Abb. 1
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In unserer Sprechstunde stellte sich eine 35-jährige Patientin vor, welche über monokulare Doppelbilder links berichtet. Der bestkorrigerte Fernvisus betrug rechts/links 0,4 dezimal. Zum Zeitpunkt der Vorstellung befand sich die Patientin in Abklärung bezüglich eines Marfan-Syndroms. In der Untersuchung zeigte sich rechts/links eine Katarakt mit ausgeprägter Subluxatio lentis nach inferior-nasal bei fast vollständig fehlendem Zonulaapparat (a, b). In der Vorderabschnitts-OCT zeigte sich die optische Achse nicht mehr vollständig von der kristallinen Linse bedeckt (b). Bei visueller Beeinträchtigung wurde eine intrakapsuläre Kataraktextraktion mit Implantation einer retropupillär irisfixierten Intraokularlinse durchgeführt. Der postoperative Visus betrug s.c. 0,63 dezimal rechts/links. Eine Ectopia lentis kann posttraumatisch, im Rahmen einer okulären Grunderkrankung (z. B. dem Pseudoexfoliationsglaukom) oder kongenital auftreten. Isoliert, kongenital und bilateral tritt eine Subluxation im Rahmen einer Ectopia lentis simplex oder Ectopia lentis et pupillae auf. Bei ersterer Form zeigt sich die Linse nach superior-temporal luxiert. Eine Ectopia lentis et pupillae ist sehr selten und weist neben den asymmetrisch subluxierten kristallinen Linsen in die entgegengesetzte Richtung dezentrierte, atypisch entrundete Pupillen auf. Die häufigste Form der kongenitalen Ectopia lentis ist ein Auftreten im Rahmen des Marfan-Syndroms. Die Linse ist hierbei häufig nach superior-temporal luxiert, jedoch sind wie im vorliegenden Fall auch Subluxationen in andere Richtungen möglich. Weiterhin können lange, schlanke Finger und Handgelenke auf ein Marfan-Syndrom hinweisen, wie bei der Patientin der Fall (c). Davon abzugrenzende systemische Erkrankungen mit Ectopia lentis sind das Weill-Marchesani-Syndrom (WMS) oder eine Homozystinurie. Beim WMS ist die Subluxation nach inferior typisch und kann von einer Mikrosphärophakie begleitet sein. Bei Homozystinurie tritt die Ectopia lentis nach inferior oder nasal auf. Da im Rahmen dieser Erkrankungen Komplikationen an anderen Organsystemen häufig sind, ist eine Abklärung obligat. Die Spaltlampenaufnahme (a) und die Vorderabschnitts-OCT (b) zeigen die deutliche Subluxatio lentis nach inferior-nasal bei sehr spärlichen Zonulafasern (Pfeil). Nebenbefundlich zeigten sich auffällig lange, schlanke Finger und Handgelenke (c)