Die vitreoretinale Chirurgie hat in den letzten Jahren einen erheblichen Entwicklungsschub erlebt. Dies ist vor allem auf zahlreiche technische Neuerungen zurückzuführen. Moderne Vitrektomiemaschinen arbeiten mit stark gesteigerten Schnittraten, deutlich verbesserter Fluidik und effektiveren Pumpensystemen. Eine immer weiter fortschreitende Miniaturisierung des Instrumentariums erlaubt heute eine transkonjunktivale nahtlose Chirurgie im Glaskörperraum. Cutter, Scheren, Pinzetten sind als 23-, 25- oder auch 27-Gauge-Instrumente verfügbar und haben die 20-Gauge-Vitrektomie als Standard für fast alle operativen vitreoretinalen Eingriffe abgelöst. Verbesserte Systeme mit alternativen Lichtquellen zur Ausleuchtung des Auges, weiterentwickelte Weitwinkelbeobachtungssysteme und neue Mikroskoptechnologien sind verfügbar. Alle diese Veränderungen tragen wesentlich dazu bei, dass es uns möglich ist, das operative Trauma zu reduzieren, chirurgische Eingriffe sicherer zu machen und besonders auch den Komfort für den Patienten/die Patientin in der postoperativen Phase zu verbessern. Zu diesen mechanisch technischen Neuerungen gesellen sich nun auch zunehmend neue pharmakologische Aspekte und Ansätze, die das weite Feld der vitreoretinalen Chirurgie in Zukunft ergänzen und bereichern werden.

Bisher beschränkte sich die Pharmakotherapie im Rahmen vitreoretinaler Eingriffe im wesentlichen auf die intravitreale Antibiotikaapplikation zur Behandlung der Endophthalmitis oder überwiegend experimentelle Arbeiten zur Prävention der proliferativen Vitreoretinopathie, einer gefürchteten und nicht selten zur Erblindung führenden Komplikation der Netzhautablösung.

Im Bereich der retinologischen Pharmakotherapie hat sich die die intravitreale operative Medikamentenapplikation als neuer Standard zur Behandlung zahlreicher, vor allem vaskulärer retinaler Erkrankungen etabliert. Bemerkenswerte funktionelle und morphologische Therapieerfolge neuer intravitrealer medikamentöser Behandlungsstrategien verschiedener retinaler Gefäßerkrankungen wie diabetisches Makulaödem, Makulaödem bei retinalen Venenverschlüssen oder auch altersabhängiger Makuladegeneration wurden als Ergebnis zahlreicher, zum Teil groß angelegter klinischer Studien berichtet. So wurde gezeigt, dass sich bei diesen Erkrankungen durch den Einsatz von Hemmern des „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) erhebliche Visusverbesserungen in Verbindung mit einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität erreichen lassen.

Die intravitreale operative Medikamentenapplikation hat sich zur Behandlung vaskulärer retinaler Erkrankungen etabliert

Besonders die neovaskulären Komplikationen der retinalen venösen Gefäßverschlüsse oder der diabetischen Retinopathie, aber auch die ausgedehnten submakulären Blutungen im Rahmen der altersbedingten Makuladegeneration sind häufige Indikationen für vitreoretinale Eingriffe. Somit ist es nicht verwunderlich, dass diese neuen Standards auch – mit etwas zeitlicher Verzögerung – bei vitreoretinalen Chirurgen auf großes Interesse stoßen. Die genannten Substanzen kommen zunehmend, ohne dabei auf vergleichbare prospektive randomisierte Studien zurückgreifen zu können, in der vitreoretinalen Chirurgie zur Anwendung, z. B. als Hilfsmittel zur Reduktion des intra- und postoperativen Blutungsrisikos bei der chirurgischen Behandlung der proliferativen diabetischen Retinopathie und ihrer Komplikationen.

Neben dem Transfer von therapeutischen Strategien aus der Retinologie in den Bereich der vitreoretinalen Chirurgie gibt es aber auch neu entwickelte intravitreale pharmakologische Ansätze zur Behandlung von Erkrankungen, die bislang Domäne der vitreoretinalen Chirurgie waren. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Zulassung des Ocriplasmins zur pharmakologischen Behandlung traktiver Makulopathien wie dem Makulaforamen und dem vitreomakulären Traktionssyndrom. Die pharmakologische Vitreolyse wird sicherlich in Zukunft auch im Kontext der Therapie anderer Erkrankungen relevant, in deren Entstehung pathologische Adhärenzen des Glasköpers im Bereich der vitreoretinalen Grenzfläche diskutiert werden, wie der altersabhängigen Makuladegeneration oder dem diabetischen Makulaödem.

Mit dem Leitthema „Pharmakotherapie in der vitreoretinalen Chirurgie“ möchten wir einen Überblick über wichtige aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich geben. Neben einer Darstellung von Verfahren, die bereits in der klinischen Routine eingesetzt werden, wie z. B. der intraoperative Einsatz von VEGF-Hemmern, oder unmittelbar am Anfang der klinischen Anwendung stehen, wie die enzymatische Vitreolyse, soll ein weiterer Schwerpunkt auf zukunftsweisende experimentelle Ansätze im Bereich der Pharmakotherapie der vitreoproliferativen Retinopathie und die Möglichkeiten der Neuroprotektion im Rahmen vitreoretinaler Eingriffe gelegt werden.

Mein Dank gilt allen Autorinnen und Autoren für die Bereitschaft, ihre Expertise in die Gestaltung dieses Leitthemas einzubringen.

Prof. Dr. med. Christos Haritoglou