Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird das Würdekonzept des Grundgesetzes in seiner Mehrdeutigkeit entfaltet und ein allein am Autonomiekonzept orientiertes Bild von Menschenwürde problematisiert. Das Doppelgesicht der Menschenwürde verlangt in besonderer Weise, sich um die Herstellung von Würde auch in Situationen zu sorgen, in denen Menschen gegebenenfalls nichts mehr bleibt als die „Autonomie des Augenblicks“ und sie verwiesen sind auf würdige Rahmenbedingungen und Würdigung in Interaktion und die Akzeptanz von Abhängigkeit. In einer solchen Akzentuierung des Würdekonzeptes und seiner Habitualisierung liegt eine der zentralen kulturellen Herausforderungen einer sich im demographischen und sozialen Wandel befindenden Gesellschaft, die ihre Solidaritätsfähigkeit unter Beweis stellen will.
Summary
In this article, the concept of dignity deriving from the German constitution is questioned in its ambiguity. An idea of human dignity solely aiming on self determination is challenged. There is an ambivalence containing an obligation to endeavour a person’s dignity in situations, where it only remains in the “autonomy of the moment”, referring to dignified determining factors, appreciation in interaction and the acceptance of dependency. To maintain solidarity by accentuating and habituating this concept of dignity, is one of the main cultural challenges in a society subject to demographic and social changes.
References
Bauer A, Klie T (2005) Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht—richtig beraten? 2 Aufl. Müller, Heidelberg
Bauer A, Klie T (Hrsg) (2005) Heidelberger Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, Loseblattsammlung. Müller, Heidelberg
Blinkert B, Klie T (2004) Solidarität in Gefahr? Vincentz, Hannover
Borsy A (Hrsg) (1989) Die Würde des Menschen im psychiatrischen Alltag, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen
Deutscher Bundestag, Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, (Kapitel B.1), Menschenwürde/Menschenrechte
Evers A, Olk T (1996) Wohlfahrtspluralismus, Vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft. Westdeutscher Verlag, Opladen
Fagerlin A, Schneider CE (2004) Enough: The failure of the living will, Hasting Center Report 34, Nr. 2, S 30–42
Ganner M (2004) Selbstbestimmung im Zivilrecht unter besonderer Berücksichtigung der Pflege und Betreuung alter und pflegebedürftiger Menschen. Habilitationsschrift
Heller A et al (2003) Palliative Kultur in der stationären Altenhilfe. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 36:360–365
Herriger N (2002) Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Kohlhammer, Stuttgart
Klie T (2002) Menschenwürde als ethischer Leitbegriff für die Altenhilfe. In: Blonski H (Hrsg) (2002) Ethik in Gerontologie und Altenpflege. Kunz, Hagen, S 23–138
Klie T (2003) Neue Nischen aufspüren—Demenz-ethische und juristische Aspekte, In: Hochschulbrief. Südwestdeutsche Fachhochschulen, S 15–23
Klie T, Krahmer U (Hrsg) (2003) Nähe und Praxis, LPK-SGB XI, 2 Aufl. Nomos, Baden-Baden
Koch-Straube U (1997) Fremde Welt Pflegeheim, eine ethnologische Studie. Huber, Bern
Kruse A (2005) Lebensqualität demenzkranker Menschen, In: Zeitschrift für medizinische Ethik 51 (1):S 41–57
Luhmann N (1973) Formen des Helfens im Wandel gesellschaftlicher Bedingungen. In: Otto HU, Schneider S (Hrsg) Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit. Neuwied, S 21 ff.
Nationaler Ethikrat, Patientenverfügungen—ein Instrument der Selbstbestimmung. www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf
Pleschberger S, Heimerl K (2003) Die Wünsche, die wir noch haben... Menschen in Altenpflegeheimen und ihre Sichtweise auf Würde im Leben, Sterben und Tod. Forschungsbericht des IFF, Wien
Schwerdt R (2005) Wärmende? Pflege von Menschen mit Demenz bei Alzheimerkrankheit. Anforderungen an die Qualifikation professioneller Helferinnen und Helfer. Zeitschrift für medizinische Ethik (51):S 59–76
Wetzstein V (2005) Alzheimer Demenz Perspektiven einer integrativen Demenz-Ethik, Zeitschrift für medizinische Ethik (51):S 27–41
Wehkamp KH (2004) Die Ethik der Heilberufe und die Herausforderungen der Ökonomie, Medizinethische Schriften, Heft 49. Humanitas, Berlin
Zentrum für Zivilgesellschaftliche Entwicklung, Selbstverständnis: www.zentrum-zivilgesellschaft.de
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Klie, T. Würdekonzept für Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf, Balancen zwischen Autonomie und Sorgekultur. Z Gerontol Geriatr 38, 268–272 (2005). https://doi.org/10.1007/s00391-005-0324-8
Received:
Accepted:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00391-005-0324-8