An deutschen Krankenhäusern wurden im Jahr 2016 64.839 Kinder als Frühgeborene, also noch vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (Gestationsalter ≤ 36 + 6 Wochen), entbunden (Daten: Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen [IQTIG]). Dies entspricht einer Frühgeburtenrate von 8,4 % aller Krankenhausgeburten. Zusammen mit der zunehmenden Anzahl der Geburten insgesamt ist auch die Anzahl der Frühgeborenen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen. So erhöhte sich allein in den vergangenen 5 Jahren die Anzahl der in neonatologischen Fachabteilungen behandelten Frühgeborenen um 20 % (Abb. 1).

Abb. 1
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Die Anzahl der Frühgeborenen in Deutschland ist über die vergangenen 5 Jahre kontinuierlich angestiegen. Dargestellt sind die Zahlen aller an deutschen geburtshilflichen bzw. neonatologischen Fachabteilungen behandelten Frühgeborenen, erhoben vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG)

Die Anzahl der Frühgeborenen in Deutschland ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen

Bei 11.854 dieser Kinder wurde im Jahr 2016 ein augenärztliches Screening auf Frühgeborenenretinopathie („retinopathy of prematurity“ [ROP]) durchgeführt. Dabei wurde in 417 Fällen eine höhergradige ROP (Stadium 3–5) festgestellt, und 233 Kinder benötigten eine Therapie der ROP. Interessierte können diese und andere relevante Daten zu Frühgeburtlichkeit und ROP in Deutschland in den Bundesauswertungen des IQTIG (www.iqtig.de/qs-verfahren/) und, aufgetrennt für die einzelnen neonatologischen Fachabteilungen in Deutschland, im Informationsportal des IQTIG (www.perinatalzentren.org) einsehen. Zu der zusätzlichen Zahl von Frühgeborenen, die außerhalb von neonatologischen Fachabteilungen augenärztlich untersucht oder behandelt wurden, liegen dagegen bisher keine bundesweit einheitlich erfassten Daten vor.

Von den 233 vom IQTIG erfassten ROP-Behandlungen im Jahr 2016 erfolgte die überwiegende Zahl (123 Fälle, 53 %) mittels intravitrealer Anti-VEGF(„vascular endothelial growth factor“)-Therapie, die übrigen mit Laserkoagulation, Operation oder sonstigen Verfahren. Dieser hohe Wert ist bemerkenswert, da die erste prospektive randomisierte Studie zur Anti-VEGF-Therapie der ROP (BEAT-ROP-Studie) gerade einmal 5 Jahre vorher veröffentlicht wurde. Angesichts der raschen Verbreitung dieser neuen Therapieoption der ROP ist die genaue Kenntnis der aktuellen Forschungsergebnisse zu ihren Anwendungsgebieten und -grenzen, Komplikationsrisiken und Langzeiteffekten für den behandelnden Augenarzt von zunehmender klinischer Relevanz.

Im vorhergehenden Leitthema „Frühgeborenenretinopathie“ in Der Ophthalmologe 12/2012 haben wir bereits die Grundlagen von Pathogenese, Screening und Therapie der ROP umfassend dargestellt [1,2,3,4]. Aufbauend auf diesen weiterhin aktuellen Übersichtsarbeiten werden in dem vorliegenden Leitthema die neuen Entwicklungen zur Therapie und Epidemiologie der ROP erläutert. Zunächst gibt A. Stahl einen Überblick über die aktuellen Studienergebnisse zur Anti-VEGF-Therapie der ROP, insbesondere auch der kürzlich veröffentlichen CARE-ROP-Studie zur Wirksamkeit von Ranibizumab. Anschließend beschreiben T.U. Krohne et al. den aktuellen Kenntnisstand zu den Langzeiteffekten der Anti-VEGF-Therapie der ROP und den resultierenden Konsequenzen für die klinische Anwendung. Die Originalarbeit von P.P. Larsen et al. beleuchtet dann anhand von ROP-Screeningergebnissen deutscher Universitätskliniken die Trends der ROP-Inzidenz über die letzten Jahre. Schließlich stellt die Originalarbeit von J. Walz et al. die aktuelle Auswertung der im Retina.net-ROP-Register erfassten Daten zur ROP-Behandlung in Deutschland dar.

Ich danke allen Autoren für ihre engagierte Mitarbeit an diesem Leitthema und hoffe, dass wir Ihnen als Leser mit den folgenden Beiträgen interessante und praxisrelevante Einblicke in die neuen Entwicklungen der augenärztlichen Versorgung der ROP bieten können

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