Rechtliche Gemengelagen

Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind sowohl in der Gründung als auch im Betrieb mit zahlreichen Rechtsfragen konfrontiert, die sich aus unterschiedlichen Regelungsbereichen und Rechtsgebieten (Abb. 1) ergeben und speisen. Sie verstehen sich in aller Regel nicht als Einrichtungen resp. Heime im Sinne der Landesheimgesetze, werden aber gleichwohl in den heimrechtlichen Kodifizierungen der Länder in sehr unterschiedlicher Weise mit Anforderungen konfrontiert. Sei es positiv: Meldepflichten, Konstruktionsprinzipien für sog. selbstorganisierte Wohngemeinschaften, Anforderungen an trägergestützte oder anbieterverantwortete oder aber negativ: etwa, wenn die Nichtanwendung heimrechtlicher Anforderungen und Vorschriften an die Erfüllung bestimmter Organisationsprinzipien und Vertragsgestaltungen gebunden ist.

Abb. 1
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Überblick der rechtlichen Gemengelage

Hier stößt man nach der Föderalisierung des Heimrechts auf eine höchst unterschiedliche Rechtslage und eine noch unterschiedlichere Rechtspraxis, die eine bundesländerübergreifende Bewertung aus heimrechtlicher Perspektive ausschließt. Neben dem Heimrecht findet sich eine Reihe von anderen ordnungsrechtlichen Regulierungen, die sich vom Baurecht (Bauplanungs- und Bauordnungsrecht) über spezielle Brandschutzvorschriften bis hin zu Gesundheitsschutz und hygienerechtlichen Vorschriften erstrecken. Sie können sowohl Einfluss auf die bauliche Gestaltung als auch auf die konzeptionelle Ausrichtung entfalten.

Neben den ordnungsrechtlichen Vorgaben ist es ganz wesentlich das Sozialrecht, das sowohl im Sozialleistungs- als auch im Leistungserbringungsrecht die Voraussetzungen für die Finanzierung und qualitätsgesicherte Dienstleistungserbringung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften aufstellt. Und auch ist es nicht allein ein Sozialleistungsgesetz, das seine maßgeblichen Wirkungen entfaltet. Es sind mindestens drei Sozialgesetzbücher: das Recht der sozialen Pflegeversicherung mit seinen z. T. speziell auf Wohngemeinschaften hin ausgerichteten Vorschriften, etwa § 38a SGB XI; das Krankenversicherungsrecht mit den Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V als maßgebliche Vorschrift für die Absicherung der fachpflegerischen Begleitung der Bewohner in Kooperation mit den behandelnden Ärzten. Einschlägig ist weiterhin das SGB XII für auf Sozialhilfe verwiesene Personen. Dabei wird das Recht auf Förderung der selbstbestimmten Teilhabe (§ 1 SGB IX) und das dazu bestehende Leistungsrecht des SGB IX bisher von keinem der Akteure auch nur in den Blick genommen. So könnte z. B. gerade in Wohngruppen ein über die in der Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI enthaltenen Betreuungsmaßnahmen hinausgehender Anspruch auf Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX bestehen. Schließlich sind für einkommensschwache Personenkreise die Sozialhilfe und hier vor allen Dingen die Hilfe zur Pflege, §§ 61 ff. SGB XII, resp. die Eingliederungshilfe bis zum 31.12.2019 gemäß § 53 SGB XII, ab dem 1.1.2010 gemäß §§ 78 ff. SGB IX. SGB IX maßgeblich, wenn es darum geht, über die Sozialversicherung nichtgedeckte Entgeltanteile für die in ambulant betreuten Wohngemeinschaften erbrachten Leistungen abzusichern.

