Obwohl der Umgang mit biologischen Wirkstoffen, den sog. Biologika, in der internistischen Rheumatologie schon seit vielen Jahren mehr als einen festen Platz in der Differenzialtherapie gefunden hat und v. a. die TNF-Hemmer bereits millionenfach weltweit für Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen eingesetzt worden sind, gibt es doch immer wieder Überraschungen, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die rheumatologische Praxis nicht so abzusehen waren bzw. nicht so eingeschätzt wurden.

Ein aktuelles Beispiel hierfür sind die sog. Biosimilars, das Äquivalent zu den Generika bei den nicht auf Antikörperbasis, sondern auf chemischen Substanzen basierenden Medikamenten. Das Besondere dieser Entwicklung und der damit verbundenen vielfältigen Diskussionen ist, dass wie bei jedem Medikament von Anbeginn der Zulassung klar ist, dass früher oder später der Patentschutz erloschen sein wird und „Nachbauten“ bei entsprechender Wirksamkeit und Attraktivität im Arzneimittelmarkt mit Sicherheit entwickelt und zugelassen werden.

Aufgrund des immensen Erfolges der Biologika, insbesondere der TNF-Hemmer, ist somit auch die Entwicklung von Biologika-Generika eine „natürliche“ Entwicklung. Dennoch gibt es einige Besonderheiten im Vergleich Generika vs. Biosimilars, die diese neue Thematik nicht nur für Rheumatologen, sondern auch für Kollegen anderer Fachgebiete spannend, interessant und herausfordernd gestalten: zum einen, dass Biosimilars zwar nicht eine komplett neue Arzneimittelklasse darstellen, der Herstellungsprozess der gentechnisch hergestellten Antikörper aber nicht einfach kopierbar ist, sondern der komplette Produktionsprozess wie bei den Originatoren aufgebaut und zertifiziert werden muss. Dies setzt eine nicht unerhebliche Expertise voraus, sodass ein reines „Fabrizieren“ nicht möglich ist, sondern die Firmen, die sich für eine Biosimilar-Produktion entscheiden, ein entsprechendes Know-how besitzen bzw. dieses entsprechend einkaufen müssen.

Eine weitere Besonderheit ist, dass aufgrund der Proteinstruktur und der unterschiedlichen Affinitäten der TNF-Hemmer zu den Zielmolekülen auch bei Biosimilars nicht automatisch gegeben ist, dass die Wirksamkeit bzw. das Nebenwirkungsprofil, wie z. B. die Immunogenität, automatisch dem des Originators entspricht, sodass auch bei den durchzuführenden Zulassungsstudien stets Überraschungen möglich sind. Hiermit verbunden ist auch, dass die Produktionsprozesse der Originatoren-Biologika in den vergangenen 10 Jahren immer wieder verbessert worden sind, sodass auch die heutigen Originalprodukte nicht mehr exakt mit den für die Zulassungsstudien verwendeten Produkten identisch sind. Daneben haben sich auch durch den vielfältigen Einsatz der Medikamente die Patientenkohorten zum Teil deutlich verändert – in den westlichen Industrieländern lassen sich große Rekrutierungszahlen aufgrund der deutlich verbesserten rheumatologischen Medikamentenversorgung nicht mehr erreichen, sodass bei den Biosimilar-Studien häufig auf Länder ausgewichen werden muss, in denen z. B. auch die Tuberkuloseprävalenz deutlich höher ist als bei den damaligen Zulassungsstudien in Westeuropa und in den USA.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der erst mit dem Auftreten der Biosimilars in der Rheumatologie eine interessante Diskussion ausgelöst hat, ist die Frage der Extrapolation, was bedeutet, dass bei Biosimilars, die bei 1 oder 2 Erkrankungen eine entsprechende Wirkung bzw. Nichtunterlegenheit gegenüber dem Originalpräparat zeigen, diese Biosimilars automatisch für alle Indikationen des Originalpräparates zugelassen werden. Hierzu differieren die Meinungen zum Teil erheblich. Als Positivargument wird angeführt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass bei konstantem Erfolg aller zugelassenen TNF-Hemmer hinsichtlich der verschiedenen Erkrankungen ausgerechnet dann das baugleiche Biosimilar bei einer dieser Erkrankungen nicht wirken sollte. Die Gegenmeinung hierzu ist, dass eine gewisse Fairness herrschen sollte und dass auch für die Biosimilars alle Erkrankungen separat getestet werden sollten, bevor hierfür eine Zulassung erfolgt. Getrieben wird diese Diskussion natürlich v. a. durch die Zulassungsbehörden der Länder, die sehr wenig Mittel zur Verfügung haben, um alle Patienten mit Biologika versorgen zu können, und darauf hoffen, dass der geringere Herstellungspreis der Biosimilars mehr therapierbare Patienten ermöglicht.

Die gesamte Diskussion rings um die Biosimilars ist nicht nur eine rein pharmakologisch-medizinische, sondern auch eine deutlich pekuniär betonte.

Dies musste bisher in der Rheumatologie so in diesem Maße nicht beachtet bzw. berücksichtigt werden.

Um die verschiedenen Aspekte zum Thema Biosimilars für die behandelnden Kollegen so transparent und klar wie möglich darzustellen und eine von äußeren Einflüssen möglichst wenig beeinflusste Meinung bilden zu können, konnten wir 4 Autoren gewinnen, die die kritischen Punkte zu diesem spannenden Thema entsprechend ausgearbeitet und präsentiert haben.

