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Reform der Unterbringungsgesetze der Länder

GG Artt. 2 Abs. 2 S. 1, 19 Abs. 4; BGB §§1896, 1906 Abs. 1 Nr. 2; StGB §§61 Nr. 1, 63; PsychKG SN (2007) §§22 Abs. 1 S. 2, 23, 38 Abs. 1 S. 2

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Medizinrecht Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

1. Die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten greift in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein. Dies gilt unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt wird; ein Eingriff liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Betroffene der abgelehnten Behandlung keinen physischen Widerstand entgegensetzt. Auch die Einwilligung eines Betreuers nimmt der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter.

2. Zwar kann die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten gerechtfertigt sein; sie ist jedoch nur auf hinreichender gesetzlicher Grundlage zulässig. Eine solche gesetzliche Grundlage ist auch dann notwendig, wenn für den jeweiligen Eingriff gute oder sogar sachlich zwingende Gründe sprechen mögen.

3. Die Vorschrift des §22 Abs. 1 S. 1 PsychKG SN 2007 genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Grundlage einer medizinischen Zwangsbehandlung zur Erreichung des Ziels des Maßregelvollzugs (zu diesen Anforderungen s. BVerfGE 128, 282, 304ff. sowie BVerfGE 129, 269, 280ff.). §22 Abs. 1 S. 1 PsychKG SN 2007 ist an den dargelegten Maßstäben zu messen, obschon die Vorschrift – anders als die bislang verfassungsgerichtlich beanstandeten Regelungen – grundsätzlich die Einwilligung des Betroffenen selbst oder dessen gesetzlichen Vertreters verlangt. Zudem verfehlt sie trotz dieses Umstandes die verfassungsrechtlichen Anforderungen.

3a. So beschränkt §22 Abs. 1 S. 1 PsychKG SN 2007 die Zwangsbehandlung nicht auf Fälle, in denen dem untergebrachten Betroffenen die Einsichtsfähigkeit krankheitsbedingt fehlt. Insofern ist weder die Verweisung auf die Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend noch die Voraussetzung der Einwilligung des Betreuers. Die landesrechtliche Anknüpfung an das Vorliegen einer Einwilligung des Betreuers ist schon im Ansatz zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Anforderungen ungeeignet, da die in Bezug genommenen bundesrechtlichen Regelungen dem Betreuer keine Einwilligung in eine Zwangsbehandlung gestatten. Für den Betreuer folgt aus der gesetzlichen Vertretungsmacht nicht zugleich die Befugnis, einen entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu überwinden beziehungsweise eine Zwangsbehandlung seitens Dritter durch Einwilligung zu legitimieren. Auch soweit nach früherer Rechtsprechung des BGH (zur Änderung vgl. BGHZ 193, 337) in §1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine geeignete Rechtsgrundlage gesehen wurde, betraf dies ausschließlich Behandlungen im Rahmen einer nach dieser Vorschrift angeordneten Unterbringung.

3b. §22 Abs. 1 S. 1 PsychKG SN 2007 genügt auch nicht den weiteren aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen. So statuiert die Regelung keine zureichenden inhaltlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Auch die Ausgestaltung des Verfahrens wird diesen Anforderungen teilweise nicht gerecht. Es fehlt an einer angemessenen Regelung des Erfordernisses der vorherigen Bemühung um eine auf Vertrauen gegründete, freiwillige Zustimmung des Betroffenen. Des weiteren ist das Erfordernis einer hinreichend konkretisierten Ankündigung nicht zureichend geregelt. Auch eine vorausgehende, unabhängig von der Unterbringungseinrichtung durchgeführte Überprüfung der Maßnahme ist nicht vorgesehen.

3c. Angesichts der gewählten “Betreuerlösung” ist zudem nicht gesichert und für den Betroffenen nicht hinreichend erkennbar, wie er effektiven Rechtsschutz erlangen kann.

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BVerfG, Beschl. v. 20.2.2013 – 2 BvR 228/12 (OLG Dresden). Reform der Unterbringungsgesetze der Länder . MedR 31, 596–604 (2013). https://doi.org/10.1007/s00350-013-3507-0

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