Infektionen mit sog. Superbugs, Bakterien, die gegen alle bekannten Antibiotika resistent sind, „geistern“ immer wieder durch die Tagespresse. Was ist daran an diesen Berichten? Welche multiresistenten Erreger gibt es? Wie entstehen die Resistenzen und wie kann ich sie nachweisen? Welche Bedeutung haben multiresistente Erreger in der Augenheilkunde? Und letztendlich, wie behandelt man bakterielle Infektionen am und im Auge? Diese Fragen wollen wir mit dem Leitthema Multiresistente Erreger in der Augenheilkunde beantworten.

Resistente Erreger sind so lange bekannt, wie es Antibiotika gibt. Auch multiresistente Erreger sind keine neue Erfahrung. Der am weitesten verbreitete multiresistente Erreger ist MRSA. MRSA steht für methicillinresistenter Staphylococcus aureus. Neben der Resistenz gegen Methicillin trägt er aber auch weitere Resistenzen gegen eine Vielzahl anderer Antibiotika. MRSA kennt man schon seit 1961. Bereits 1 Jahr, nachdem Methicillin, ein penicillinasefestes Antibiotikum, auf den Markt kam, wurde über diesen multiresistenten Keim berichtet. Intensiver Antibiotikagebrauch und mangelnde Krankenhaushygiene haben zu der weiten Verbreitung von MRSA beigetragen. In Ländern mit hohem Antibiotikaverbrauch liegt der Anteil von MRSA unter den Isolaten von Staphylococcus aureus bei bis zu 80% (USA). In Ländern mit geringem Antibiotikaverbrauch wie in Skandinavien liegt der Anteil unter 1%. Ähnlich verhält es sich mit vancomycinresistenten Enterokokken (VRE) und Enterobacteriaceae mit „extended spectrum Betalactamase“ (ESBL). Ursprünglich waren diese Keime typische Krankenhauskeime. Auch heute verursachen sie durch im Krankenhaus erworbene Infektionen einen nicht unerheblichen Schaden, sowohl bei den betroffenen Patienten als auch für die Volkswirtschaft. Mittlerweile gibt es aber v. a. für MRSA und VRE Varianten, die ohne Krankenhausaufenthalt weitergegeben werden. Sie werden „community-aquired“ genannt.

Wichtig ist es, zwischen Kolonisation und Infektion zu unterscheiden. Bei der Kolonisation ist der Betroffene auf den Schleimhäuten oder der Haut mit MRSA besiedelt, ohne dass er selber an diesem Keim erkrankt. Dies kann z. B. für Altenheimbewohner oder medizinisches Personal gelten. Da MRSA nicht pathogener als der sensible Verwandte Staphylococcus aures ist, stellt die Besiedelung an sich bei Gesunden kein Problem dar. Kommt es jedoch zu einer Infektion mit MRSA durch Kontamination von Wundflächen, so sind die Behandlungsoptionen auf wenige Antibiotika beschränkt. Daher ist es sinnvoll, besiedelte Personen soweit möglich zu dekolonisieren. Dies erfolgt nicht durch Antibiotikatherapie, sondern durch desinfizierende Körper- und Haarwaschmittel und desinfizierende Salben für die Schleimhäute. Antibiotika sollten hierfür nicht eingesetzt werden, um weitere Resistenzen zu vermeiden.

Die Verbreitung der resistenten Keime erfolgt durch Weitergabe von einem Patienten zum nächsten. Die Gabe von Antibiotika fördert dabei die Verbreitung, da die sensiblen Stämme reduziert und die resistenten gefördert werden. Für MRSA gibt es nur wenige genetische kodierte Resistenzen, die sich allein über diesen Weg verbreiten. VRE und ESBL können über Plasmide, kleine DNA-Ringstrukturen, die von einem Bakterium zum nächsten weitergeben werden, weitere Resistenzen erwerben.

Neben einer restriktiven Antibiotikagabe können umfassende Screening- und Isolierungsmaßnahmen wie z. B. in den Niederlanden zu einer Reduktion der MRSA-Raten führen. Nur der schnelle und sichere Nachweis von multiresistenten Erregern erlaubt eine effektive Antibiotikatherapie. Im Labor lassen sich multiresistente Erreger nur mit speziellen Verfahren sicher nachweisen. Dies sind sowohl phänotypische als auch molekularbiologische Verfahren. Das Problem der Infektion mit einem multiresitenten Erreger macht auch vor der Augenheilkunde nicht halt. Insbesondere Infektionen mit MRSA sind in der Augenheilkunde keine Seltenheit mehr, während solche mit VRE noch selten und mit ESBL noch nicht beschrieben wurden. Typische Infektionen durch MRSA sind Tränensackentzündungen, Konjunktivitis und Keratitis, insbesondere nach refraktiv chirurgischen Eingriffen und endogene oder postoperative Endophthalmitis.

Unter diesem Gesichtspunkt sollte der Einsatz von Antibiotika in der Augenheilkunde sinnvoll und zielgerichtet erfolgen.

Thomas Neß