Dass Männer und Frauen nicht gleich sind, ist nicht nur eine Banalität, sondern auch eine Erkenntnis, die sich nur langsam in Diagnostik und Therapie von Krankheiten durchsetzt. Wir wissen seit Langem, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in Krankheitshäufigkeit, Krankheitsausprägung und Folgen von Erkrankungen gibt; wir wissen auch, dass sich Frauen und Männer in ihrem Risikoverhalten und in ihrem Umgang mit Gesundheit und Krankheit unterscheiden. Die Gender-Medizin hat hierauf in den letzten 20 Jahren immer wieder hingewiesen und empirische Belege erbracht. Wohl am bekanntesten ist die beunruhigende Erkenntnis, dass Herzinfarkte bei Frauen eine andere Symptomatik aufweisen als bei Männern und deshalb häufig nicht oder zu spät erkannt werden. Inzwischen hat die Gender-Medizin alle Fachgebiete der Medizin erreicht. In der Rheumatologie wissen wir um die unterschiedliche Häufigkeit einzelner Erkrankungen bei Frauen und Männern und um Unterschiede in Krankheitsausprägung und patientenberichteten Ergebnissen. Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass Frauen intensiver unter Schmerzen leiden, dass sie häufiger Fatigue und Schlafstörungen haben, dass sie bei rheumatoider Arthritis seltener eine Remission erreichen und häufiger über Nebenwirkungen von Medikamenten klagen. Wir wissen auch, dass jeweils das Geschlecht, das seltener von einer Krankheit betroffen ist, tendenziell später adäquat diagnostiziert und behandelt wird.

In diesem Heft widmen wir uns drei Aspekten, die bisher nicht im Fokus der rheumatologischen Publikationen standen.

Gabriele Riemekasten und Elise Siegert erläutern die immunologischen Grundlagen für geschlechtsspezifische Unterschiede in Prävalenz und Ausprägung von Infektionen und Autoimmunerkrankungen. Neben Geschlechtschromosomen spielen zelluläre Rezeptoren für Geschlechtshormone, die in Immunzellen exprimiert werden, eine wichtige Rolle für das angeborene und das erworbene Immunsystem. Wir stehen hier am Anfang einer spannenden Entwicklung, die uns erlauben wird, viel differenzierter als bisher therapeutisch auf die individuellen immunologischen Vorgänge zu reagieren. Die systematische Einbeziehung geschlechts- und genderabhängiger Risikofaktoren für Infektionen und Autoimmunität wird ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine personalisierte Medizin sein.

Katinka Albrecht gibt einen Überblick über das geschlechtsspezifische Spektrum der Komorbidität bei rheumatoider Arthritis. Während das erhöhte kardiovaskuläre Risiko bei Männern allgemein bekannt ist, wird es bei – zumeist älteren – Frauen leicht unterschätzt. Auch Frauen selbst schätzen sich oft nicht als gefährdet ein. Hingegen wird das Risiko von Männern, an einer Osteoporose zu erkranken, tendenziell unterschätzt. Krankheitsassoziierte Depression und Fibromyalgie treten häufiger bei Frauen mit rheumatoider Arthritis auf und beeinflussen erheblich den Therapieoutcome. Von dem in seiner Bedeutung wachsenden Risikofaktor Übergewicht sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen.

Jutta Richter und Kollegen stellen dar, dass kapillarmikroskopische Befunde auch in der Normalbevölkerung gehäuft morphologische und funktionelle Auffälligkeiten zeigen. Sowohl bei Gesunden wie bei Patienten mit Kollagenosen finden sich unterschiedliche Muster, die von Alter und Geschlecht abhängig sind. Diese können dann aber sowohl bei Gesunden als auch bei Patienten mit Kollagenosen beobachtet werden. Jedes Geschlecht zeigt typische Abweichungen. Um kapillarmikroskopische Befunde adäquat beurteilen zu können, ist es daher notwendig, das Geschlecht des Patienten zu berücksichtigen.

Diese Publikationen zeigen somit erneut, dass es eine wissenschaftliche Basis für die beobachteten Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Bezug auf Immunpathogenese, Prävalenz, Phänotyp und Outcome verschiedener rheumatischer Erkrankungen gibt.

Es sollte aber abschließend noch ein weiterer Aspekt zum Thema Gender und Rheumatologie angesprochen werden: Welche Rollen spielen Frauen als Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen in der Rheumatologie? Wie sind sie in der akademischen Rheumatologie in Deutschland und den deutschsprachigen Ländern vertreten? Parallel zum deutlichen Anstieg von Frauen bei den Studienanfängern im Fach Humanmedizin und bei den Doktorandinnen sind auch die prozentualen Anteile von Frauen bei den Assistenzärzten in Weiterbildung und den Fachärzten für Rheumatologie gestiegen. Die entscheidende Barriere für Frauen in der Medizin einschließlich der Rheumatologie liegt in der Phase nach der Promotion: Der Anteil der Frauen an den Habilitationen liegt um etwa 30% unter ihrem Anteil an den Promotionen. Wir können es uns aber ohne Zweifel nicht leisten, in der Förderung unseres dringend benötigten wissenschaftlichen Nachwuchses auf das große Potenzial der weiblichen Studienabsolventen zu verzichten. Wir halten es für dringend erforderlich, durch verstärkte Anstrengungen auf allen Ebenen (Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Lehrkrankenhäuser) und Bereichen (Deutsche Forschungsgemeinschaft, wissenschaftliche Fachgesellschaften) dazu beizutragen, Medizinstudentinnen und junge Ärztinnen noch mehr als bisher für die wissenschaftliche Forschung zu begeistern und sie später auch nicht wieder zu verlieren.

Gerade die Rheumatologie mit ihren vielfältigen Forschungsmöglichkeiten im Labor, in Versorgungsforschung und Klinik ist ein ideales akademisches Fach für Frauen. Unsere wissenschaftlichen Fachgesellschaften können zudem mit scheinbar kleinen Maßnahmen – wie Mentoringkursen, der Wahl in Beiräte, Kommissionen, Programmkommissionen und Vorsitzen bei Tagungen sowie der Besetzung von Editorial Boards – vorbildhaft dazu beitragen, dass Frauen in der akademischen Rheumatologie noch sichtbarer werden.Wir als Rheumatologen können davon nur profitieren.

Ihre

Angela Zink

Elisabeth Märker-Hermann