kein Einsatz bei Säuglingen ≤ 2 Monaten; bei Kindern über 2 Monaten und < 2 Jahren nur Präparate mit maximal 30 % DEET verwenden), außerdem sollte die eingecremte Hautfläche möglichst gering gehalten werden. Um eine Überexposition zu vermeiden, sollten Kinder sich daher nicht selbst eincremen. Auch die Hände sollte bei kleinen Kindern ausgespart werden, da diese häufig noch in den Mund gesteckt werden. Auf verletzter oder irritierter Haut (z. B. bei Psoriasis) sollten Repellents und v. a. DEET-haltige Produkte nicht eingesetzt werden, da die dermale Absorption erhöht und die Hauterkrankung aggraviert werden kann. Die jeweils angegebene „mittlere Schutzdauer“ des Produkts sollte wahrgenommen und die Applikation bei Bedarf wiederholt werden. Repellents sollten 20–30 min nach dem Auftragen von Sonnenschutz (s. unten) appliziert werden [25]. Kombinationspräparate aus Repellent und Sonnenschutz sollten nicht eingesetzt werden, da der Schutz geringer ausfällt.

Impfberatung

Generell sollten Kinder mit chronisch entzündlichen Erkrankungen im Rahmen der Vorbereitung auf (Fern‑)Reisen entsprechend den geltenden reisemedizinischen Empfehlungen für die jeweilige Altersgruppe beraten und geimpft werden. Jede Reiseberatung sollte genutzt werden, um evtl. Lücken bei den Standardimpfungen zu schließen. Aktuelle Empfehlungen des Auswärtigen Amtes zur Poliomyelitis-Impfung in Risikogebieten können im Internet nachgeschlagen werden (https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/reise-und-sicherheitshinweise/letzteaktualisierungen).

Lebendimpfungen unter Medikation, die eine Immunsuppression verursacht, sind kontraindiziert

Unter immunsuppressiver Therapie gelten bezüglich der Durchführung von Impfungen grundsätzlich die gleichen Einschränkungen wie bei Erwachsenen. So sind Lebendimpfungen (darunter auch die Gelbfieberimpfung) unter Medikation, die eine relevante Immunsuppression verursacht (s. oben), allgemein kontraindiziert. Bei geringgradiger Immunsuppression können bestimmte Lebendimpfungen nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung individuell verabreicht werden [10, 31]. Zur Einschätzung des Ausmaßes der Immunsuppression können neben der Medikation (s. oben) folgende Surrogatmarker herangezogen werden: Lymphozytenzahl ≥ 1200/µl, CD4-(+)-T-Helferzellen ≥ 200/µl (ab Alter von 6 Jahren) bzw. ≥ 500/µl (Alter bis 5 Jahre), B‑Zellen im Normbereich, Immunglobulin G ≥ (5–)7 g/l, vorhandene Impftiter (z. B. gegen Tetanustoxin, ggf. Titeranstieg nach Booster-Impfung) [27].

Die generell empfohlenen Intervalle zwischen Verabreichung einer Lebendvakzine und Beginn bzw. Beendigung einer immunsuppressiven Therapie sollten auch bei Reiseimpfungen unbedingt eingehalten werden [9, 26, 31].

Totimpfungen können auch unter immunsuppressiver Therapie verabreicht werden, allerdings ist evtl. mit einer suboptimalen Impfantwort und konsekutiv möglicherweise unzureichendem Schutz zu rechnen. Wenn möglich, sollten alle erforderlichen Impfungen optimalerweise 4 Wochen vor Therapiestart abgeschlossen sein (6 Wochen vor Beginn einer Rituximab-Therapie [31]). Allerdings lassen sich Reiseimpfungen allgemein weniger weit im Voraus absehen als Regelimpfungen. Erfolgen die Impfungen unter Therapie, können – sofern möglich – Titerbestimmungen zur Abschätzung des Impferfolgs 4 bis 6 Wochen nach Abschluss der Impfserie hilfreich sein [10, 18]. Dabei gilt zu bedenken, dass für viele Reiseimpfungen ein sicherer Grenztiter für Schutz nicht definiert ist [18] und für einige Reiseimpfungen wie gegen Typhus, Cholera oder Japanische Enzephalitis bei immunkompromittierten Kindern keine Daten zur Immunogenität vorliegen. Unter B‑Zell-depletierenden oder T‑Zell-inhibierenden Therapien (z. B. Rituximab, Abatacept) ist nicht mit einer ausreichenden Impfantwort zu rechnen. Aufgrund des Risikos eines schweren Verlaufs sollte, wenn die Impfungen nicht in entsprechendem Abstand vor bzw. nach Therapie erfolgen konnten, von einer Reise in entsprechende Endemiegebiete abgeraten werden.

Für die Empfehlungen zu den spezifischen Reiseimpfungen bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen s. Tab. 2.