Auch wenn das Sozialrecht bundeseinheitlich geregelt ist, unterscheidet sich doch die Gewährungspraxis von Sozialhilfeträger zu Sozialhilfeträger, was die Zugänglichkeit ambulant betreuter Wohngemeinschaften für einkommensschwache Personen anbetrifft. Das Spektrum umfasst „barrierearm“ (regelhafte Gewährung) bis hin zu „mit hohen Hürden“ (strenge Einzelfallprüfung: Heislbetz et al. mit empirischen Belegen [4]). Schließlich können Leistungen der Grundsicherung, aber auch des Wohngeldes relevant sein, wenn es um die Finanzierung eines Aufenthalts in ambulant betreuten Wohngemeinschaften geht. Mit Blick auf das Leistungserbringungsrecht scheiden hybrid organisierte, ambulant betreute Wohngemeinschaften in aller Regel als Vertragspartner der Sozialleistungsträger aus. Auch sind die insbesondere in der sozialen Pflegeversicherung bestimmten Anforderungen an die Qualitätssicherung für ambulante Dienste nicht auf die besonderen Settings und wohlfahrtspluralistischen Mixturen in der Leistungserbringung in Wohngemeinschaften ausgerichtet.Footnote 1

Schließlich müssen die Voraussetzungen für das Wohnen und die Pflege sowie die Assistenz in Wohngemeinschaften auch in zivilrechtlicher Weise geregelt sein. Investoren erwarten Belegungssicherheit; Vermieter regeln entweder über Generalmiet- oder individuelle Mietverträge das Verhältnis zu den Bewohnern. Die Vertragsgestaltung zwischen den jeweiligen Bewohnern und den Pflege- und Assistenzdiensten muss die Wahlfreiheit der Bewohner reflektieren und sicherstellen. Andererseits funktionieren ambulant betreute Wohngemeinschaften nur bei konstruktivem Zusammenwirken der Bewohner hinsichtlich der Auswahl von Assistenz- und Pflegediensten. Die notwendigen Dienstleistungen können durch die Präsenz von Fachkräften – bei jeweils getrennt gewählten und nur für je einzelne Bewohner tätigen Pflege- und Assistenzdiensten – nicht zu einem ökonomisch verträglichen Preis angeboten und sichergestellt werden. Ob das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Anwendung findet oder nicht, hängt von der Kombination der Miet- und Dienstverträge ab. Entsprechend gelten unterschiedliche verbraucherschutzrechtliche Standards. Neben den individualrechtlichen Vereinbarungen sind regelmäßig Kooperationsabsprachen, sei es in Vertrags- oder vertragsähnlicher Form abzuschließen, um das Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure auf eine verbindliche Grundlage zu stellen. Hier geht es um die klare Beschreibung von Zuständigkeiten und Kooperationsverpflichtungen in Bezug auf die Aushandlung der Alltagsgestaltung in den ambulant betreuten Wohngemeinschaften sowie um Konfliktregelungsmechanismen bei Unstimmigkeiten. Die Bewohner resp. ihre gesetzlichen Bevollmächtigten bilden regelmäßig eine Art Bewohnergremium resp. eine Auftraggebergemeinschaft, das bzw. die durch die gemeinsame Verfolgung auch wirtschaftlicher Zwecke als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) zu qualifizieren ist, mit allen Folgen, die sich aus dieser gesellschaftsrechtlichen Formation ergeben. Die so skizzierte rechtliche Gemengelage schafft eine eigene Komplexität, die gemanagt, gestaltet und im Alltag gelebt werden will.

Heimrecht

Das Heimrecht ist eine im Wesentlichen dem Ordnungsrecht zuzuordnende Rechtsmaterie, die aus dem Gewerbesonderrecht für gewerbliche Alten- und Pflegeheime hervorgegangen ist und 1974 im Heimgesetz auf nationaler Ebene kodifiziert wurde. Bis zur Föderalisierung des Heimrechts waren die heimvertragsrechtlichen Regelungen ebenso im Heimgesetz enthalten wie koordinationsrechtliche Vorschriften sowie Vorschriften über die Mitwirkung von Heimbewohnern. Das Heimgesetz und die für seine Durchführung zuständigen Behörden waren nicht nur dafür zuständig, Einrichtungen präventiv zu prüfen, Missständen nachzugehen und ggf. ordnungsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, die dem wirksamen Schutz der Bewohner dienen sollten. Sie hatten immer schon auch eine Beratungsfunktion und waren auf die Weiterentwicklung der Einrichtungen im Sinne der Öffnung, Mitwirkung sowie Beteiligung von Angehörigen und Engagierten ausgerichtet.

