Zusammenfassung
Im Rahmen der Fahreignungsbegutachtung stellt sich häufig die Frage, ob Gesichtsfelddefekte durch Erfahrung, Blick- und Kopfbewegungen kompensierbar sind. Zunächst ist anzumerken, dass monokulare Gesichtsfelddefekte in der Regel durch ein intaktes Gesichtsfeld des zweiten Auges kompensiert werden. Sie sind somit in der Regel unproblematisch, entscheidend sind Defekte im binokularen Gesichtsfeld. Eine Besonderheit ist die komplette bitemporale Hemianopsie, bei der dem Betrachter eine dreidimensionale räumliche Zone hinter dem Fixationspunkt fehlt, da kein binokulares Gesichtsfeld mehr vorhanden ist. Bei derartigen Defekten besteht noch eingeschränkte Fahreignung, zumindest für bestimmte Verkehrsbereiche. Problematisch sind manifeste Defekte im binokularen Gesichtsfeld, beispielsweise infolge eines Sehbahnschadens. Auch durch eine beidseitige Glaukomerkrankung, durch eine ausgeprägte diabetische Retinopathie sowie im Prinzip durch alle Erkrankungen, die beide Augen betreffen, können binokulare Gesichtsfelddefekte entstehen. Hier besteht in der Regel keine Kompensationsmöglichkeit, auch nicht durch Sakkadenblicktraining etc.. Derartige Maßnahmen können eine gewisse Kompensation für den Alltag erbringen, aber keine vollständige Eignung für den Verkehr rehabilitieren. Seltene Ausnahmen sind angeborene oder frühkindlich erworbene Sehbahnschäden, die in einer Phase der Plastizität des visuellen Systems entstanden sind, in der das Gehirn noch die Möglichkeit hat, tatsächlich Kompensationsmechanismen durch eine Änderung des unbewussten Blickverhaltens zu entwickeln.
Abstract
Is it possible for a driver to compensate for visual field defects by skill along with eye and head movements? Monocular field defects with a normal second eye are no problem, because a normal binocular visual field is adequate for all areas of traffic. A total bitemporal hemianopia creates a special situation, because the patient loses a three-dimensional space behind a vertical line through the point of fixation. He may have no binocular visual field. In this case the ability to participate in certain traffic situations may be limited with reduced risk profile. A real problem is posed by defects in the binocular visual field, e.g., due to lesions of the suprachiasmal visual pathway or due to ocular diseases causing damage to both eyes (e.g., glaucoma, diabetic retinopathy, etc.). Such defects usually cannot be compensated for, neither by skill nor by eye or head movements. Saccadic eye movement training and other procedures are only of limited help. These procedures may provide some compensation for daily use; a complete restoration of the ability to participate in traffic is not possible. Rare exceptions may be patients with damage to the visual pathway acquired peri- or postnatally or in early childhood when there is still enough plasticity in the visual system to develop mechanisms of compensation by completely changing the system of eye and head movements.
Literatur
Empfehlung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands zur Fahreignungsbegutachtung für den Straßenverkehr, 3. Aufl, Heidelberg, 2003
Lachenmayr B, Vivell PMO (1992) Perimetrie. Thieme, Stuttgart New York
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Referat anlässlich der Jahrestagung der DOG 2004.
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Lachenmayr, B. Sind Gesichtsfeldausfälle kompensierbar?. Ophthalmologe 103, 382–386 (2006). https://doi.org/10.1007/s00347-005-1267-6
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00347-005-1267-6
Schlüsselwörter
- Gesichtsfelddefekte und Verkehr
- Kompensation von Gesichtsfelddefekten
- Monokulare Gesichtsfelddefekte
- Bitemporale Gesichtsfelddefekte
- Binokulare Gesichtsfelddefekte