Genetische Faktoren der Atheroskleroseentstehung

Zusammenfassung

Die Atherosklerose ist eine komplizierte, multifaktorielle Erkrankung, die von einer besonderen genetischen Disposition und einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren abhängig ist. Als zweifellos wichtigster Kausalfaktor ist eine Erhöhung des Plasma-LDL-Cholesterins anzusehen, dessen atherogene Wirkung durch andere Faktoren erheblich verstärkt werden kann. Vermutlich determinieren mehrere Kandidatengene die individuell sehr unterschiedliche Atheroskleroseempflindlichkeit der Gefäßwand. In den letzten Jahren wurde eine wachsende Zahl von Genpolymorphismen identifiziert, die mit einem erhöhten Myokardinfarktrisiko assoziiert sind. Dies betrifft insbesondere Gene und Gencluster, die im Fettstoffwechsel, der Blutdruckregulation und der Blutgerinnung eine zentrale Rolle spielen. Im Gegensatz zu den seltenen monogenetischen Erkrankungen, die mit einem schweren Krankheitsbild einhergehen (z.B. familiäre Hypercholesterinämie), sind Genpolymorphismen relativ häufig. Aufgrund ihrer hohen Frequenz ist das Zusammentreffen mehrerer für die Atherosklerose prädisponierender Allele in einem Individuum durchaus wahrscheinlich, dies könnte die koronare Risikodisposition eines Patienten entscheidend bestimmen. Genetische Polymorphismen wirken sich klinisch meist erst durch die Interaktion mit Lebensstil- und Umweltfaktoren oder bei endogenen Stoffwechselstörungen aus.

Die Rolle genetischer Faktoren in der Atherogenese kann heute tierexperimentell durch gentechnische Überexpression oder Knockout von bekannten Kandidatengenen gezielt untersucht werden. Zur Suche nach Genen der Atherosklerosedisposition wurde von uns ein Tiermodell atheroskleroseempfindlicher und resistenter Kaninchen etabliert. Atheroskleroseempfindliche Kaninchen (HAR) entwickeln unter einer Cholesterindiät eine Aortenatherosklerose über 70%, dagegen zeigen resistente Kaninchen (LAR) trotz einer massiven Hypercholesterinämie nur etwa 20% Oberflächenläsionen der Aorta. Nach neuen Untersuchungen verfügen Makrophagen der atheroskleroseresistenten Kaninchen aufgrund einer auffällig hohen Scavenger-Rezeptoraktivität und ApoE-Expression über sehr effiziente Mechanismen zur Aufnahme und Elimination modifizierter Lipoproteine. Diese besondere Makrophagenfunktion könnte bei diesen Tieren der zellulären Cholesterinspeicherung und der Entstehung der Atherosklerose entgegenwirken.

Die molekularbiologische Aufklärung genetischer Faktoren der Atherosklerosedisposition steht erst an ihrem Beginn und ist zweifellos klinisch und gesundheitspolitisch ein wichtiges Ziel. Es ist zu erwarten, daß die weitere Charakterisierung genetischer Faktoren der Atherosklerose in der Zukunft eine wesentlich gezieltere, effektivere und ökonomisch vertretbarere primäre Prävention der koronaren Herzerkrankung ermöglichen wird, als dies heute der Fall ist.

Summary

Atherosclerosis is a complex multifactorial disease of the arterial wall, dependent on genetic disposition and multiple other risk factors. There are probably several candidate genes, that determine the individual susceptibility of the vessel wall to develop atherosclerosis. In recent years, a growing number of gene polymorphisms, associated with an elevated risk of myocardial infarction, has been identified. These genes and gene clusters play a crucial role in lipid metabolism, regulation of blood pressure and clotting. In contrast to rare monogenetic diseases with severe clinical signs and symptoms (e.g. familial hypercholesterolemia), genetic polymorphisms are relatively frequent. Due to their frequency, there is a high probability that one individual carries several alleles predisposing to coronary heart disease. Genetic polymorphisms become clinically important by interacting with lifestyle, environmental factors or endogenous metabolic disorders.

We have recently established an animal model of rabbits, which may prove useful in the search for new genes predisposing to or protecting from atherosclerosis. Rabbits with high atherosclerotic response (HAR) show more than 70% atherosclerotic involvement of the aorta when fed a high cholesterol diet. In contrast, rabbits with low atherosclerotic response (LAR) show less than 20% atherosclerosis in spite of comparably high plasma cholesterol levels. Preliminary studies indicate that macrophages of LAR rabbits have a high scavenger receptor activity and high apolipoprotein E expression and thus appear to be very efficient in uptake and elimination of modified lipoproteins. This may result in a more efficient removal of cholesterol from the arterial wall and thus protect the animals from developing atherosclerosis.

Today we are only at the beginning of understanding the complexity of gene interaction in atherosclerosis. Further identification of genetic factors of atherosclerosis will no doubt lead to a more efficient and economic prevention of coronary heart disease in the future.