Diese Heimförder- und Entwicklungsfunktionen [6] haben bereits vor der Föderalisierung, also nach dem alten Heimgesetz, Heimaufsichtsbehörden vor Ort in ihren Bestrebungen unterstützt, mit ambulant betreuten Wohngemeinschaften neue Wohnformen und neue Versorgungskonzepte in Ergänzung zu den bestehenden zu implementieren. Die Bundesländer zeigten hier eine unterschiedliche Performance: Hessen wartete recht früh mit transparenzstiftenden Beratungskonzepten und Anforderungen auf, und andere Bundesländer definierten ambulant betreute Wohngemeinschaften aus dem Anwendungsbereich des Heimgesetzes heraus. Dagegen zeigte sich in einer ganzen Reihe der restlichen Bundesländer eine große Unsicherheit im Umgang mit den neuen Wohn- und Versorgungsformen. Dies änderte sich durch die Föderalisierung des Heimrechts im Jahr 2006. Weniger aus konzeptionellen, sondern vielmehr aus übergeordneten politischen Gründen wurde das Heimrecht den Ländern übertragen [1].

Alle 16 Bundesländer haben von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht und auch und gerade heimrechtliche Sondertatbestände für ambulant betreute Wohngemeinschaften geschaffen, die jeweils eine eigenständige Handschrift tragen. Dabei greifen die Bundesländer Traditionen des alten Heimgesetzes auf. Sie versuchen, die Platzierung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften zwischen kollektiven Versorgungsformen in der Tradition von stationären Einrichtungen auf der einen Seite und privater, auf die eigene Häuslichkeit hin ausgerichteten Wohnformen auf der anderen Seite zu verbinden und mit abgestimmten Regulierungen zu beantworten. Maßgeblich und als übergeordneten Gesichtspunkt greifen die Landesgesetzgeber die sog. strukturelle Abhängigkeit als Merkmal auf, das sie veranlasst, ordnungsrechtliche Regelungen zur Regulierung einerseits und zum Schutz der Bewohner andererseits aufzustellen, so es sich um die neue Wohnform ambulant betreute Wohngruppe handelt. Dabei wird die Abhängigkeit von einem Träger, der in der Tradition der stationären Einrichtung die Leistungserbringung, inklusive der Vermietung von Wohnraum, in einer Hand hat, als Indikator für eine strukturelle Abhängigkeit und den sich daraus ergebenden besonderen Schutzbedarf der Bewohner gewertet. Liegt die Regie, liegt die Verantwortung für die Gestaltung des Lebens in ambulant betreuten Wohngemeinschaften bei den Bewohnern resp. ihren An- und Zugehörigen oder rechtlichen Vertretern, haben sie die Wahl zwischen unterschiedlichen Anbietern. Nähern sich die Konzeption und die gelebte Praxis dem Bild von selbstorganisierten Wohngemeinschaften an, werden der Schutzbedarf und die strukturelle Abhängigkeit in der Tendenz negiert. Das Risiko einer ordnungsgemäßen, fachlich angemessenen und die Selbstbestimmung der Bewohner achtenden Gestaltung des Lebens wird in die Verantwortung der Bewohner gelegt, und es wird weitgehend auf eine heimrechtliche Kontrolle und Regulierung verzichtet. Je nachdem, an welchem Pol – hier strukturelle Abhängigkeit, dort Selbstorganisation und Selbstverantwortung – die Wohngemeinschaften verortet werden, fällt die heimrechtliche Regulierung unterschiedlich aus. Sie reicht von der Qualifizierung ambulant betreuter Wohngruppen und -gemeinschaften als Kleinstheime, die dem Heimrecht vollständig unterfallen, bis hin zu vollständig aus dem Heimrecht ausgegliederten Formen selbstverantworteten Wohnens. Insbesondere Intensivpflege-Wohngemeinschaften werfen sowohl sozial- als auch heimrechtlich Fragen nach ihrer Qualifizierung als eigener Haushalt bzw. eigene Einrichtung auf (etwa z. B. VG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2017– Az. 26 K 6422/16; ausführlich [11]).

