Nicht ganz zu Unrecht gehen wir davon aus, dass die Jugendlichen eigentlich die gesündeste Population in der Bevölkerung darstellen. Sie haben die Probleme von Geburt und Kindheit überlebt und sind noch nicht von den evtl. früh beginnenden Abbauerscheinungen des Alters betroffen. Auch Ihnen wird es schon so ergangen sein, dass man gerade bei Jugendlichen später an eine schwerwiegende Ursache von Beschwerden gedacht hat, als man dies bei jüngeren oder deutlich älteren Patienten tun würde.

Daneben besteht das Jugendalter aber auch aus einer Fülle von Herausforderungen für den jungen Menschen, die die körperliche und seelische Gesundheit deutlich beeinträchtigen können. Deshalb beschäftigt sich das vorliegende Heft mit den besonderen Herausforderungen der Adoleszenz bei Jugendlichen mit rheumatischen Erkrankungen. Wie die Beiträge zeigen, wurde in den vergangenen Jahren sehr viel unternommen, sei es in der Erfassung von Daten, der Durchführung von klinischen Studien oder der Etablierung von Betreuungskonzepten, gleichwohl bleibt noch viel zu tun und stellt die Transitionsrheumatologie als eine der großen „unmet needs“ in der Rheumatologie dar.

Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen stehen in der Adoleszenz vor besonderen Herausforderungen

Ein wichtiges Thema ist der Sport. Wie bei gesunden Jugendlichen auch, gibt es unter den jugendlichen Rheumatikern solche, die gerne Sport treiben und dies auch trotz ihrer Erkrankung fortführen möchten, und andere, die eher „bewegungsfaul“ sind und die Entlastung vom Sport durch die rheumatische Erkrankung als eine positive Nebenwirkung wahrnehmen. Lange galt in der Kinderrheumatologie die sportliche Betätigung als gefährlich. Dies sieht man nun deutlich anders und hat die Bedeutung der Teilnahme am Sportunterricht sowohl für die physiologische Entwicklung des Bewegungsapparates als auch für die psychosoziale Gesundheit erkannt. In diesem Spannungsfeld ist es wichtig, ein entsprechendes Instrument zu haben, mit dem Kinder, bei denen (noch) keine Remission erreicht wurde, trotzdem am Sportunterricht teilnehmen. Johannes Peter Haas und seine Arbeitsgruppe haben dafür eine Schulsportbescheinigung entwickelt, die diesen Anforderungen Rechnung trägt und dem Jugendlichen eine Teilnahme am Sport ermöglicht. Entsprechend empfiehlt es sich, diese Bescheinigung einzusetzen, wenn man Patient, Eltern und Sportlehrer ermuntern möchte, dass der Patient am Sportunterricht teilnimmt und keine Sorgen vor einer Verschlechterung des Rheumas oder Schäden am Bewegungsapparat haben soll. Es bleibt natürlich klar, dass Patienten in Remission in vollem Umfang am Sportunterricht teilnehmen können und sollten. Unter meinen Patienten und Patientinnen befinden sich eine Europameisterin im Hip-Hop mit Polyarthritis in Remission und eine Europameisterin im Segeln, ebenfalls in Remission bei Oligoarthritis. Dies zeigt, dass auch Leistungssport mit rheumatischer Erkrankung im Jugendalter möglich ist.

Es ist wichtig zu betonen, dass sich Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen bei den Themen Sexualität, Schwangerschaft und HPV(humanes Papilloma-Virus)-Impfung primär in der gleichen Situation wie gesunde Gleichaltrige befinden. Die nähere Beschäftigung mit dem Thema zeigt aber, dass auf eine Reihe von Aspekten hingewiesen werden sollte, wie Frau Rebecca Fischer-Betz und ihr Team sowie Prasad Thomas Oommen aus Düsseldorf dies darlegen. Keine unserer Patientinnen in der Kinder- und Jugendrheumatologie sollte schwanger werden, vielmehr sollten sie zunächst die Schule abschließen und eine Ausbildung oder ein Studium beginnen und eine Berufsausbildung haben. Die Erkrankung und insbesondere die Behandlung kann aber die Bedeutung der Schwangerschaftsverhütung noch weiter akzentuieren. Wichtig ist, dass die HPV-Infektion unter immunsuppressiver Behandlung besonders aggressiv verlaufen kann, sodass die entsprechende Impfung, die ja inzwischen auch für Jungs empfohlen ist, durchgeführt werden sollte, laut STIKO (Ständige Impfkommission) ab 9 Jahre. Wir empfehlen unseren Patienten, die Behandlung mit Immunsuppressiva zu verzögern, um die erste HPV-Impfung noch ohne mögliche medikamentöse Beeinträchtigung durchführen zu können, wenn der Krankheitszustand der Patienten dies zulässt und die Impfung fehlt. Häufig ist eine Verzögerung von 2 Wochen ohne Belang. Die Boosterimpfungen werden dann unter Immunsuppression durchgeführt, wobei natürlich Schutzdauer und Schutzstärke vermindert sein können. Deshalb empfehlen wir das Schema 0–2–6 Monate auch bei Kindern unter 14 Jahren.

Die Gruppe aus St. Augustin unter der Leitung von Gerd Horneff zeigt anhand einer Befragung, dass die Zufriedenheit der erkrankten Kinder, die ins Erwachsenenalter „entlassen“ wurden, sehr hoch ist, andererseits aber auch, dass fast ein Drittel der Betroffenen „verloren“ ging.

Die Autoren Susanne Schalm aus München und die Gruppe am Deutschen Rheumaforschungszentrum unter der Leitung von Kirsten Minden in Berlin haben zusammengefasst, welch ein Feuerwerk an Angeboten möglich ist, um diese ungünstige Entwicklung zu verhindern. Es ist beeindruckend zu sehen, was alles möglich ist, und die Autoren sind gerne bereit, ihre Erfahrungen und Materialien anderen zur Verfügung zu stellen.

Im letzten Beitrag beschreibt Sabine Adler exemplarisch 2 Patientenschicksale aus der interprofessionellen Transitionssprechstunde der Universitätsklinik in Bern. In Bern werden die Jugendlichen im Alter von 16 Jahren aus der Betreuung durch die Kinderklinik in die interprofessionell geführte Adoleszenten- oder Transitionssprechstunde übernommen und meist bis etwa 25 Jahre in dieser Spezialsprechstunde betreut. Der Übergang findet gemeinsam zwischen Kinderrheumatologen und Adoleszentenrheumatologen statt. Dieses Konzept erlaubt nicht nur eine lebensphasenspezifische Betreuung, sondern ermöglicht auch eine Weiterbildung der Fachärzte in diesem oft vernachlässigten Thema.

Wir hoffen, dass Sie die Lektüre dieser Beiträge in Ihrem Verständnis dieser Altersgruppe voranbringt, und würden uns wünschen, dass die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendrheumatologen und Erwachsenenrheumatologen davon weiter profitiert.

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Prof. Dr. Hans-Iko Huppertz

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Prof. Dr. Peter Villiger