Tab. 2 Spezielle Reiseimpfungen bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen. (Nach [26, 31])

Zusätzlich sollte auch auf Vollständigkeit der Grundimmunisierung (inklusive Hepatitis B bei Jugendlichen mit sexuellem Risikoverhalten) und der bei immunsupprimierten Kindern zusätzlich empfohlenen Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken (sequenziell mit PCV13 [Pneumokokken-Konjugat-Vakzine] und PPSV23 [Pneumokokken-Polysaccharid-Vakzine]) sowie Meningokokken-ACWY und -B geachtet werden [23, 31].

Eine frühzeitige Reiseplanung ist aufgrund der durchzuführenden Impfungen, Titerbestimmungen und ggf. Nachimpfungen sinnvoll und empfohlen.

Chemoprophylaxe der Malaria

Reisen in Malariagebiete mit hohem Übertragungsrisiko sollten mit kleineren Kindern (unter 5 Jahren) generell vermieden werden, da die Malaria im Kleinkindalter häufig schwer und untypisch verläuft [15]. Dies gilt umso mehr für Kinder mit rheumatischen Erkrankungen. Sollte sich die Reise in ein Malariagebiet mit hohem Übertragungsrisiko nicht vermeiden lassen, stellt sich die Frage einer medikamentösen Chemoprophylaxe zusätzlich zu den allgemeinen Präventionsmaßnahmen gegen Insektenstiche. Für Kinder wird in der Regel Atovaquon/Proguanil (ab 11 kgKG [Körpergewicht]), Mefloquin (ab 5 kgKG/3 Lebensmonaten) oder Doxycyclin (ab 9 Jahren) empfohlen [25]. Mit der Mefloquin-Prophylaxe muss 1 Woche vor Reiseantritt (bis 4 Wochen nach Reiserückkehr) und bei Atovaquon/Proguanil 1 Tag vor der Abreise (bis 7 Tage nach Reiserückkehr) begonnen werden. Hier sind Wechselwirkungen mit der antirheumatischen Medikation zu beachten, z. B. ist Doxycyclin bei gleichzeitiger Methotrexat-Einnahme relativ kontraindiziert. Da viele der Antimalariamedikamente bitter schmecken, kann sich die Einnahme bei Kindern als schwierig erweisen.

Bei Reisen in Gebiete mit niedrigem Malariarisiko (https://www.dtg.org/index.php/aktuelles/mitteilungen-der-dtg/472-dtg-empfehlungen-2020-zur-malaria-prophylaxe-und-reiseimpfungen.html) wird regulär keine Chemoprophylaxe empfohlen, es sollen aber Medikamente zur notfallmäßigen Selbstbehandlung (NSB) verordnet werden. Dies entbindet den Reisenden allerdings nicht von der Empfehlung, bei Fieber ohne Verzögerung einen Arzt aufzusuchen. Als NSB kommen für Kinder Atovaquone/Proguanil (ab 5 kgKG), Arthemeter/Lumefantrin (ab 5 kgKG) oder (Hydroxy‑)Chloroquin (ab 6 Jahren) infrage. (Hydroxy‑)Chloroquin sollte allerdings zur Prophylaxe der Malaria aufgrund der Resistenzlage nur in Ländern Mittelamerikas angewendet werden (landesspezifische aktuelle Empfehlungen finden sich unter https://www.dtg.org/index.php/aktuelles/mitteilungen-der-dtg/472-dtg-empfehlungen-2020-zur-malaria-prophylaxe-und-reiseimpfungen.html).

Reisen in Malariagebiete mit hohem Übertragungsrisiko sollten mit kleineren Kindern vermieden werden

Kinder, die aufgrund ihrer rheumatologischen Indikation bereits Hydroxychloroquin einnehmen, müssen bei Reisen in Malariagebiete ohne Chloroquin-Resistenz keine weitere Chemoprophylaxe einnehmen. Eine bestehende Therapie mit Hydroxychloroquin aus rheumatologischer Indikation muss nicht angepasst werden.

Hitze- und Sonnenschutz

Ein ausreichender Sonnenschutz durch Kleidung (inklusive Kopfbedeckung) und/oder Sonnencreme (mit Schutz gegenüber UV[Ultraviolett]A- und UVB-Strahlung) sollte allgemein aufgrund des erhöhten Hautkrebsrisikos durch Sonnenbrand bei allen Kindern angewandt werden und spielt bei Kindern mit entzündlichen Erkrankungen noch eine besonders wichtige Rolle. So gehen einige rheumatologische Erkrankungen (z. B. kutaner oder systemischer Lupus erythematodes) und antirheumatische Medikamente (z. B. Methotrexat, Hydroxychloroquin oder Sulfasalazin) mit einer erhöhten Sonnenempfindlichkeit einher. Darüber hinaus kann starke Sonneneinstrahlung bei bestimmten Erkrankungen Schübe auslösen (z. B. SLE [systemischer Lupus erythematodes] oder Psoriasis) [1]. Säuglinge sollten generell nicht der prallen Sonne ausgesetzt werden, da sie besonders thermolabil sind und bei Hitzeexposition zu Hyperthermie und Dehydratation neigen. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten.

