Dem Thema Myopie ist in der letzten Zeit viel Aufmerksamkeit zuteilgeworden – sowohl innerhalb unseres Faches und seinen Fachgesellschaften als auch in den allgemeinen Print- und TV-Medien. Der Grund liegt in der weltweiten Zunahme der Myopie und der umfassenden Berichterstattung in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften sowie der Anerkennung der Myopiezunahme als globales Gesundheitsproblem seitens der WHO.

Die Myopiezunahme ist ein globales Gesundheitsproblem

Die größten Zuwachsraten der Myopie finden sich allerdings in den ehemaligen Schwellenländern des asiatischen Raums, weil sich dort die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und damit die Alltagsgewohnheiten der Menschen in sehr kurzer Zeit stark verändert haben. So hat sich das Blick- und Sehverhalten der Menschen durch digitale Geräte und Bildschirme sichtlich in den Nahbereich verlagert. Wer aktuell in einer asiatischen Metropole eine U‑Bahn besteigt, kann sich ein eindrucksvolles Bild davon machen. So verbringen die Menschen und gerade auch Schulkinder immer mehr Zeit in geschlossenen Räumen als früher. Von einer biologisch gesehen beeindruckenden Anpassung des Auges an moderne Sehgewohnheiten zu sprechen wäre in diesem Zusammenhang sicher etwas zynisch, ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen. Es soll an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass die Thematik nicht ganz so neu ist, wie aktuelle Publikationen nahelegen, denn auch schon vor über 100 Jahren lag in den europäischen, bildungsnahen Schichten die Myopierate bei knapp 50 %.

Die Konsequenzen der Myopisierung sind offensichtlich: Optische Hilfsmittel sind lästig und führen zu enormen Kosten. Die augenärztliche Hauptsorge ist jedoch die mit hoher Myopie assoziierte Zunahme ernster Sekundärerkrankungen. Ein anderer, gerade auch praxisrelevanter Aspekt ist die Minderung der diagnostischen Zuverlässigkeit von z. B. OCT-Messungen im Bereich des Sehnerven, sodass bei eigentlich sonst augengesunden, aber myopen Menschen nicht selten falsch pathologische Befunde erhoben werden.

Unter dem Leitthema Myopie werden in dieser Ausgabe von Der Ophthalmologe 4 aufeinander aufbauende Artikel veröffentlicht, die den aktuellen Wissensstand zur Myopie zusammenfassen. Zunächst erläutert F. Schaeffel die aktuellen Vorstellungen zur Pathophysiologie und greift dabei auf seine umfassende, in diesem Bereich international führende Forschungsarbeit und -erfahrung zurück. Danach fassen S. Hopf et al. die bisher vorliegenden epidemiologischen Daten zusammen. Anschließend geben W. Lagrèze et al. eine Zusammenfassung der bisher verfügbaren Studien zu Maßnahmen der Progressionsminderung mit direkt umsetzbaren Empfehlungen für die klinische Praxis. Abschließend gehen F. Ziemssen et al. auf die sekundären Folgen bei insbesondere hoher Myopie ein.

Mir ist es an dieser Stelle ein großes Anliegen, allen Autoren dieser Serie sehr herzlich für die umfassenden und sorgfältig recherchierten Arbeiten zu danken, die – wie so häufig – ehrenamtlich mit viel Engagement für die Sache verfasst wurden. Ich hoffe, auch im Namen der Autoren, dass wir Ihnen das Thema Myopie hiermit als ein lebendiges und spannendes Feld mit vielen Neuerungen vorstellen können.

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Wolf A. Lagrèze