Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die Suche nach Alternativen zu den klassischen penetrierenden glaukomchirurgischen Verfahren hat in den letzten 15 Jahren zu einer Weiterentwicklung der nicht penetrierenden Operationsverfahren geführt. Sie zielen auf eine Reduktion der postoperativen Komplikationen, wie z. B. Hypotonie mit Vorderkammerabflachung und Aderhautabhebung. Die im Artikel von Frau Prof. Klemm beschriebene tiefe Sklerektomie bietet den Vorteil, dass sie mehrere Abflusswege des Kammerwassers erlaubt. Neben der Drainage des Kammerwassers über den skleralen See und den Schlemm-Kanal, ist auch ein subkonjunktivaler Abfluss möglich. Der Vorteil gegenüber der Trabekulektomie ist die Ausbildung eines mehr diffusen Sickerkissens, das nur sehr selten zystische Anteile aufweist. Durch die YAG-Goniopunktur besteht weiterhin die Möglichkeit, das Verfahren in einem zweiten Schritt in eine penetrierende Operation zu überführen. Der Verzicht auf eine Iridektomie bei den nicht penetrierenden Glaukomoperationen wirkt sich günstig auf die Kataraktogenität und die Visusentwicklung nach dem Eingriff aus. Der sich daraus ergebende positive Einfluss auf die Lebensqualität des Patienten ist nicht unerheblich.

Die nicht penetrierenden Operationsverfahren zielen auf eine Reduktion der postoperativen Komplikationen

Die Kanaloplastik ist eine neuere Technik, die sich aus der von Robert Stegmann beschriebenen Viskokanalostomie entwickelt hat. Sie zielt auf eine Druckregulation durch die Wiederherstellung des natürlichen Abflussweges. Auf die Ausbildung eines Sickerkissens wird bewusst verzichtet, um die damit einhergehenden Komplikationen wie Vernarbung, Blebitis und Endophthalmitis zu vermeiden. Der Wirkmechanismus der Kanaloplastik ist noch nicht sicher geklärt. Er scheint zum einen auf einem Pilocarpineffekt durch den in den Schlemm-Kanal eingezogenen Faden zu beruhen, zum anderen erzeugt die Dehnung des Trabekelmaschenwerks sicher Mikrorupturen, die ähnlich einer Trabekulotomie einzustufen sind. Inwieweit eine Vernarbung im Bereich des Trabekelwerks langfristig die Funktion der Operation beeinträchtigt, ist noch nicht bekannt. Die Möglichkeiten einer intraoperativen Einschätzung der Funktion des Abflusssystems, insbesondere des peripheren Anteils der Kollektorkanäle und Kammerwasservenen werden in dem Beitrag von Herrn PD Grieshaber dargestellt. Betrachtet man den drucksenkenden Effekt der Kanaloplastik, so scheint dieser etwas geringer im Vergleich zur Trabekulektomie zu sein. Die Zahl der Medikamente, die postoperativ zur Augeninnendrucksenkung benötigt werden, liegt höher verglichen mit der penetrierenden Chirurgie. Das komplikationsärmere Verfahren ist im direkten Vergleich die Kanaloplastik. Auch die Zahl der postoperativen Interventionen ist nach Kanaloplastik geringer. Gerade für Patienten mit erhöhtem Komplikationsrisiko, weit fortgeschrittenen Gesichtsfelddefekten oder eingeschränkter Möglichkeit der postoperativen Nachsorge ist die Kanaloplastik sicher eine Alternative zur Trabekulektomie. Im Beitrag von Herrn Prof. Körber wird die Möglichkeit, die Kanaloplastik auch als Zweiteingriff nach Trabekulektomie durchzuführen, aufgegriffen. Das individuelle Therapiespektrum für den Patienten kann damit interessant erweitert werden.

Die nicht penetrierenden Operationstechniken haben mittlerweile ihren festen Platz in der chirurgischen Therapie der Glaukome und stellen einen wichtigen Zwischenschritt in der Entwicklung von komplikationsärmeren Eingriffen mit hoher Effektivität dar. Zudem erweitern sie, wie in vielen anderen Bereichen der Ophthalmologie, die therapeutischen Optionen für unsere Patienten hin zu einer individualisierten, auf den Einzelnen zugeschnittenen Behandlung.

Thomas Klink