Medizinische Versorgung vor Ort/Reiseapotheke

Bei einer fieberhaften Erkrankung eines Kindes während (und auch nach) einem Tropenaufenthalt sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden, dies gilt umso mehr für Kinder mit Immunsuppression. Wichtig ist bereits vor Abreise die Information über Möglichkeiten der adäquaten medizinischen Versorgung vor Ort. Adressen deutsch- oder englischsprachiger Ärzte vor Ort können über das jeweilige deutsche Konsulat erfragt werden, Informationen auf www.auswärtiges-amt.de, außerdem finden sich auf den Seiten der International Society of Travel Medicine (ISTM) Kliniken mit reisemedizinischer Expertise (https://www.istm.org/AF_CstmClinicDirectory.asp). Ein Notfallausweis mit Instruktion für Notfälle inklusive Telefonnummer des betreuenden Behandlers in Deutschland in englischer Sprache hat sich bewährt. Gebiete mit schlechter medizinischer Versorgung sollten aufgrund des Risikos eines entzündlichen Schubs sowie von Infektionen nicht bereist werden.

Es sollten eine ausreichende Menge der verordneten antirheumatischen Therapie und nach Absprache mit dem betreuenden Kinderrheumatologen ggf. zusätzliche Medikamente für den Fall eines Schubs mitgeführt werden (z. B. NSAID und ggf. Glukokortikoide). Von einem Kauf von Medikamenten vor Ort wird je nach Reiseziel eher abgeraten, da das Risiko von fehlerhaften oder kontaminierten Medikamenten („fake drugs“) besteht. Es sollte auch bedacht werden, ob Medikamente transportiert werden, die gekühlt werden müssen, Biologika z. B. müssen zwischen 2 und 8 °C gelagert werden. Hier wäre eine geeignete Kühltasche/Kühlbox erforderlich. Auf Flugreisen sollte diese aufgrund der niedrigen Temperaturen im Frachtraum ausschließlich im Handgepäck transportiert werden, dabei muss sich vor Abreise bei der Fluglinie informiert werden, welche Kühltaschen mitgeführt werden dürfen. Der betreuende Arzt sollte für den Patienten ein entsprechendes Attest (englischsprachig) für die Notwendigkeit der Mitnahme der Medikation ausstellen, insbesondere im Fall von Spritzen oder Pens, um Missverständnissen in der Sicherheitskontrolle vorzubeugen.

Ein Notfallausweis mit Instruktion für Notfälle in englischer Sprache hat sich bewährt

Je nach Reiseziel sollte die Reiseapotheke weitere Medikamente enthalten, z. B. Antibiotika und orale Rehydratationslösung bei schwerer Reisediarrhö bei kleinen Kindern [37]. Eine Übersicht über den Inhalt einer adäquaten Reiseapotheke findet sich in Tab. 3.

Tab. 3 Reiseapotheke für Reisen mit Kindern mit rheumatischen Erkrankungen

Versicherung

Mit der europäischen Krankenversicherungskarte können gesetzlich Krankenversicherte in den EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz medizinische Leistungen bei Unfällen oder akuten Erkrankungen durch das jeweilige Gesundheitssystem kostenlos erhalten. Eine Auslandskrankenversicherung ist bei Reisen ins außereuropäische Ausland unbedingt empfehlenswert. Hier sollte darauf geachtet werden, dass auch Gesundheitsverschlechterungen bereits bestehender Grunderkrankungen im Versicherungsschutz inbegriffen sind. Auch eine Reiserücktrittsversicherung und -abbruchsversicherung können bei chronischen Erkrankungen sinnvoll sein.

Fazit für die Praxis

  • Eine zunehmende Anzahl an Kindern mit rheumatischen Erkrankungen auf (Fern‑)Reisen ist nach dem Zurückdrängen der COVID-19(„Coronavirus disease 2019“)-Pandemie zu erwarten.

  • Für diese Patientengruppe besteht ein erhöhtes Risiko von Gesundheitsproblemen während der Reise, insbesondere für Infektionen.

  • Die Reisetauglichkeit ist u. a. abhängig von Reiseziel und -dauer, Alter des Kindes, Aktivität der Grunderkrankung und Grad der Immunsuppression.

  • Eine ausführliche Reisevorbereitung inklusive notwendiger und möglicher Impfungen und Chemoprophylaxe sollte bereits frühzeitig erfolgen.

  • Eltern und Patienten sollten in Präventionsmaßnahmen (Hygiene, Sonnen- und Insektenbissschutz) eingewiesen werden.

  • Keine der präventiven Maßnahmen verleiht 100%igen Schutz – über das verbleibende Restrisiko sollten die Eltern aufgeklärt werden.

  • Möglichkeiten medizinischer Hilfe im Krankheitsfall sollten bereits im Vorfeld evaluiert werden und ausreichend Medikamente zur Therapie der Grunderkrankung mitgeführt werden.

  • Der Erfolg einer Reise hängt von der Planung aus Sicht des Kindes ab.