Zusammenfassung
In Deutschland fehlen bisher empirische Daten zum Thema „geistige Behinderung und Demenz“. Ziel der vorliegenden Befragung war es, aktuelle Daten über Demenz bei geistig behinderten Menschen zu erheben. Dabei sollte u. a. den Fragen nachgegangen werden, wie viele geistig behinderte Menschen an Demenz erkrankt sind, welche Schwierigkeiten bei der Demenzdiagnostik auftreten und welche Herausforderungen in den nächsten Jahren auf die Behinderteneinrichtungen zukommen. Die Befragung, an der sich 45 Einrichtungen der Behindertenhilfe beteiligten, ergab, dass bei geistig behinderten Menschen Demenz gehäuft in der 5. Lebensdekade auftritt. Standardisierte Diagnostikinstrumente finden in Einrichtungen der Behindertenhilfe kaum Anwendung. Die Verhaltensbeobachtung der Betreuer spielt bei der Demenzdiagnostik eine zentrale Rolle, da ein großer Teil der Bewohner nicht sprechen kann bzw. aufgrund der Intelligenzminderung nicht über Introspektionsfähigkeit verfügt. Für demenziell erkrankte Menschen gibt es in Behinderteneinrichtungen generell nur wenige spezielle zielgruppenspezifische Angebote im Wohn- und Freizeitbereich.
Abstract
No empirical data about the topic “Mental Disability and Dementia” in Germany exist. The aim of this survey was to obtain current data about mentally disabled people with dementia. Therefore, the following questions need to be clarified: how many mentally disabled people are affected with dementia, which difficulties occur regarding the diagnosis of dementia and what challenges have to be solved in upcoming years. In all, 45 organisations for the mentally disabled took part in the survey, showing that dementia amongst people with mental disabilities appeared largely starting at the age of 50. Standardized diagnostics are seldom used by these organisations. Instead, observation of behaviour by care attendants plays a central role, due to the fact that speaking and introspection are not possible for a majority of the patients. In general, institutions for people with mental disabilities do not have specific offers for people with dementia, occasionally there are offers regarding their living situation and free time activities.
Notes
Hilfebedarf von Menschen mit Behinderungen im Bereich Wohnen (HMB-W)/Hilfebedarf von Menschen mit Behinderungen im Bereich „Gestaltung des Tages“ (HMB-T) in Niedersachsen.
Die sich hier ergebenden Unterschiede in der Anzahl der an Demenz erkrankten Personen ist dadurch zu erklären, dass die Frage nach dem Geschlecht der Demenzkranken und der Altersgruppe der Demenzkranken nicht konsistent beantwortet wurde.
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Dankssagung
Wir danken Frau Dagmar Specht für die Unterstützung bei der Durchführung der Befragung. Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, PT AiF gefördert (Förderkennzeichen: 17S01X11).
Interessenkonflikt
Die korrespondierende Autorin gibt für sich und ihren Koautor an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Wolff, C., Müller, S. Die Lebenssituation von geistig behinderten Menschen mit Demenz in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Z Gerontol Geriat 47, 397–402 (2014). https://doi.org/10.1007/s00391-013-0504-x
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