Zusammenfassung
1. Frontale Hygrome mit frischen subduralen Blutungen sind für ein Schütteltrauma typisch. Bei dieser Befundkonstellation darf der Arzt die Diagnose dem Jugendamt offenbaren und den Verdacht einer Misshandlung mitteilen.
2. Der Verdacht eines mehrzeitigen Ereignisses und die Differentialdiagnose mehrfacher Traumata eines Kindes begründen nachvollziehbar den Verdacht einer Misshandlung.
3. Auch wenn ein Schädigungsmechanismus einer Kindesmisshandlung nur wahrscheinlich ist, darf der Arzt im Wege der Nothilfe dem Jugendamt den (differentialdiagnostischen) Verdacht mitteilen und das weitere Handeln in das Ermessen der Behörde stellen.
4. Behandelnde Ärzte sind bei unklarem Schädigungsmechanismus und nicht von der Hand zu weisenden Hinweiszeichen auf eine Kindesmisshandlung zu einer Verdachtsmeldung an das Jugendamt befugt. Die anschließende Tätigkeit der Behörde liegt nicht in der Verantwortung der behandelnden Ärzte.
5. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Eltern eines Kindes ist nicht verletzt, wenn eine ärztliche Mitteilung an ein Jugendamt über den Verdacht einer Kindesmisshandlung aus beruflichem Motiv im Rahmen des Heilauftrages an Mitarbeiter des Jugendamtes erfolgt, die ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
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LG Berlin, Urt. v. 11.5.2012 – 36 O 388/07; KG, Hinweisbeschl. v. 19.11.2012 – 20 U 163/12. Zur Offenbarungsbefugnis bei Hinweisen auf Kindesmisshandlung, aber unklarem Schädigungsmechanismus . MedR 31, 791–795 (2013). https://doi.org/10.1007/s00350-013-3581-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00350-013-3581-3