Lieber Herrmann!

Danke für Dein herzerfrischendes Editorial „Wie viel Zukunft hat die manuelle Medizin in Deutschland und Europa?“! Der Anfang liest sich leider etwas wehmütig, wie der „Untergang des westlichen Abendlandes“. Ich schreibe Dir, um die optimistische Sicht für Gegenwart und Zukunft der manuellen Medizin zu schärfen.

Wir, der Vorstand der ÄMM und ein großer Teil unserer Mitglieder, sind mit der Wahl des Begriffes „manuelle Medizin“ zufrieden. Die aktuelle Definition, die wir 2006 mit Deiner maßgeblichen Mitarbeit ausgearbeitet haben, fand die Zustimmung der DGMM. Wir sind nicht nur „Chirotherapeuten“, die Gelenke knacken lassen, sondern Mediziner, die mit den Händen spezifische Diagnosen stellen. Die Behandlungen erfolgen dann interdisziplinär und mit manualtherapeutisch ausgebildeten Physiotherapeuten. In den Kanon der Therapien gehört auch die Rehabilitation mit aktivierenden Methoden. Wir verlassen uns nicht nur auf die Selbstheilung des Patienten, wie das orthodoxe Osteopathen vermitteln. Wir sind aber der Auffassung, dass die osteopathischen Verfahren (sic!, nicht „Osteopathie“) ein bedenkenswerter, wissenschaftlich in einigen Bereichen noch zu überprüfender Bestandteil der manuellen Medizin sein kann und sollte.

Wenn ein Großteil unserer Patienten „Osteopathie“ oder andere Therapiemethoden kennt und danach fragt, liegt das nicht nur am aktuellen „Hype“. Wir hatten lange genug einen Zeitbonus, um unsere Methode bekannt zu machen. Deshalb sollten wir nicht unsere „Wähler“ (Patienten) wegen ihres Abstimmungsverhaltens schelten. Wir müssen uns besser artikulieren und noch mehr wissenschaftliche Studien generieren, die unter dem Label „manuelle Medizin“ in hochkarätigen Zeitschriften veröffentlicht werden.

Bei der Anerkennung der osteopathischen Verfahren durch die BÄK hast Du wiederum mitgewirkt. Aus den Bemerkungen dazu entnehme ich, dass Du gegen Deine eigene Überzeugung gehandelt hast und dies jetzt bereust. Es ist schade, wenn man wider Willen, gegen seine eigene Gesinnung handelt.

Die Bemerkung, die ÄMM bietet 1000 Unterrichtseinheiten „Osteopathie“ für Physiotherapeuten an, ist schlichtweg falsch. Vielmehr ergänzt und integriert unser Curriculum der osteopathischen Verfahren (für Physiotherapeuten mit Abschluss „Manuelle Therapie“ zusätzlich 372 UE) das Wissen aus den Kursen der manuellen Therapie. So müssen durch uns ausgebildete Physiotherapeuten nicht noch einmal 1000 UE „Osteopathie“ absolvieren! Das gilt auch für Ärzte. Diese Vorgehensweise erfolgte auch in Abstimmung innerhalb der DGMM und mit Deiner Kenntnis.

Eine Bemerkung hat mich sehr irritiert. Du verweist auf eine sehr teure osteopathische Ausbildung „unserer Kursanten“ (wer ist damit gemeint?) und sorgst Dich um deren privatärztliche Honorierung. Mir wird nicht klar, wofür Du stehst. Einmal bist Du gegen „Osteopathie“, hast sie aber in der BÄK mit hoffähig gemacht. Zum Zweiten sorgst Du Dich um die angemessene Honorierung von osteopathisch teuer ausgebildeten Ärzten!

Die ÄMM bildet ihre Kursteilnehmer sehr kostengünstig aus und vermittelt osteopathische Verfahren nicht noch einmal und teuer.

Die aktuelle monetäre Situation im GKV- und PKV-System sollte bei der Vermittlung von Wissen keine Hauptrolle spielen. Wer effektiv, human und gut behandelt, wird nicht verarmen. Aber Berufspolitik muss für gute Arbeit gutes Geld bereitstellen. Das hat auch der 115. Ärztetag erkannt.

In der Hoffnung auf eine gute, gedeihliche und fachlich-wissenschaftliche Zusammenarbeit und ohne zukünftig stattfindende Diadochenkämpfe verbleibe ich mit kollegialen Grüßen,

Dein Ekkehard Geipel