Bei einer synoptischen Betrachtung landesrechtlicher Kodifizierung [10] wird deutlich, dass mit wenigen Ausnahmen jedes Bundesland eigenständige Regelungen für ambulant betreute Wohngemeinschaften kreiert hat. Das gilt sowohl für Abgrenzungen zwischen den unterschiedlichen Typen von Wohngemeinschaften und -gruppen als auch in terminologischer Hinsicht. Es lassen sich unterschiedliche Konzeptionen typisieren (Abb. 2): So gibt es den Typ von heimrechtlicher Kodifizierung, in dem sowohl selbstorganisierte als auch trägerverantwortete Wohngemeinschaften geregelt werden, und auch den Typ, der auf Regelungen für die nicht dem Heimrecht unterfallenden selbstorganisierten Wohngemeinschaften verzichtet. Um auch die selbstorganisierten Wohngemeinschaften heimrechtlich einem Monitoring zu unterwerfen, greifen einige Bundesländer auf die ambulanten Dienste, die die Bewohner in ambulant betreuten Wohngemeinschaften versorgen, zurück, und richten an sie Verpflichtungen, meist die der Anzeige ihrer Tätigkeit in Wohngemeinschaften. Hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen für selbstorganisierte Wohngemeinschaften verlangen die meisten Bundesländer, dass die Voraussetzungen bereits bei Inbetriebnahme vorliegen, besonders konsequent Baden-Württemberg. Einige Bundesländer gestehen den selbstorganisierten Wohngemeinschaften eine Gründungsphase zu, in der sich die Strukturen, die Kompetenz, aber auch die Kultur in der Wohngemeinschaft hinsichtlich der Selbstorganisation entwickeln und entfalten kann.

Abb. 2
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Varianten der heimrechtlichen Betrachtung von Wohngemeinschaften. (©AGP 2016)

Entsprechend unterstützt und berät eine Reihe von Bundesländern durch landeszentrale Beratungsstellen Initiativen, die ambulant betreute Wohngemeinschaften aufbauen wollen [11]. Eine Durchlässigkeit zwischen stationären Versorgungsformen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften ist in den meisten Bundesländern nicht oder allenfalls im Rahmen von Erprobungs- oder Innovationsregelungen vorgesehen, jeweils aber im Regime des Heimrechts und nicht außerhalb desselben. Ähnliches gilt für den Wechsel einer Wohngemeinschaft vom Modus der Selbstorganisation zur Trägerverantwortung und umgekehrt. Lediglich in Hamburg wird die Durchlässigkeit zwischen stationär und ambulant betriebener Wohngemeinschaft – wenn auch nicht sehr transparent – betrieben: Man nimmt dort die Initiativen gewissenmaßen an die Hand, um sie in den Status der selbstorganisierten Wohngemeinschaft zu führen [10].

Sozialrecht

Die teilhabe- und pflegepolitisch erwünschten Wohngemeinschaften basieren sozialleistungsrechtlich auf einer hybriden Finanzierungsstruktur, wenn sie nicht als vollstationäre Einrichtungen qualifiziert und entsprechend über Pflegesätze finanziert werden, was etwa bei dem Typ Hausgemeinschaft regelhaft der Fall ist. Der Regelfall in der ambulanten Finanzierung von Wohngemeinschaften resp. der dort zu erbringenden Leistung für die auf Pflege angewiesenen Menschen basiert auf einem Finanzierungsmix. Dieser setzt sich regelmäßig zusammen aus Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, die inzwischen in § 38a SGB XI Sondertatbestände für Wohngemeinschaften vorsehen, aus Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V sowie ggf. auch aus individuell verordneten Heil- und Hilfsmittelleistungen. Hinzu treten bei einkommensschwachen Personen Leistungen der Sozialhilfe gemäß §§ 53 ff. und 61 ff. SGB XI. Für Bezieher von Grundsicherungsleistungen gemäß § 42 ff. SGB XII werden auch die im allgemeinen Lebensunterhalt erforderlichen Transferleistungen, zu denen dann auch die Kosten der Unterkunft gehören, über die Sozialhilfe finanziert. Handelt es sich bei einkommensschwachen Personen nicht um Bezieher von Grundsicherungsleistungen, kommen zur Abdeckung der Mietkosten ggf. auch Leistungen nach dem Wohngeldgesetz in Betracht.

