Unter den verschiedenen Subspezialitäten der Pädiatrie gehört die Kinderrheumatologie zu den höchst erfolgreichen Disziplinen, die in den letzten 30 Jahren in Diagnostik und Therapie einem umfassenden Wandel unterzogen wurde. Unter den diagnostischen Methoden ist außer der physikalischen Gelenkuntersuchung und der Bestimmung von Blutsenkungsgeschwindigkeit und Rheumafaktor kaum etwas geblieben. Ultraschall und Magnetresonanztomographie haben die Bildgebung revolutioniert und die einzige damals vorhandene Methode des konventionellen Röntgens marginalisiert. Noch viel ausgeprägter aber ist der Fortschritt in der Therapie. Dies gelang, obwohl die Ursache der häufigsten chronisch entzündlichen Erkrankung, der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA), weiterhin unbekannt ist. Es wurden aber wesentliche pathogenetische Mechanismen aufgedeckt und daraus Schlüsse auf mögliche neue Therapien gezogen. Von den damals vorhandenen pharmakologischen Interventionen haben die Glukokortikoide weiterhin ihren Platz, während nichtsteroidale Antirheumatika nur noch in der Initialtherapie und bei den juvenilen Spondylarthritiden Bedeutung haben, Chloroquin durch Hydroxychloroquin mit stark reduziertem Einsatzgebiet ersetzt wurde und fast alle anderen Medikamente neu sind. Selbst das heute unverzichtbare und uns „alt“ erscheinende Methotrexat (MTX) war damals noch nicht in die Therapie eingeführt worden.

In Bildgebung und insbesondere Therapie gibt es enorme Fortschritte

Dieser enorme Fortschritt ist wesentlich bedingt durch Übernahme von Medikamenten, die erstmals in der Erwachsenenrheumatologie oder verwandten Gebieten eingesetzt wurden. So wurden fast alle von Gerd Horneff (Sankt Augustin) in seiner Übersicht „Neue Substanzen zur Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis“ genannten Medikamente zunächst bei Erwachsenen eingesetzt. Bei einigen Substanzen wie den IL(Interleukin)-1-Hemmern zeigte sich dann aber eine bedeutsamere Einsatzmöglichkeit bei Kindern. Bei den meisten anderen Substanzen, z. B. den TNF(Tumor-Nekrose-Faktor)-Inhibitoren oder IL-6-Blockern, konnten wir Kinderrheumatologen auf umfangreiche Erfahrungen bei Erwachsenen zurückgreifen. Inzwischen sind neben dem MTX, Sulfasalazin und Hydroxychlorochin 8 biologische DMARDs („disease modifying antirheumatic drugs“) nach klinischen Prüfungen für die verschiedenen Formen der JIA zugelassen. Diese Substanzen wurden und werden im Biker- und JuMBO-Register auf ihre Sicherheit überwacht. Weitere Medikamente sind in der „Pipeline“, nicht zuletzt oral verabreichbare kleine Moleküle, die in die intrazelluläre Signalkaskade der Entzündung eingreifen.

Bei unterschiedlichen Zulassungen mit und/oder ohne MTX werden die meisten biologischen DMARDs (bDMARDs) bei polyartikulärer JIA erst eingesetzt, nachdem MTX nicht ausreichend wirkte oder nicht vertragen wurde. Häufig wird die MTX-Therapie fortgeführt, wenn das Biologikum begonnen wird. Die Zulassungen der Biologika variieren, einige sind nur für eine Kombinationstherapie mit MTX zugelassen. Deshalb findet nicht selten ein Einsatz außerhalb der Zulassung statt. Ariane Klein (Sankt Augustin) stellt dar, welche Vor- oder Nachteile sich aus der Kombinationstherapie für den Patienten ergeben, wobei die Evidenz meist nicht aus randomisierten Studien, sondern aus den Registern kommt. Während die Kombination mit MTX die Wirkung von TNF-Inhibitoren steigern kann, ist dies bei dem IL-6-Hemmer Tocilizumab nicht der Fall. Ein weiterer Vorteil der Kombinationstherapie ist der Schutz vor der Entstehung von zum Wirkverlust führenden Anti-Drug-Antikörpern bei der Behandlung mit den monoklonalen TNF-Inhibitoren, die bei Etanercept und Tocilizumab nur sehr selten beobachtet werden. Die Nebenwirkungsrate ist überraschenderweise bei der Kombinationstherapie mit MTX nicht höher als bei einer Monotherapie. Dies gilt wohl auch für die Entstehung von Malignomen. Schließlich ist der günstige protektive und therapeutische Effekt von MTX auf die Uveitis bei JIA in der Kombinationstherapie zu nutzen.