Herr Dr. Jörg Windisch stellt in seinem Beitrag „Biosimilars versus Erstanbieter-Biologika: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von der Entwicklung bis zur Zulassung“ den Hintergrund zur Entwicklung und Produktion von Biosimilars dar und schildert insbesondere sehr prägnant die regulatorischen Voraussetzungen, unter denen überhaupt ein Biosimilar entwickelt und lizensiert werden kann. Der Schwerpunkt liegt hier besonders auf den Unterschieden zwischen Erstanbieter-Biologikum vs. Biosimilar, insbesondere hinsichtlich der relevanten Entwicklungs- und Zulassungsaspekte sowie der hierzu notwendigen Kenntnisse zur Biochemie, Pharmakokinetik und Studienplanung.

Da gerade die internistischen Rheumatologen besonders gefragt sein werden, wie denn die Studienergebnisse in praxi aussehen und diese zu interpretieren sind, hat sich Frau Dr. Rieke Alten die Mühe gemacht, für dieses Schwerpunktheft alle relevanten Zulassungsstudien zu den Biosimilars durchzusehen und hieraus die wichtigen Informationen für die Leser bereitzustellen. Sie konzentriert sich hier nicht nur auf die reinen American College of Rheumatology (ACR)- und European League Against Rheumatism (EULAR)-Ansprechraten, sondern beschreibt auch die wichtigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Pharmakokinetik und -dynamik einschließlich der Cross-over-Designs, die häufig verwendet wurden – dies unter anderem, da die Forderung der Krankenkassen besteht, direkt auf das kostengünstigere Biosimilar trotz erfolgreicher laufender Therapie mit dem Originator zu wechseln. Ein ebenfalls wichtiger Punkt, den Frau Dr. Alten darstellt, ist der Begriff der Similarität in klinischen Studien, um hier Klarheit zu schaffen, in welchem Abweichungsbereich sich ein Biosimilar bewegen darf, um dennoch als gleichwertig in klinischen Studien zu gelten. Daneben werden auch nochmals die „Studiencodes“, wie z. B. „intention-to-treat“ und „per protocol“, herausgestellt, um Missverständnisse in der Interpretation der Biosimilar-Studien auf ein Minimum zu reduzieren.

Durch den Erfolg der biologischen Wirkstoffe in der Rheumatologie und aufgrund der vielfältigen gleichartigen molekularen Grundlagen verschiedener entzündlicher Erkrankungen verwenden selbstverständlich auch andere Fachgebiete in zunehmendem Maße Biologika. Dies betrifft v. a. die Kollegen aus der Gastroenterologie und Dermatologie. Herr Prof. Stefan Schreiber, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Standort Kiel, der auch an den entsprechenden Publikationen und Empfehlungen bei nichtrheumatologischen entzündlichen Erkrankungen seit vielen Jahren als treibende Kraft mit beteiligt ist, hat sich erfreulicherweise für unser Schwerpunktheft zur Verfügung gestellt, um die Erkenntnis und Erfahrungen mit Biosimilars für die Leser der Zeitschrift für Rheumatologie entsprechend aufzuarbeiten. Eine besondere Betonung liegt in seinem Beitrag nicht nur auf den reinen Studienergebnissen, sondern auch auf der Fragestellung, warum Biologika, insbesondere die TNF-Hemmer, bei nichtrheumatologisch entzündlichen Erkrankungen zum Teil in anderen Schemata und anderen Dosierungen verwendet werden und auch andere Nebenwirkungen eine Rolle spielen können. In seinem Beitrag wird auch besonders herausgehoben, wo die Möglichkeiten und Grenzen der Unterscheidbarkeit zwischen Originalpräparat und Biosimilar liegen und wie die Diskussionen bei unseren Kollegen anderer Fachgebiete bezüglich des primären oder sekundären Einsatzes derzeit ablaufen.

Der letzte Beitrag von Herrn Prof. Schneider und Frau Dr. Weisel betrifft die regulatorischen Aspekte in der Zulassung und Überwachung der Biosimilars. Dieser Beitrag hat ein besonderes Gewicht, da „Mythen“ zum Teil mehr die Diskussion prägen denn die Fakten, die hinter den regulatorischen Aspekten tatsächlich stehen. In ihrem Beitrag werden mehrere dieser Fragen gestellt und entsprechend beantwortet, unter anderem das Problem „Vergleichbarkeit des Wirkmechanismus“, „Unterschiede in der Immunogenität“, „Sicherstellung der Gleichwertigkeit der Qualität bei Similar und Originator“, „Gleichwertigkeit im Zulassungsverfahren einschließlich der Erlaubnis der Umstellung von Originator auf Biosimilar (und auch zurück)“ sowie die nicht unerheblichen „Einstellungen der Zulassungsbehörden in der Jetztzeit und Zukunft“.

Gerade weil das Thema Biosimilars in aller Munde ist, von verschiedenen Seiten aufgrund der pekuniären Aspekte sehr aktiv diskutiert wird und zu erwarten ist, dass die Zahl der Biosimilars erheblich zunimmt, wurde dieses Schwerpunktheft zusammengestellt. Wir hoffen, dass Ihnen mit den Beiträgen die adäquaten Informationen bereitgestellt werden, die Sie für Ihre persönliche Entscheidung in der täglichen Praxis brauchen und auch als Grundlage in der Diskussion mit Ihren Fachkollegen jederzeit nutzen können.

Ihre

Ulf Müller-Ladner

Gerd-Rüdiger Burmester