Leistungen nach dem SGB XI

Häusliche Pflege gemäß § 36 SGB XI

Für die Finanzierung der alltäglich anfallenden Pflege- und Betreuungsleistungen kommen insbesondere Leistungen der häuslichen Pflege gemäß § 36 SGB XI in Betracht. Dabei wird den Bewohnern von Wohngemeinschaften gemäß § 36 Abs. 4 S. 4 SGB XI die Möglichkeit eröffnet, Leistungen zu polen, d. h., Leistungen der häuslichen Pflege gemeinsam in Anspruch zu nehmen [12].

Die Leistungen der häuslichen Pflege können nicht nur für grundpflegerische Leistungen eingesetzt werden, sondern auch für solche der Hauswirtschaft sowie der pflegerischen Betreuung. Insofern steht den Bewohnern ein individuelles Gestaltungsrecht hinsichtlich ihres Rechtsanspruchs zu. Um mit den Leistungen der einzelnen Bewohner die Gesamtversorgung aller sicherstellen zu können, sind der individuellen Ausgestaltung der Leistungen allerdings Grenzen gesetzt.

Auch hinsichtlich der Leistungserbringung bestehen unterschiedliche Optionen. So können alle Leistungen der häuslichen Pflege gemäß § 36 SGB XI von einem Pflegedienst erbracht werden. Denkbar ist allerdings ebenso, dass der Pflegedienst einen Assistenzdienst als Kooperationspartner beteiligt, der die alltagsunterstützenden Leistungen, ggf. unter Einbeziehung pflegerischer Assistenzleistung, erbringt, bei gleichzeitiger pflegerischer Gesamtverantwortung des Pflegedienstes für die Qualität der Pflege.

Wohngruppenzuschlag gemäß § 38a SGB XI

Als Leistungen der Pflegeversicherung kommen auch spezifisch auf Wohngruppen ausgerichtete Leistungen in Betracht. Dazu gehört insbesondere der Wohngruppenzuschlag gemäß § 38a SGB XI. Der Wohngruppenzuschlag wird als monatliche Pauschale im Voraus von der Pflegekasse gezahlt und ist zweckgebunden. Hatte der Gesetzgeber zunächst die Organisation der Zusammenarbeit in der Wohngemeinschaft zum Ziel der Leistung erklärt, wurde die Ausrichtung erweitert: Der Zuschlag sollte auch die Organisation der Betreuung berücksichtigen. Die Ziele, die mit dem Wohngruppenzuschlag erreicht werden sollen, sind durch eine persönlich zu benennende Präsenzkraft umzusetzen. Nur sie und die von ihr wahrzunehmenden Aufgaben dürfen über den Wohngruppenzuschlag finanziert werden. Dabei ist die Aufgabenbeschreibung nicht eindeutig; nicht nur Managementaufgaben, sondern auch die Beteiligung in hauswirtschaftlichen Betreuungsaufgaben sind als solche für die Präsenzkraft vorgesehen. Hierbei beziehen sich die Präsenz auf die Gruppe und die Assistenz auf den je einzelnen Bewohner. Das Beziehen einer gemeinsamen Wohnung ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Wohngruppenzuschlags. Als weiteres Merkmal für Wohngruppen resp. Wohngemeinschaften, für die der Wohngruppenzuschlag in Anspruch genommen werden kann, gehört die gemeinschaftlich organisierte pflegerische Versorgung. Damit wird die direkte Selbstorganisation resp. mittelbare Selbstorganisation der Wohngruppen angesprochen. Ob auch trägerverantwortete Wohngemeinschaften in den Genuss des Zuschlags kommen, ist strittig; in jedem Fall wird der Zuschlag in selbstorganisierten Wohngemeinschaften gewährt [7].

