Zusammenfassung
Der Mensch ist sein Leben lang in ein Netz verschiedenster Zeiten verwoben und wird bis ins hohe Alter mit wechselnden Anforderungen an sein individuelles Zeithandeln konfrontiert. Mithilfe einer qualitativen Interviewstudie werden im vorliegenden Beitrag narrative Konstruktionen subjektiver Zeiterfahrungen und individuellen Zeithandelns von Menschen im Ruhestand untersucht. Im Mittelpunkt steht zum einen die Frage, wodurch das Zeiterleben der Älteren in den Dimensionen von Alltags- und Lebenszeit beeinflusst wird. Zum anderen interessiert, wie die Ruheständler/innen mit der Ambivalenz von alltäglichem Zeitreichtum und zunehmender biografischer Zeitarmut umgehen. Dazu wurden insgesamt 50 Interviews mit Ruheständlerinnen und Ruheständlern im Alter zwischen 56 und 91 Jahren geführt und nach den Prinzipien der „Grounded Theory“ ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass das Zeithandeln der Älteren im Zusammenspiel von Alltags- und Lebenszeit nicht reibungslos verläuft und insbesondere die individuelle Wahrnehmung zunehmender biografischer Zeitarmut Druck auf die Ausgestaltung des Ruhestandsalltags ausübt. Die daraus entstehenden Zeitkonflikte spiegeln sich in verschiedenen Mustern individuellen Zeithandelns wider, innerhalb derer die Älteren versuchen, mit den ambivalenten Zeiterfahrungen umzugehen.
Abstract
Throughout their lives people are confronted with different time resources and demands that change continuously up into old age. With the help of a qualitative interview study the narrative constructions of subjective time experiences as well as individual ways of dealing with time in retirement were investigated. In particular the influences of older persons’ experience of time within the dimensions of everyday time and life time were analyzed. In addition, the study focused on potential time conflicts between these two dimensions and the question of how older people deal with the ambivalence between everyday time wealth and biographical time poverty in older age. The results of the interviews with 50 retired men and women (aged 56–91 years) in Germany, which were analyzed with “grounded theory” techniques, indicated that time in retirement does not indeed always run smoothly. In particular, the individual perception of increasing biographical time poverty exerts pressure on the arrangement of activities and daily routine in retirement. The resulting time conflicts are reflected in differential patterns of time use through which older ersons try to cope with their ambivalent time experiences.
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Notes
„Altern als Zukunft“ ist ein interdisziplinär und international forschendes Projekt, in dem sich Wissenschaftler/innen aus Soziologie, Psychologie und Psychogerontologie der Untersuchung von Altersbildern, Vorsorgehandeln und Zeit im Alter widmen. Mehr dazu unter http://www.alternalszukunft.de.
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A. Münch gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Münch, A. Zeitliche Ambivalenzen des Alter(n)s. Z Gerontol Geriat 49, 10–14 (2016). https://doi.org/10.1007/s00391-015-0989-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00391-015-0989-6
Schlüsselwörter
- Ältere Menschen
- Alltagszeit
- Lebenszeit
- Konflikt
- Soziologie
Keywords
- Elderly
- Everyday time
- Life time
- Conflict
- Sociology