Erfreulicherweise kann die kleine Gemeinde der Kinder- und Jugendrheumatologen erneut ein Heft der Zeitschrift für Rheumatologie gestalten. Dazu wurden vier aktuelle Themen ausgewählt, bei denen die rasche Entwicklung und Anhäufung klinisch relevanten Wissens eine Zwischenbilanz sinnvoll erscheinen lässt.

Johannes Peter Haas aus Garmisch-Partenkirchen, früher Greifswald, berichtet über genetische Grundlagen der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA). JIA ist die aktuelle wissenschaftliche Bezeichnung für das kindliche Rheuma und entspricht einer ausgefeilten Klassifikation, die inzwischen sowohl im klinischen Alltag als auch bei wissenschaftlichen Studien verwandt wird. Es gibt sieben Subtypen der JIA, die sich auch in ihrem genetischen Hintergrund unterscheiden. Bis auf die rheumafaktorpositive Arthritis, eine der Subgruppen der JIA, unterscheiden sich die genetischen Risikofaktoren von der rheumatoiden Arthritis (RA) des Erwachsenen. Für die häufigste Form der JIA, die frühkindliche Oligoarthritis, stellt das „shared epitope“ der RA sogar ein protektives Gen dar. Während die meisten Subtypen der JIA wie die RA Merkmale einer Autoimmunerkrankung aufweisen, zeigt die systemische JIA (M. Still) auch Merkmale einer autoinflammatorischen Erkrankung. Haas zeigt eindrucksvoll die Notwendigkeit, in nationaler und internationaler Kooperation Daten zu sammeln, um ausreichend große Gruppen gut charakterisierter Patienten zur Verfügung zu haben, an denen weitere Fortschritte der Aufdeckung genetischer Risikofaktoren zu erzielen sind. Die bisherigen Ergebnisse können Bedeutung für die genetische Beratung der Patienten und ihrer Eltern haben, die Diagnose erleichtern oder präzisieren und z. T. und möglicherweise in Zukunft zunehmend die Therapie mitbestimmen.

Methotrexat gehört nach wie vor zu den wichtigsten Therapeutika in der Behandlung der JIA, wozu es nun seit über 25 Jahren eingesetzt wird, so dass ein hohes Maß an Sicherheit in der Langzeitanwendung und auch bei jungen Patienten vorhanden ist. Holzinger, Frosch und Foell aus der Münsteraner Arbeitsgruppe beleuchten den Stellenwert des Medikaments, nachdem eine ganze Reihe neuer Medikamente, insbesondere die Biologika, in die Therapie eingeführt wurden. Methotrexat ist nach wie vor Mittel der Wahl, wenn nichtsteroidale Antirheumatika und intraartikuläre Steroide keine ausreichende Wirksamkeit zeigen, und wird meist primär bei chronischer Polyarthritis gegeben. Biologika sollten nur eingesetzt werden, wenn vorher ein Therapieversuch mit Methotrexat erfolglos war oder inakzeptable Nebenwirkungen zeigte. Diese zentrale Stellung im Therapiealgorithmus der JIA und die hohe Sicherheit zeigen die große Bedeutung von Methotrexat. In der Tat sind schwerwiegende Nebenwirkungen bei Kindern mit JIA sehr selten, und die häufigsten Nebenwirkungen sind Befindlichkeitsstörungen oder mit Absetzen voll reversibel. Trotzdem kann insbesondere die tief empfundene Aversion gegen Methotrexat zum Beenden der Therapie zwingen. Angezweifelt wird die Bedeutung einer Therapie mit Methotrexat nur bei der systemischen JIA (M. Still) und der Enthesitis-assoziierten JIA (juvenile Spondylarthropathie). Unklar ist noch, wie lange eine Therapie mit Methotrexat nach Erreichen einer Remission fortgeführt werden soll. Die Autoren weisen auf die mögliche Bedeutung von Biomarkern wie den phagozytären S100-Proteinen hin, die bei dieser Entscheidung helfen könnten.

Biologika sollten nur eingesetzt werden, wenn vorher ein Therapieversuch mit Methotrexat erfolglos war

Die systemische JIA (M. Still) gehört weiterhin zu den großen diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen der Pädiatrie. Die Autoren Dueckers und Niehues aus Krefeld zeigen den aktuellen Stand des Beitrags der Biologika in der Therapie. Aufbauend auf der Darstellung der Pathophysiologie mit dem Stellenwert des angeborenen Immunsystems und der Bedeutung von Interleukin- (IL-)1 und IL-6 in der Pathogenese stellen die Autoren die häufig unzureichende Wirkung von Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α-Antagonisten dar und die vielversprechenden Ergebnisse bei der Blockierung der Wirkung von IL-1 oder IL-6. Die Autoren zeigen aber auch die unterschiedliche Qualität der vorgestellten Daten und die Schwierigkeit, selbst in internationaler Kooperation ausreichende Teilnehmerzahlen für Studien zu einer so seltenen Erkrankung zu gewinnen.