Leistungen nach dem SGB V

Die zentralen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die in Wohngruppen und Wohngemeinschaften gewährt werden, sind die der häuslichen Krankenpflege. Dabei handelt es sich zumeist um Leistungen gemäß § 37 Abs. 2 SGB V, solche der sog. Behandlungspflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung. Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die in ihrer Art individuell vom Arzt verordnet werden müssen, spielen im Finanzierungsmix ambulant betreuter Wohngemeinschaften eine vergleichsweise große Rolle. Allerdings können Leistungen gemäß § 37 SGB V nicht gepolt werden. Faktisch werden Leistungen der häuslichen Krankenpflege gleichwohl zur Fachkraftabdeckung in Wohngemeinschaften genutzt, zumal zu den Aufgaben der Pflegefachkraft auch im Rahmen der häuslichen Krankenpflege die Steuerung des Pflegeprozesses im Zusammenhang mit behandlungspflegerischen Maßnahmen gehört. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege ist das Vorliegen einer eigenen Häuslichkeit. Die Frage, ob in Wohngemeinschaften eine eigene Häuslichkeit vorliegt oder nicht, war immer wieder umstritten. Der Streit kann inzwischen als in der Praxis zugunsten der Qualifizierung von Wohngemeinschaften entschieden gelten (LSG Essen, Urteil vom 21.08.2014, Az. L 5 KR 232/12; [10]).

Leistungen nach dem SGB XII

Sozialhilfeberechtigte Personen haben in Wohngruppen Anspruch auf ergänzende Leistungen. In der hybriden Organisationsform von Wohngemeinschaften stellen sich immer wieder leistungserbringungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege. Die Gewährung von Hilfe zu Pflegeleistungen in der Leistungsform des persönlichen Budgets ist in manchen Bundesländern bekannt, wird aber gleichwohl selten praktiziert [9]. In einigen Bundesländern sind gesonderte Leistungskomplexe für Wohngruppen vereinbart, so etwa Berlin. In anderen Bundesländern werden Leistungskomplexe, die auch in der häuslichen Pflege gewährt werden, auf Wohngruppen angewandt (Hamburg).

Eine Reihe von Sozialhilfeträgern prüft die ggf. mit der Versorgung in Wohngemeinschaften verbundenen Mehrkosten gegenüber einer vollstationären Versorgung streng und wendet hierbei das Nettoprinzip an. Das Nettoprinzip stellt neben der Höhe der Pflegehilfeleistungen die Mehrkosten in den Kostenvergleich ein, die sich aus den gemäß §§ 85 ff. SGB XII weiterhin geltenden Einkommensgrenzen für Bewohnerinnen und Bewohner von Wohngemeinschaften ergeben. Von ihnen kann der Einsatz ihres Einkommens unterhalb der Einkommensgrenze, § 88 SGB XII, nicht verlangt werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass in manchen Regionen sozialhilfeberechtigten Personen faktisch der Zugang zu ambulant betreuten Wohngemeinschaften versagt ist, wenn die Sozialhilfeträger den Mehrkostenvorbehalt konsequent geltend machen, § 13 SGB XII [10]. Für Bezieher*innen von Leistungen der Eingliederungshilfe stellen sich ab dem 01.01.2020 Fragen der angemessenen Kosten gemäß § 104 SGB IX.

Vertragsrecht und Vertragsgestaltung

Die Vertragsgestaltung für die an der jeweiligen Wohngemeinschaft beteiligten Akteure ist ihrerseits hybrid und je nach Grad der Selbstorganisation resp. der Trägerverantwortung unterschiedlich. Die Konzeptionen haben sich in den zivilrechtlichen Verträgen über das Wohnen und die Versorgung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften abzubilden. In der Sache geht es um die Kombination unterschiedlicher Vertragstypen, die auch für den klassischen Heimvertrag prägend und im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) geregelt ist. Das gemischte Vertragsverhältnis setzt sich aus einem Mietvertrag, aus Dienstverträgen und ggf. darüber hinaus gehenden Kooperationsvereinbarungen zusammen (Abb. 3).

