Zusammenfassung
1. Muss sich die Partei, die einen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt, zur Begründung ihres Antrags zumindest in Teilen mit dem Inhalt eines komplexen mündlichen, unter Verwendung einer PowerPoint-Präsentation erstatteten Gutachtens auseinandersetzen, steht ihr für die rechtzeitige Stellung des Ablehnungsgesuchs i.S. des §406 Abs. 2 ZPO die vom Gericht nach §411 Abs. 4 ZPO gesetzte Stellungnahmefrist zur Verfügung. Zu einem früheren Zeitpunkt ist ein schuldhaftes Zögern der ablehnenden Partei i.S. des §406 Abs. 2 S. 2 ZPO nur unter ganz besonderen Umständen anzunehmen. An solchen fehlt es, wenn zwar die Person des Sachverständigen den Parteien frühzeitig bekanntgegeben wird, seine Ernennung jedoch erst während der mündlichen Verhandlung erfolgt.
2. Überschreitungen des Gutachtenauftrages können nur nach den Umständen des Einzelfalles die Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies kann der Fall sein, wenn der Sachverständige ohne Aufforderung Ausführungen zu einer möglichen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht tätigt. Dass sich aus der ihm überlassenen Verfahrensakte ausdrücklich erhobene Aufklärungsrügen der Kl. ergeben, steht der Annahme eines Ablehnungsgrundes nicht entgegen.
3. Die Homepage eines Sachverständigen, auf der dieser selbstverfasste Fachliteratur, Presseartikel, die auch seine Person betreffen, sowie Gerichtsurteile sammelt und auf diese Weise erkennen lässt, dass es nach seiner Auffassung infolge einer zu missbilligenden, am Gewinnstreben orientierten Organisation der Patientenversorgung in Krankenhäusern und Arztpraxen zu Patientenschädigungen kommt, drückt eine Hinwendung zu Patienteninteressen bei gleichzeitiger kritischer Distanz zu den Betreibern von Kliniken aus, die ein berechtigtes Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit in Arzthaftungsprozessen rechtfertigen. (Leitsätze der Bearbeiter)
Author information
Consortia
Rights and permissions
About this article
Cite this article
OLG Koblenz, Beschl. v. 24.1.2013 – 4 W 645/12 (LG Mainz). Sachverständigenablehnung wegen Überschreitung des Gutachtenauftrages und kritischer Homepage . MedR 31, 379–383 (2013). https://doi.org/10.1007/s00350-013-3438-9
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00350-013-3438-9