Welche Wirkung kann das charmante Lächeln eines netten „Gegenüber“ haben! Also schlussfolgern wir mit Prof. Ricketts, dass Zähne und Gesicht das bedeutendste soziokulturelle Instrument des Menschen sind.

Gut. Aber im Jahr 2014 nicht gut genug. Die ZahnMedizin und die KieferOrthopädie auf ästhetische Aspekte zu reduzieren, bedeutet, nicht verstanden zu haben, wie unser Körper denn nun wirklich reagiert – sowohl biomechanisch wie auch biochemisch. Das bedeutet vielfach aber auch heute noch, nicht verstehen zu wollen, wie sich funktionelle Interdependenzen in aufsteigenden und absteigenden Ketten sowohl bei „Lieschen Müller“ als auch im Spitzensport und in der professionellen Musik klinisch zeigen und bei Nichtbehandlung auch schnell manifestieren. Oft genügen 2 Wochen bis zur Chronizität.

Es ist deshalb einmal wieder an der Zeit, auf diese wichtigen Zusammenhänge hinzuweisen. Die Manuelle Medizin ist exakt das richtige Organ, um für das Verständnis zu werben und daraus den Mut abzuleiten, diese „Psychopatienten“, wie sie oft durch Unwissende klassifiziert werden, wirklich einer adäquaten Behandlung zuzuführen. Das bedeutet Mut zum Anfassen. Das bedeutet aber auch Mut zum Zuhören, Mut zum Gespräch mit dem Patienten und mit den vielen Kollegen, die uns helfen können. Aufsteigende und absteigende Ketten: Das bedeutet in der letzten Konsequenz das Beseitigen von Dysfunktionen auf der Ebene aller funktioneller Drehscheiben, wie wir das mit Gernot Plato und Axel Bumann schon 1988 in Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift niedergelegt haben. Mit Gernot Plato konnten wir – wie mehrfach in Manuelle Medizin und anderswo publiziert – beweisen, dass viele Schmerzen und Dysfunktionen nur interdisziplinär korrekt diagnostiziert und sinnvoll therapiert werden können. Diese Aussage ist für „chronische Patienten“ noch bedeutsamer als für akut kranke. Wir konnten das zweifelsfrei bei Schmerzpatienten des Stadiums II und III nach Gerbershagen belegen.

Niemand überlegt sich wahrscheinlich etwas dabei, dass ich den Begriff „Manuelle Medizin“ mit großen Lettern geschrieben habe. Klar: Medizin manuell praktiziert auf der Basis eines breiten Wissens und eines tiefen Verständnisses für wahrhaft komplexe Vorgänge im Körper. Und damit bin ich bei der Überschrift. Mit Prof. Meyer aus Greifswald schreiben wir ZahnMedizin so, wie Sie das gerade lesen. Wir sind im vollen Bewusstsein, dass moderne ZahnMedizin ihren Platz in der Mitte der Medizin gefunden hat: die Medizin von und mit den Zähnen, dem Zusammenbiss der Zähne und den vielen direkt assoziierten Gewebearten im Kausystem als eine ureigene medizinische Disziplin. Das meinen wir wirklich so, wenngleich viele Kollegen auch heute noch davon überzeugt sind, dass es gefährlich sei, Zähne in ein manuelles Konzept einzubeziehen und Speichel wahrscheinlich so etwas Ähnliches wie Salzsäure sein muss. Und ich schreibe seit mehr als 20 Jahren KieferOrthopädie, wie ich mein Fach nun verstehe: Orthopädie der Kiefer und des gesamten Bewegungssystems mit den Zähnen als Zentrum der zu beeinflussenden Regelkreise. Nebenbei bemerkt: Der erste Lehrstuhl für KieferOrthopädie – 1908 in München eingerichtet – hieß damals Zahnärztliche Orthopädie.

Nun, Vieles hat sich verändert seit den Anfängen. Wir wollen Sie in dieser und in der folgenden Ausgabe unserer Zeitschrift mit dem modernen Wissen aus unterschiedlicher Sichtweise konfrontieren. Nicht nur wir als die Herausgeber wünschen uns, Sie als willige und kompetente Partner 1) bei der Untersuchung dieser teils schwierigen Patienten, 2) bei der interdisziplinären Bewertung der Befunde und 3) beim Durchhalten eines zielführenden Behandlungskonzepts im Kollegenkreis zu gewinnen. Wir bauen auf Ihre Mitarbeit und Ihre Erfahrung. Wir „Zahnis“ freuen uns aber auch auf belebende und effektive Gespräche und Entscheidungen mit Ihnen als „Manualis“. Und das alles zum Wohle einer Patientengruppe, deren vermeintliche Hoffnung meist „nur“ noch auf Psychopharmaka und Antiepileptika zu ruhen scheint. Lösen wir die Knoten.

Herzlichst

Ihr

Prof. Dr. S. Kopp