Abb. 3
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Verträge für ambulant betreute Wohngemeinschaften (WG). WBVG Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz

Notwendig ist regelmäßig ein Pflegevertrag über die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen, sowohl nach dem SGB V als v. a. auch nach dem SGB XI. Für Pflegeverträge gelten eigenständige, im Sozialrecht verankerte Anforderungen, § 120 SGB XI. Auch haben sich für Pflegeverträge verbraucherschutzrechtliche Standards herausgebildet, etwa die jederzeitige Kündbarkeit. Ob darüber hinausgehende Leistungen der Assistenz in dem Pflegevertrag mitgeregelt oder aber einem gesonderten Vertrag überlassen wird, hängt zum einen davon ab, ob Assistenzleistungen durch einen eigenständigen Assistenzdienst oder aber durch den oder die Pflegedienste erbracht werden. Für Assistenzdienste gelten in der Regel keine speziellen Anforderungen über die im allgemeinen Dienstvertragsrecht niedergelegten hinaus. Die Trennung von Pflegevertrag auf der einen Seite und Assistenzvertrag auf der anderen Seite erhöht die Hybridität und die Selbstständigkeit der Bewohner einer Wohngemeinschaft. Sie provoziert jedoch gleichzeitig eine Reihe von Abgrenzungsfragen und setzt in aller Regel Kooperationsabreden zwischen Pflege- und Assistenzdienst voraus. Diese können nur aufeinander bezogen und durch Einbeziehung der Assistenzdienste in die Leistungserbringung des ambulanten Pflegedienstes zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen die Rund-um-die-Uhr-Versorgung unter fachlicher Anleitung garantieren. Während die Pflegeverträge von jedem Bewohner jederzeit kündbar sein müssen, gilt dies für Assistenzverträge so nicht. Sie können auch kollektiv abgeschlossen werden, da nur auf diese Weise die Rund-um-die-Uhr-Versorgung aller Bewohner sichergestellt werden kann. Insofern sind ggf. unterschiedliche Kündigungsrechte in den Verträgen vorzusehen. Die rechtliche Unabhängigkeit der Verträge, insbesondere des Miet- und des Pflege- resp. Assistenzvertrages ist Voraussetzung für die Anerkennung als selbstorganisierte oder selbstverantwortete Wohngemeinschaft. Werden die Verträge miteinander in ihrem Bestand verbunden, handelt es sich regelmäßig um anbieterverantwortete Wohngemeinschaften, für die dann auch durch die Koppelung der Verträge das WBVG mit den einheitlichen Kündigungsfristen und den besonderen verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen gilt [5, 12].

Die Verträge werden nicht selten von den zuständigen Behörden nach dem Landesheimrecht als Grundlage für die Beurteilung herangezogen, ob es sich um eine stationäre, um eine trägerverantwortete oder eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft handelt. In der Praxis finden sich eine große Variationsbreite von Vertragsgestaltungen und eine ebenso große Vielfalt von heimrechtlichen Bewertungen derselben. Dies kann insofern Probleme aufwerfen, als in ambulant betreuten Wohngemeinschaften grundsätzlich Vertragsfreiheit herrscht und Heimaufsichtsbehörden, mit Ausnahme des Landes Hessen, keine Kompetenz zur Vertragsprüfung haben [2].

Resümee

Ambulant betreute Wohngemeinschaften erfreuen sich immer größerer Resonanzen in der Bevölkerung ([8], s. auch [3]). Auch im Heim- und Sozialrecht sind sie inzwischen anerkannt. Die rechtliche Gemengelage macht es aber für alle Beteiligten zur anspruchsvollen Aufgabe, Wohngemeinschaften, v. a. solche in Selbstverantwortung der Bewohner*innen, zu gründen und zu betreiben. Ein Ausbau von Wohngruppen entspricht sowohl kleinräumig ausgerichteter Infrastrukturentwicklung als auch den Präferenzen in der Bevölkerung. Ob und wie er erfolgt, hängt auch von den landesrechtlichen Rahmenbedingungen und der „governance“ ab. Das zeigen die Zahlen über die Verbreitung ambulanter Wohngemeinschaften in den Bundesländern [10]. Die als hybrid bezeichneten ambulant betreuten Wohngemeinschaften befinden sich auch wegen der komplizierten Rechtslage in der Minderheit. Den Markt dominieren Geschäftsmodelle, die oftmals nicht sicherstellen, dass die privilegierenden Qualitätsmerkmale von Wohngruppen auch tatsächlich umgesetzt und verfolgt werden.