Liebe Leserinnen, liebe Leser,

hatten Sie einen Sommer mit Urlaub und Entspannung?

Noch vor dem Sommer haben sich die Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) und auch andere europäische Gesellschaften mit gesundheitspolitischen Fragen auseinandergesetzt, die auch die manuelle Medizin betreffen. Die European Society of Manual Medicine (ESSOMM) schloss die erste Etappe der Entwicklung eines europäischen Curriculums in manueller Medizin ab. Die DGMM musste Vorschläge für eine neu gestaltete Gebührenordnung für Ärzte erörtern und einbringen. Die Bundesärztekammer hatte aufgefordert, die Weiterbildungsordnungen auch für die Zusatzweiterbildungen zu überarbeiten. Dabei taucht die Frage auf, ob neben oder zusätzlich zu der Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin auch Osteopathie in diesem Rahmen geregelt werden soll.

Interessanterweise treten die noch vor einigen Jahren vehement formulierten Unterschiede zwischen manueller Medizin und einer „osteopathischen Medizin“ in den Beiträgen unserer Zeitschrift immer mehr in den Hintergrund. Sehr häufig wird von manualmedizinisch-osteopathischer Behandlung gesprochen, was ja dem Leitsatz der DGMM „Osteopathie ist Bestandteil und Erweiterung der manuellen Medizin“ entspricht. Dies geschieht wiederum im Einklang mit einer Erklärung der französischen Akademie für Medizin, die manuelle Medizin als sanfte Medizin einordnet und ihr Osteopathie und Chiropraxis unterordnet.

Gar keinen Widerspruch zwischen evtl. unterschiedlichen Meinungen zu diesem Thema gab es beim Symposium „Manuelle Medizin in Klinik und Praxis – Quo vadis?“, das im Juni anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Klinik für Manuelle Medizin in Sommerfeld (Kremmen) stattfand.

Ein Ausbau der wissenschaftlichen Basis ist dringend erforderlich

Nach ihren Vorträgen trafen sich die Referenten verschiedener Fachdisziplinen, die Schnittmengen der manuellen Medizin und Schmerztherapie teilen, auf dem Podium. Die Diskutanten waren stolz auf das bisher Erreichte in den konservativen orthopädischen Kliniken, den Rehakliniken und den manualmedizinischen Ambulanzen. Einig war man sich auch darüber, dass dieses Erreichte eine gute Grundlage für den dringend erforderlichen Ausbau der wissenschaftlichen Basis sein kann. Dies wird erschwert durch mangelnde Bindung an universitäre Einrichtungen sowie zu geringe Kapazität an frei einsetzbaren personellen und finanziellen Ressourcen. Trotzdem war eine Atmosphäre spürbar, die der Vision Auftrieb gab, die Versorgungsforschung im Bereich der manuellen Medizin selbst in die Hand zu nehmen. Eine Vision, zu deren Realisierung fast jeder Manualmediziner ein Scherflein beitragen kann.

In diesem Heft finden Sie historisch-polemische Überlegungen von Tilscher zum spezifischen und unspezifischen Kreuzschmerz: „Retrospektiv kann von einer einheitlichen Erstellung der später gefundenen Grundsätze nicht gesprochen werden.“

Richter u. Mohokum geben eine Analyse zur Problematik „Selbstmanagement in der Manualtherapie bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen“. Sie fordern: „Der Patient muss lernen, sich vom Therapeuten zu lösen und selbst Verantwortung zu übernehmen. Die Erreichung dieses Ziels liegt in der Verantwortung des therapeutischen Teams, das stringent die Reaktivierung, Funktionsverbesserung und positive Bestärkung der Patienten im Fokus haben muss.“ Vorgestellt werden eigene Erfahrungen auf dem Weg zu diesem Ziel.

Auf der Suche nach Belegen für die therapeutische Wirkung manualmedizinisch-osteopathischer Behandlung im Bereich der Kopfgelenke und im kraniomandibulären Bereich untersuchten Plato et al. „Änderungen im EEG nach manueller/osteopathischer Therapie und Atlasimpuls nach Arlen während der Therapie mit Aufbissbehelfen“. Aus ihren Ergebnissen leiten sie ab, dass sich „die unmittelbare sehr rasche Reaktion in anatomisch voneinander weitab liegenden Gebieten und Systemen auf den mechanischen manuellen bzw. osteopathischen Eingriff nicht nur durch eine lokale Änderung der Stellung der Gewebe zueinander erklären lässt, sehr wohl aber durch eine Reaktion des autonomen und zentralen Nervensystems“.

Winkelmann et al. widmen sich der Frage, welche didaktischen Aspekte explizit in Bezug auf die aktive Tastsinnesleistung in Vorbereitung oder während einer manualtherapeutischen Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigen sind. Nach einer Übersicht über die Qualifikationsziele in der manuellen Therapie werden auch die darin enthaltenen Qualifikationsziele zur aktiven Tastsinnesleistung und die dafür erforderlichen objektiven Test- und Trainingsverfahren vorgestellt. Die Autoren folgern: „Aufgrund der starken interindividuellen Schwankungen der haptischen Schwelle ist der Einsatz valider, praktikabler Test- und Trainingssysteme insbesondere zur Vorbereitung auf und während manualtherapeutischer Aus- und Weiterbildung relevant.“

Bitte beachten Sie auch, dass jetzt regelmäßig Informationen zu relevanten neueren Publikationen als Newsletter von der ForschungsBeratungsStelle (FBS) Manuelle Medizin der ÄMM in Jena erstellt werden.

Abschließend möchten wir Sie noch informieren, dass gemeinsame Aktivitäten der DGMM und des Springer-Verlags die Voraussetzung dafür bilden, mit Beginn des kommenden Jahres gute wissenschaftliche Beiträge in englischer Sprache als Open-Access-Artikel veröffentlichen zu können. Dieses Verfahren bietet die Möglichkeit einer größeren Verbreitung der hier publizierten Ergebnisse, und wir hoffen, damit in den nächsten Jahren die Bedeutung unserer Zeitschrift deutlich zu steigern, indem die Manuelle Medizin einen höheren Index von Zitationen erreicht.

Mit freundlichen Grüßen

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Lothar Beyer