Auf dem 121. Deutsche Ärztetag vom 08. bis 11. Mai 2018 wurden u. a. wichtige Beschlüsse zur Novellierung der Muster-Weiterbildungsordnung gefasst, hierunter auch Titel, Definitionen und Mindestanforderungen (sog. Kopfteil) für die Zusatz-Weiterbildungen (ZWB). Für die ZWB „Manuelle Medizin“ beinhaltet die Beschlussfassung eine nichtakzeptable, qualitätseinschränkende Neuerung dahingehend, dass zukünftig nach Erlangung einer Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung die Kursweiterbildung über 320 h alternativ durch 12 Monate Weiterbildung unter Befugnis an dafür geeigneten Weiterbildungsstätten ersetzt werden kann. Im Vorfeld des Deutschen Ärztetags fand ein ausführlicher Meinungsaustausch zwischen Vertretern der Bundesärztekammer (BÄK) und der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) statt, wobei die DGMM vonseiten der BÄK über die von ihrer Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ geplanten Änderung zur Ersetzbarkeit der Kursweiterbildung durch eine 12-monatige klinische Tätigkeit völlig im Unklaren gelassen wurde. Die Information erreichte die DGMM erst nach Abschluss der beratenden Gespräche mit der BÄK einige Tage vor dem Deutschen Ärztetag. Hierdurch waren die Reaktionsmöglichkeiten der DGMM im Vorfeld des Ärztetags massiv eingeschränkt. Trotz der Kürze der Zeit übersandte die DGMM vor dem Ärztetag noch eine Stellungnahme an die Ständige Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der BÄK zu der zu erwartenden Qualitätsverminderung und wohl nicht möglichen Umsetzbarkeit der Ausbildung im klinischen Alltag und der dadurch zu befürchtenden Reduktion der Patientensicherheit (Anhang). Ergänzend wurde mit Unterstützung von Prof. Johannes Buchmann über die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern ein Beschlussantrag an den Ärztetag gestellt, die alternative Möglichkeit des Erwerbs der ZWB „Manuelle Medizin“ über 12 Monate klinische Weiterbildung wieder zu streichen. Dieser Antrag wurde allerdings nicht zur Diskussion auf dem Ärztetag zugelassen. Trotz aller kurzfristig noch möglichen Interventionsmöglichkeiten, die u. a. auch von der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR) und dem Berufsverband der Rehabilitationsärzte Deutschlands durch entsprechende Eingaben an den Präsidenten der BÄK und die Delegierten des Ärztetags unterstützt wurden, konnte die für die manuelle Medizin als äußerst negativ einzustufende Änderung zum Erwerb der ZWB nicht verhindert werden.

Allerdings ist von der negativen Entwicklung nicht nur die manuelle Medizin betroffen, zumindest teilweise ist auch bei den ZWB Ernährungsmedizin, Homöopathie, Krankenaushygiene, Naturheilverfahren, Palliativmedizin, Sexualmedizin und Sportmedizin ein Ersatz einer Kursweiterbildung durch klinische Tätigkeit möglich. Bei Durchsicht des Beschlussprotokolls des 121. Deutschen Ärztetags zeigt sich wohl unter dem Eindruck des zunehmenden Ärztemangels eine gewisse Systematik hin zu einer Vereinfachung der Weiterbildung im Sinne von geringeren Kosten und geringerem Zeitaufwand für die weiterzubildenden Kollegen. So wurde beispielhaft auch eine für die Akupunktur beantragte Erhöhung der Ausbildungsstunden von 200 auf 300 h abgelehnt mit der Begründung zusätzlicher Kosten für den Arzt.

Zukünftig kann die Kursweiterbildung über 320 h durch 12 Monate klinische Weiterbildung ersetzt werden

Sicherlich besteht die Notwendigkeit, dem Ärztemangel entgegenzuwirken, allerdings muss hier wie im Fall der ZWB „Manuelle Medizin“ die Sinnhaftigkeit einer Ausbildungsvereinfachung auf Kosten der Qualität und der Patientensicherheit infrage gestellt werden. Als irritierend stellt sich zudem die Tatsache dar, dass insbesondere ZWB von der Vereinfachung betroffen sind, die einen großen Anteil der „sprechenden Medizin“ beinhalten. Gerade die „sprechende Medizin“ wird in einem aktuellen Referentenentwurf des Ministeriums für Gesundheit zu einem Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung als wesentlich angesehen und soll durch eine bessere Vergütung gestärkt werden.

Für die manuelle Medizin ist es von entscheidender Bedeutung, dem drohenden Qualitätsverlust und der drohenden Reduktion der Patientensicherheit entgegenzuwirken und die in den letzten Jahren diesbezüglich erzielten Errungenschaften zu bewahren und weiterzuentwickeln. Berufspolitisch bleibt hier aktuell primär nur die Möglichkeit, auf Ebene der Landesärztekammern die Umsetzung der Muster-Weiterbildungsordnung im Sinne der manuellen Medizin zu begleiten und auf entsprechend qualitativ hohe Anforderungen an die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis hin zu arbeiten. Dies gelingt umso besser, desto umfassender die Inhalte der manuellen Medizin wissenschaftlich untermauert sind.

Ich möchte daher alle Mitglieder der DGMM und Unterstützer der manuellen Medizin aufrufen, sich an der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der manuellen Medizin zu beteiligen und, wenn möglich, ihren persönlichen Einfluss in den Landesärztekammern auf die entsprechenden Entscheidungsgremien geltend zu machen. Nur so kann zum Nutzen der Patienten das bisher Erreichte für die manuelle Medizin erhalten und ausgebaut werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Rigobert Klett