Unsere Kenntnisse des natürlichen Verlaufs der JIA stammen im Wesentlichen aus der Zeit vor der Einführung aktueller Therapieschemata, sodass die Prognose evtl. zu ungünstig beurteilt wird. Claudia Sengler (Berlin) stellt 4 JIA-Inzeptionskohorten aus Skandinavien, Großbritannien, Kanada und Deutschland vor, die die aktuelle Krankheitslast besser beurteilen lassen. Im ersten Beobachtungsjahr erreichten drei Viertel der JIA-Patienten der deutschen Kohorte zumindest vorübergehend eine inaktive Erkrankung. Es gab Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen der JIA. Dieses gute Ergebnis war auf eine frühe Diagnosestellung und frühe intensive Behandlung zurückzuführen. Die Lebensqualität der JIA-Patienten war im Vergleich zur Kontrollgruppe initial deutlich vermindert, näherte sich dieser innerhalb von 3 Jahren aber weitgehend an. Dieses gute Ergebnis konnte meist nur bei fortgeführter Therapie gehalten werden, nach 4 Jahren waren nur 15 % der Patienten mit JIA ohne antirheumatische Behandlung.

MTX ist nach wie vor das wichtigste Medikament in der Behandlung der JIA. Leider ist seine Gabe bei Kindern und Jugendlichen durch das gehäufte Auftreten einer Intoleranz mit antizipatorischer Übelkeit, Ekelgefühl und Therapieabwehr vor oder kurz nach der Gabe erschwert. Typisch ist das Auftreten der Intoleranz vor der Gabe oder sogar bereits bei Erwähnen des Medikamentes. Boris Hügle (Garmisch-Partenkirchen) stellt diese bedeutsame Nebenwirkung unbekannter Ursache dar. Es handelt sich um eine für MTX typische Verhaltensstörung, die bei bis zur 50 % der behandelten Patienten auftritt und die häufigste Ursache für einen Therapieabbruch ist trotz möglicherweise guter antirheumatischer Wirkung. Psychologische Interventionen oder die primär heimliche Gabe sind eingesetzte Gegenmaßnahmen, eine nachgewiesenermaßen wirksame gibt es bislang leider nicht.

Eine der besonders herausfordernden Erkrankungen in der Kinderrheumatologie ist die juvenile Dermatomyositis. Erste Ansätze zum Verständnis der Pathogenese bezeichnen diese als Interferon-Typ-I-verbundene Erkrankung. Bei etwa der Hälfte der betroffenen Kinder können Myositisantikörper nachgewiesen werden, die für Diagnose und Prognose hilfreich sein können, wie Claas Hinze aus Münster darlegt. Besonders revolutioniert wurde die Diagnostik aber durch die Magnetresonanztomographie. Außer der Gabe von Rituximab wurde bisher vergeblich nach einer Verbesserung der Therapie durch Biologika gesucht, sodass Glukokortikoide zusammen mit MTX weiterhin die wichtigsten Pfeiler der Therapie sind. Bedeutsames Ziel ist die Minimierung der Toxizität dieser wirksamen Medikamente z. B. durch konsekutive Gabe als Methylprednisolon-Steroidpulse mit Low-dose-Steroiden im Intervall. Wie auch bei anderen Erkrankungen versucht die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) mit der PROKIND-Initiative das Management der erkrankten Kinder durch konsentierte Therapieprotokolle zu verbessern. Es ist empfohlen, alle Kinder mit entsprechenden Erkrankungen in diese Protokolle zu integrieren.

Dem schwierigen Thema der Knochengesundheit bei Kindern mit chronischen Erkrankungen, wie z. B. der JIA, widmet sich eine Arbeitsgruppe aus Würzburg, Berlin und Köln. Christine Hofmann et al. berichten über die Fortschritte bei der Bestimmung und Interpretation der Knochendichte mittels DXA (Dual-X-Ray-Absorptiometrie) oder peripherer quantitativer Computertomographie. Für die lebenslange Knochenstabilität sind der Aufbau und die Mineralisierung der Knochen in der Kindheit und Jugend entscheidend. Bei der JIA kommt es sowohl zu einem Knochenabbau nahe den befallenen Gelenken als auch generell. Dadurch ist das Frakturrisiko erhöht, besonders für Wirbelfrakturen, die auch fast asymptomatisch auftreten können. Die beste Möglichkeit, die Knochengesundheit zu bessern, ist die körperliche Belastung. Vitamin D und Kalzium können Frakturen nicht verhindern und sind nur bei nachgewiesenem Mangel indiziert. Hierbei sind die sich wandelnden Normbereiche und die verwandten Einheiten zu beachten.

Wir wünschen den Lesern viel Spaß bei der Lektüre und hoffen, Ihnen den aktuellen Stand in einem sich rasch fortentwickelnden Gebiet lesbar und erlebbar nahezubringen.

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Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz

Bremen

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Prof. Dr. Kirsten Minden

Berlin