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Zur Mitverantwortlichkeit von Beschäftigten zweier Kliniken für in ihnen durch einen Intensivpfleger in Serie begangene Patiententötungen

StGB §§212, 27, 13; 222, 13; 78 Abs. 3 Nr. 4; StPO §§260 Abs. 3, 267 Abs. 4, 467

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Medizinrecht Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

1. Für eine Beihilfe durch Unterlassen muss der Gehilfe die Umstände kennen, aus denen sich die durch sein Unterlassen verletzte Handlungspflicht ergibt und zumindest dolus eventualis hinsichtlich der Verwirklichung der Haupttat haben.

2. Bedingt vorsätzliches Verhalten setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.

3. Bei der Beihilfe kommt es beim bedingten Vorsatz für dessen Abgrenzung von der bewussten Fahrlässigkeit darauf an, ob der Gehilfe nach dem ihm bekannten Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts noch auf dessen Ausbleiben vertrauen konnte oder ob sich sein Vertrauen auf einen guten Ausgang ohne tatsächliche Grundlage als bloß vage Hoffnung auf einen völlig dem Zufall überlassenen anderen Geschehensablauf darstellt.

4. Ist der Erfolg der Haupttat den Beteiligten eindeutig unerwünscht, steht das einem Einverständnis i.S.d. Eventualdolus nicht entgegen. Es kommt dann aber signifikant auf den bei den Beteiligten festzustellenden bekannten Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts an. Je mehr die Beteiligten von den Tötungstaten des Haupttäters wussten, umso weniger konnten sie darauf vertrauen, er werde keine weiteren Tötungen vornehmen.

(Leitsätze des Bearbeiters. Sie gelten für beide im Folgenden wiedergegebenen Entscheidungen gleichermaßen. In den Originalurteilen sind alle Personen jeweils mit (ggf. Prof./Dr.) XXX â bezeichnet. Für die folgenden 10 Personen ist diese Bezeichnung hier zur besseren Orientierung wie folgt ersetzt: für den schon zuvor rechtskräftig verurteilten Haupttäter durch N.H., H. bzw. Zeuge H.; für den Ärztlichen Leiter der kardiologischen Intensivstation 211 des Klinikums Oldenburg durch Prof. BB; für den Leiter des Bereichs Pflege dieser Station als dem unmittelbaren Vorgesetzten des N.H. durch CC; für den Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg durch AA; für die Pflegedirektorin des Klinikums Oldenburg durch DD und für den Ärztlichen Leiter der Anästhesieabteilung des Klinikums Oldenburg durch Prof. EE. Diese Bezeichnungen finden sich gleichlautend in OLG Oldenburg, BeckRS 2021, 21880. Im Beschäftigte des Klinikums Delmenhorst betreffenden Urt. sind zudem die beiden angeklagten Oberärzte mit OA und OB, die angeklagte Stellvertretende Pflegeleiterin der chirurgischen Intensivstation des Klinikums Delmenhorst mit SP und der gesondert verfolgte Pflegeleiter dieser Station mit P bezeichnet. Die größeren Auslassungen im die Delmenhorster Beschäftigten betreffenden Urt. unter A.I. Allgemeine Feststellungen und unter A. II. Verfahrens- und Ermittlungsverlauf stimmen annähernd wortgleich mit den im die Oldenburger Beschäftigten betreffenden Urt. entsprechenden und hier wiedergegebenen Passagen überein)

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LG Oldenburg, Urt. v. 13.10.2022 – 5 Ks 800 Js 70900/14 (23/19); betr. Beschäftigte des Klinikums Oldenburg. Zur Mitverantwortlichkeit von Beschäftigten zweier Kliniken für in ihnen durch einen Intensivpfleger in Serie begangene Patiententötungen. MedR 41, 573–582 (2023). https://doi.org/10.1007/s00350-023-6516-7

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