In der klinischen Routine gibt es bestimmte Begriffe, die stets problembehaftet sind. „Kontraindikation“ ist einer davon, noch häufiger löst aber der Term „off label“, also der Einsatz von Medikamenten oder anderen therapeutischen Verfahren außerhalb der gesetzlichen Zulassung, regelhaft Diskussionen, Unsicherheit und zuletzt auch Angst vor Regressen aus. Auf der anderen Seite zeigt die Realität, dass gerade in der internistischen Rheumatologie einer Vielzahl von höchst verschiedenen Krankheitsentitäten einer stetig weiter wachsenden Zahl an immunmodulierenden Substanzen gegenübersteht, die alle prinzipiell geeignet sind, diese Entitäten mit gutem Erfolg therapeutisch angehen zu können. Hierfür kann der Off-label-Antrag, den es in der Regel zu stellen gilt, gute Dienste leisten. Dessen Erfolg ist aber an möglichst überzeugende Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit gekoppelt.

Diesem Ziel stellte sich das retrospektiv angelegte GRAID-Register (German Register in Autoimmune Diseases – Safety and Efficacy of Biological Therapy in Autoimmune Diseases in Clinical Practice) als multizentrische nichtinterventionelle Beobachtungsstudie von 33 Zentren zur Häufigkeit und Verträglichkeit von Off-label-Therapien mit Biologika bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen. Weitere Ziele dieser Studie, deren Ergebnisse in diesem Heft im Detail vorgestellt werden, waren die retrospektive Evaluation der Wirksamkeit und Lebensqualität, stets in Situationen außerhalb der eigentlichen Zulassungsindikation.

Im Teil 2 des GRAID2-Registers wurden hierbei diejenigen Patienten in das Register aufgenommen, bei denen von 2006 bis 2013 aufgrund einer therapierefraktären Autoimmunerkrankung eine Off-label-Therapie mit einem Biologikum begonnen wurde. Die Dauer der Beobachtung war unabhängig davon, ob die Behandlung vollständig beendet wurde, weitergeführt oder auf eine andere Behandlung umgestellt wurde.

Aufgrund der in der Pathophysiologie bei vielen Erkrankungen prominenten Zielstruktur B‑Zellen und der langjährigen Erfahrung mit den Substanzen verwundert es daher auch nicht, dass v. a. Rituximab bei Kleingefäßvaskulitiden „off label“ eingesetzt wurde – und inzwischen erfreulicherweise bei AAV(ANCA-assoziierte Vaskulitis)-Patienten für die Induktionstherapie der schweren granulomatösen Polyangiitis (GPA) und mikroskopischen Polyangiitis (MPA) zugelassen ist. Einen Schritt weiter zeigen die Daten des GRAID2-Registers auch ein wirksames Ansprechen von Biologika bei Patienten mit Polymyalgia rheumatica und anderen Großgefäßvaskulitiden nach Versagen der konventionellen Therapeutika. Die Verträglichkeit und Patientenzufriedenheit unterschieden sich hierbei nicht wesentlich von den In-label-Indikationen.

Auch hier haben die GRAID2-Daten sicher dazu beigetragen, dass die Interleukin-6-Hemmung mit Tocilizumab vor Kurzem ebenfalls in den In-label-Zustand überführt werden konnte. Daneben könnten auch Abatacept, Infliximab und Ustekinumab in der Zukunft eine Rolle bei den Großgefäßvaskulitiden spielen. Schwieriger ist die Situation bei den autoinflammatorischen Syndromen, nicht nur aufgrund ihrer Seltenheit, eher mangels gut definierter Endpunkte für klinische Studien. Dennoch zeigten auch bei diesen Entitäten zahlreiche Biologika einen guten bis sehr guten Effekt auf die klinische Symptomatik.

Die wichtigste Erkenntnis aus den in diesem Heft der Zeitschrift für Rheumatologie präsentierten Daten ist aber, dass sich das Problem „off label“ nur durch sehr gut geführte Register wie das GRAID reduzieren lässt – auch um einen entsprechenden Stimulus für die weiterhin zwingend notwendigen kontrollierten Studien zu setzen.

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U. Müller-Ladner