Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ausnahmsweise bietet diese Ausgabe von Intensivmedizin und Notfallmedizin kein einzelnes Leitthema sondern repräsentative Beiträge, die für die Breite der internistischen Intensivmedizin stehen. Der Anlass dafür ist die 43. gemeinsame Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin (ÖGIAIM) und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Das Leitthema dieser Tagung lautet „Facts and Fiction“ in der Intensivmedizin. Tatsächlich hat die Intensivmedizin seit ihrem Entstehen vor mehr als 50 Jahren eine ungeheure Entwicklung genommen, in der viele neue Konzepte vielversprechend waren und sind, andere aber auch wieder verworfen werden mussten. Stellvertretend dafür kann etwa die Entwicklung der Beatmungsstrategien gesehen werden, in der sich ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen hat, aber neuerdings auch wieder „alte“ Konzepte wie der Einsatz von Muskelrelaxanzien diskutiert werden.

In dieser Ausgabe finden Sie fünf Beiträge zu wichtigen Bereichen in der Intensivmedizin, die durch bedeutende Fortschritte oder noch immer offene Fragestellungen charakterisiert sind.

Die Intensivtherapie nach kardiopulmonaler Reanimation hat sich mit der Etablierung der therapeutischen Hypothermie entscheidend gewandelt. Es ist klar geworden, dass die Intensivtherapie in der Postreanimationsphase wesentlich zur Prognoseverbesserung beiträgt. Trotzdem gibt es noch immer viele offene Fragen, nicht zuletzt auch jene nach der bestmöglichen Prognosebeurteilung nach erfolgreicher Reanimation.

Der kardiogene Schock stellt weiterhin eine bedeutende Herausforderung in der internistischen Intensivmedizin dar. Die Evidenzlage für pharmakologische und mechanische Interventionen wie die intraaortale Ballonpumpe bietet unverändert hinreichend Stoff für viele Diskussionen. Der Fokus richtet sich meist auf den infarktbedingten kardiogenen Schock. Umso mehr ist das Motto „Facts and Fiction“ ein Grund, sich der Pathophysiologie und Therapie des nichtkoronar bedingten Schocks zu widmen.

Die extrakorporale Nierenersatztherapie ist ein etabliertes Verfahren der Intensivmedizin. Trotzdem sind viele grundlegende Fragen zu dieser Therapie nicht ausreichend beantwortet. Es ist daher auch aus pragmatischer Sicht zu fragen, wann, wie lange und wie eine Nierenersatztherapie durchgeführt werden soll.

Die ehemals so schwierige Diagnose der Pulmonalembolie ist mit heutigen bildgebenden Verfahren sehr viel einfacher geworden, sofern an diese bei vielen Notfallpatienten mögliche Differenzialdiagnose gedacht wird. Unverändert ist diese Erkrankung aber auch ein Beispiel dafür, wie sehr die klinische Beurteilung trotz vieler „facts“ das intensivmedizinische Management bestimmt.

Die erschwerte oder prolongierte Entwöhnung vom Respirator ist für viele Intensivstationen zum Alltag geworden. Dazu trägt unter anderem eine wachsende Zahl von multimorbiden Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen bei. Das Thema Respiratorentwöhnung illustriert sehr eindrucksvoll, dass die Evidenz aus klinischen Studien, wie etwa der sorgfältige und sparsame Umgang mit Sedierung und strukturierte Entwöhnungsversuche, in einen klinischen Benefit für die Patienten umgesetzt werden kann.

Wir hoffen, Ihnen mit diesen repräsentativen Beiträgen aus der internistischen Intensivmedizin einen guten Querschnitt aus dem Programm der 43. Jahrestagung der ÖGIAIM und DGIIN zu bieten und würden uns sehr freuen, Sie im Juni 2011 in Wien bei dieser Tagung begrüßen zu dürfen.

Univ. Prof. Dr. Andreas Valentin

Univ. Prof. Dr. Christian Madl