Die allseits bekannten demographischen Veränderungen führen zu einer dramatischen Zunahme betagter Patienten. Die Zahl der über 70-jährigen Notfallpatienten wächst viermal schneller als die Bevölkerung über 70. Dies ist ein klarer Hinweis für die zunehmende Fragilität. Ältere Patienten benötigen zehnmal mehr Notaufnahmebetten als jüngere [1]. Neben internistischen und neurologischen Notfällen steigt vor allem auch das Unfallrisiko, vorrangig durch Stürze, im Alter deutlich an und übersteigt bei Weitem das Risiko bei jüngeren Altersgruppen [2]. Osteoporotische Frakturen, „fragility fractures“, stellen die häufigste Folge dar. Die Inzidenz von osteoporoseassoziierten Femurfrakturen steigt weltweit weiter an [3]. Damit verbunden ist eine enorme finanzielle Belastung für die Gesundheits- und Sozialsysteme der Länder [4].

Klinisch bleibt das Outcome dieser Patienten unbefriedigend. Die 1-Jahres-Mortalität nach einer Hüftfraktur liegt nach wie vor bei bis zu 30% [5]. Lediglich 50% der betroffenen Patienten erreichen wiederum ihren funktionellen Zustand vor dem Trauma [6]. Auch eine rezente Studie von Kammerlander et al. [7] zeigt deutlich die unbefriedigenden Langzeitergebnisse auf. Ein Viertel der Patienten blieb immobil, etwa 50% konnten das Haus nicht mehr selbstständig verlassen. Die 5-Jahres-Mortalität lag bei 69,1% [7]. Aber nicht nur Hüftfrakturen stellen eine große Herausforderung dar, zu den „fragility fractures“ zählen auch die proximalen Humerusfrakturen, Wirbelkörperfrakturen sowie Radiusfrakturen und auch Rippenfrakturen. Neben den osteoporotischen Frakturen stellen vor allem die begleitenden Komorbiditäten bzw. deren auslösende Ursachen und die Komplikationen große Anforderungen an die Betreuer dieser Patientengruppe. Neben der unmittelbaren Versorgung der Fraktur trat in den letzten Jahren die optimale Behandlung der Begleiterkrankungen, insbesondere auch der Osteoporose, in den Mittelpunkt des Interesses.

Die Unfallchirurgie hat diese Problematik erkannt und die Türen für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Geriatrie geöffnet. Erste positive Ergebnisse durch orthogeriatrisches Komanagement der Patienten publizierten Friedman et al. [8], u. a. konnte die Komplikationsrate reduziert und der Zeitraum bis zur Operation verkürzt werden. 2009 widmete sich ein Cochrane Review dem Thema „Multidisciplinary rehabilitation for older people with hip fracture“. Zwar konnte keine signifikante Verbesserung gezeigt werden, allerdings eine Tendenz zu einem besseren Outcome der Patienten durch ein Komanagement [9].

Die Alterstraumatologie hat sich auch im deutschsprachigen Raum sehr rasch und durchaus erfolgversprechend entwickelt. Augsburg, Basel, Nürnberg, Wien und Innsbruck haben die Vorreiterrolle übernommen. Im Detail sind die Konzepte noch recht unterschiedlich, gemeinsam ist ihnen aber die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Unfallchirurgie und Geriatrie, aber auch mit der Anästhesie. Zwei Konzepte mit ersten Ergebnissen können wir in diesem Sonderheft bereits vorstellen.

Auf die Bedeutung der Osteoporosetherapie haben wir bereits hingewiesen. Aktuell von großem Interesse sind zwei Studien. Jennings et al. [10] zeigen in einer großen amerikanischen Untersuchung auf, dass lediglich 2% der Patienten nach einer Hüftfraktur eine leitliniengerechte Osteoporosetherapie erhalten. Kammerlander et al. [7] fanden in ihrer Studie, dass mehr als 40% der Patienten mit einer Hüftfraktur bereits 5 Jahre zuvor eine osteoporotische Fraktur erlitten hatten. Die Osteoporosetherapie stellt leider immer noch ein klassisches Beispiel des „undertreatment“ im Alter dar [11]. In einer weiteren Arbeit der Tiroler Gruppe wird auf die aktuelle Therapie der Osteoporose nach einer Hüftfraktur eingegangen. Die positiven Auswirkungen sind auch hier deutlich erkennbar. In Anbetracht der hochaltrigen Patienten (in der Untersuchung waren 60% der Patienten 85 Jahre oder älter) stellen sich natürlich auch neue Fragen. Wer profitiert noch von einer Therapie, wo liegt der Benchmark in der Therapierate?

Alterstraumatologie bedeutet die kontinuierliche Betreuung der geriatrischen Patienten von der Notaufnahme bis zum Abschluss der Rehabilitation. Die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Rehabilitation und der Sekundärprävention unterstreicht der Beitrag „Risk assessment after hip fracture – check the ‚healthy‘ leg!“. Die Arbeit der Wiener Gruppe zeigt damit neue Wege in der Therapie auf.

Da die Evidenz in dieser Altersgruppe in vielen Fragen noch sehr gering ist, hat auch das Lernen an klinischen Fällen weiterhin einen hohen Stellenwert, sodass wir uns entschlossen haben, einen Fallbericht in dieses Sonderheft aufzunehmen.

Mit der Alterstraumatologie hat sich ein neues Feld eröffnet, sowohl im klinischen Alltag als auch in der Wissenschaft. Trotz aller Erfolge – das optimale klinische Konzept ist noch nicht gefunden, insbesondere auch im Hinblick auf die Kosteneffizienz, d. h. die Frage, was sind die entscheidenden Faktoren, die das Outcome der Patienten positiv beeinflussen. Wissenschaftlich ist dies ein weitgehend neues Gebiet. Bisher konzentrierten sich beinahe alle auf die proximale Femurfrakturen, für andere Frakturen haben wir nur sehr wenig bis keine Literatur zur Verfügung.

Damit gehen wir gemeinsam mit den Unfallchirurgen neue Wege und eröffnen vielfältige Chancen, zuallererst für unsere geriatrische Patienten, aber auch für unsere Fächer und das Gesundheitssystem an sich. Wir verabschieden uns vom rein fachspezifischen Denken und wenden uns einem ganzheitlichen, outcomeorientierten Ansatz zu, in dessen Mittelpunkt der geriatrische Patient steht.