Zusammenfassung
1. Beruft sich ein Patient auf eine durch grobes ärztliches Fehlverhalten verursachte hypoxische Hirnschädigung, so muss er zunächst nur darlegen und beweisen, dass eine Verschlechterung des Zustandes des Gehirns gegenüber dem Zustand vor der ärztlichen Behandlung vorliegt. Dies gilt auch, wenn es sich um einen – etwa genetisch bedingt (hier: Down-Syndrom) – gesundheitlich vorgeschädigten Patienten handelt. Ob es sich dabei um einen hypoxischen Schaden handelt oder ob die Schädigung auf der genetischen Veranlagung beruht, ist dann eine Frage der Kausalität, nicht des Schadens.
2. Ein Arzt handelt grob fehlerhaft, wenn er ohne sorgfältige Prüfung ein vorbereitetes Rezeptformular unterschreibt und aushändigen lässt, das für einen fünf Wochen alten Säugling ein digitalishaltiges Medikament in achtfacher Überdosierung vorsieht.
3. Ob eine Schädigung sich als Primär- oder Sekundärschaden darstellt, kann nur anhand des konkreten Einzelfalles unter Beachtung einer natürlichen, nicht zu künstlicher Aufspaltung neigende[n] Betrachtungsweise entschieden werden. Ein Hirnschaden, der sich als Ergebnis einer im Körper in Gang gesetzten Kettenreaktion manifestiert, ist ein Primärschaden, bezüglich dessen Ursache bei einem groben Behandlungsfehler die Beweislastumkehr gilt.
4. Ein Apotheker handelt in grober Weise vorwerfbar pflichtwidrig, wenn er ein Medikament aushändigt, das für den Patienten erhebliche Gefahren mit sich bringt und dessen Verordnung ohne weiteres erkennbar nur auf einem Irrtum des Arztes beruhen kann.
5. Die bei der Arzthaftung anerkannte Umkehr der Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden gilt auch für die Haftung des Apothekers.
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OLG Köln, Urt. v. 7.8.2013 – 5 U 92/12 (LG Bonn) (nicht rechtskräftig) . Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Schaden und Kausalität bei grobem Behandlungsfehler des Arztes und bei grober Pflichtverletzung des Apothekers . MedR 32, 105–111 (2014). https://doi.org/10.1007/s00350-014-3623-5
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