Die bewussten und unbewussten Bewegungen sind im täglichen Leben zahlreichen Einflüssen und Störmöglichkeiten ausgesetzt. Diese Einflüsse können physischer, biologischer, lebensgeschichtlicher, psychosozialer, sportlicher oder beruflicher Natur sein oder aus einem Zusammenspiel mehrerer genannter Faktoren resultieren. Das somatische Korrelat der Funktionsstörung (Dysfunktion) ist die mehr oder weniger schmerzhaft imponierende Veränderung der Bewegungsqualität und -quantität unter Einbeziehung der zugehörigen neuronalen und neuralen Netzwerke sowie der myofaszialen Strukturen. Eine initial subjektiv unbemerkte Funktionsstörung kann sich im zeitlichen Verlauf auf umliegende Strukturen (z. B. Tendomyosen, Triggerpunkte) und auch anatomisch diskontinuierlich auf weiter entfernt liegende Regionen ausdehnen und so strukturelle somatische Veränderungen oder persistierende nichtphysiologische Veränderungen innerhalb neuronaler Netzwerke (z. B. zentrale Sensibilisierung, Schmerzchronifizierung) nach sich ziehen. Eine eingehende Übersicht zum aktuellen Stand muskuloskeletaler Dysfunktion und Schmerz und zu den Möglichkeiten der manuellen Medizin bei deren Diagnostik und Behandlung geben H.‑R. Casser und H.-G. Schaible [1].

Die frühen pathogenetischen Prozesse der Funktionsstörung entziehen sich in der Regel den gängigen diagnostischen Verfahren (Bildgebung, instrumentelle Verfahren, Elektrophysiologie, Labor), sind aber der subtilen Palpation und Funktionsuntersuchung nach den Regeln der manuellen Medizin zugänglich, woraus sich der besondere Wert der manuellen Medizin im Hinblick auf die genannte Problemstellung ableitet.

Im Zeitfenster, in dem sich dysfunktionelle und schmerzhafte Störungen zu versorgungsrelevanten Erkrankungen auswachsen, soll die Ätiopathogenese dieser Störungen am Bewegungssystem untersucht und aufgeklärt werden. Das Ziel ist, derartige Störungen und ihre Ätiologie früher zu erkennen, um präventiv funktionelle Fixierung und Chronifizierung frühestmöglich zu unterbinden. Hier sind insbesondere die diagnostischen und therapeutischen Methoden der manuellen Medizin als geeignet erkannt worden. Hypothesen und Aussagen zu diesen Sachverhalten publizierten P.W. Hodges und R.J. Smeets ([2], s. dazu Zusammenfassung in diesem Heft). Bei weiterer differenzierter Aufklärung der Komplexität und Faktoren in der frühzeitigen Entstehung von Dysfunktion und Schmerz können zu entwickelnde und zu evaluierende Assessments in die Früherkennung einbezogen werden. Diese Assessments dienen dann auch zur Kontrolle der Wirkung präventiver bzw. therapeutischer Maßnahmen.

Ein multidisziplinärer Zusammenschluss „Prävention von Funktionsstörungen und Schmerz am Bewegungssystem“ von Institutionen, Experten für Medizin am Bewegungssystem und Schmerztherapie aus Forschung, Klinik und Praxis unter der Trägerschaft der Deutschen Stiftung für Manuelle Medizin (www.stiftungMM.de) soll wissenschaftliche Kräfte und Aktivitäten im Umfeld der manuellen Medizin bündeln und sich der obigen Fragestellung widmen.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern unserer Zeitschrift alles Gute zum Jahreswechsel und ein erfolgreiches und gesegnetes 2016.

H. Locher und L. Beyer

(Für die Mitglieder des Forschungsverbundes im Ergebnis der ersten gemeinsamen Sitzung am 23. September 2015 in Berlin)