Während bei der RA des Erwachsenen ein erhöhtes Malignomrisiko, insbesondere im Hinblick auf Lymphome, bekannt ist, kann man bei der JIA nicht auf entsprechende Daten zurückgreifen. Dies und die Seltenheit der Erkrankung machen die Beurteilung einer zeitlichen Assoziation der Behandlung der JIA mit TNF-α-Antagonisten und dem Auftreten von Malignomen besonders schwierig. Gerd Horneff aus St. Augustin beleuchtet dieses Thema auf der Basis der von der amerikanischen Arzneimittelbehörde („Food and Drug Administration“, FDA) zusammengestellten Fälle und der im deutschen Etanercept-Register dokumentierten fünf Fälle einer solchen Assoziation, die auch im klinischen Verlauf eindrucksvoll dargestellt werden. Die geschilderten Fälle zeigen eindeutig, dass es sehr schwierig ist, aus einer zeitlichen Assoziation einen kausalen Zusammenhang abzuleiten. Die Daten, die die FDA zusammengestellt hat, scheinen zu belegen, dass die Gabe von Infliximab zusammen mit Azathioprin beim juvenilen M. Crohn die Gefahr der Entwicklung eines tödlichen hepatolienalen T-Zell-Lymphoms beinhaltet. Es bleibt unklar, was dies für Patienten mit JIA unter Etanercept oder Adalimumab und Methotrexat bedeutet. Unter Zugrundelegung der Hintergrundinzidenzen für die Entwicklung von Lymphomen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die in der Größenordnung des Risikos für einen tödlichen Verkehrsunfall liegen, könnte es zu einer Verdoppelung dieses Risikos bei der Behandlung mit Etanercept kommen. Horneff schlussfolgert, dass die Indikation für Biologika bei Patienten mit JIA sehr sorgfältig gestellt werden muss und die Patienten eine langfristige Nachbeobachtung benötigen. Dies sollte im Etanercept-Register in St. Augustin erfolgen. Auch für Adalimumab ist ein entsprechendes Register zu fordern. Die Nachbeobachtung sollte auch nach Übergabe der Patienten in die internistische Erwachsenenrheumatologie fortgeführt werden. Dafür bietet sich die am Deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin geführte Jumbostudie an.

Die Kinder- und Jugendrheumatologie entwickelte neben der klinischen Eigenständigkeit auch eine wissenschaftliche Selbstständigkeit

Alle vier Beiträge belegen den enormen Fortschritt, der in den letzten Jahren in der Kinder- und Jugendrheumatologie erreicht wurde. Auch wenn weiterhin Studien aus der Erwachsenenrheumatologie Bezugspunkte sind, ist es der Kinder- und Jugendrheumatologie gelungen, neben der klinischen Eigenständigkeit auch eine wissenschaftliche Selbstständigkeit zu entwickeln. Hierfür waren mehrere Entwicklungen bedeutsam:

In nationaler Kooperation wird seit Jahren die Kerndokumentation beim Deutschen Rheumaforschungszentrum geführt. Die dort generierten Daten können eine gute Basis für die Epidemiologie rheumatischer Erkrankung in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen, ihre Behandlung und ihre Prognose bilden. Diese Daten sind bedeutsam für die Ressourcenallokation. Zudem konnte mit dem Etanercept-/Methotrexat-Register zunächst in Halle, dann in St. Augustin das aktuell weltweit größte Biologika-Register für Kinder und Jugendliche aufgebaut werden.

Unübersehbar ist aber auch die fortgesetzte Notwendigkeit zur internationalen Kooperation. Hierbei ist neben der europäischen kinderrheumatologischen Gesellschaft („Paediatric Rheumatology European Society“, PRES) besonders die von Alberto Martini zunächst in Pavia gegründete und dann in Genua fortgeführte pädiatrisch-rheumatologische Forschungsinstitution („Pediatric Rheumatology International Trials Organisation“, PRINTO) von großer Bedeutung.

Unverzichtbar ist die Mitwirkung der pharmazeutischen Industrie, die große internationale Studien durchführte und durchführt, um die neuen Medikamente auch für Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen. Dies ist Folge von Initiativen der amerikanischen und europäischen Arzneimittelbehörden, die die Firmen über finanzielle Anreize dazu gebracht haben, auch für eine kleine Gruppe von Patienten, die normalerweise nicht das ökonomische Interesse eines Herstellers gewinnen könnte, placebokontrollierte Studien mit dem Ziel der Zulassung aufzulegen.

Weitere Fortschritte sind durch nationale und internationale Kooperation zu erwarten. Die unverzichtbare Kooperation bei Medikamentenstudien mit der pharmazeutischen Industrie muss wachsam von der Gemeinschaft der Wissenschaftler begleitet werden.

Ihr

Professor Dr. med. Hans-Iko-Huppertz