Die pathologische Anatomie bleibt die dominierende diagnostische Disziplin in der Onkologie und die Mikroskopie ihre universelle Methode. Da alle Tumorerkrankungen aber gemeinsam haben, klonale Proliferationen von Zellen mit zumindest einer gemeinsamen genetischen Aberration darzustellen, hat sich in den letzten Jahren die Molekularpathologie neben der Histopathologie als klinisch relevantes Klassifikationsprinzip von Tumorerkrankungen fest als weiterer diagnostischer Grundpfeiler in der Pathologie etabliert. Sie ermöglicht nicht nur eine präzisierte Prognostik und Klassifikation, sondern besitzt auch das Potenzial, die therapeutisch angehbare „Achillesferse“ eines Malignoms aufzudecken und den „Paris-Pfeil“ der Therapeuten damit zum vulnerablen Ziel zu lenken. Seit den Anfängen mit dem Nachweis einer BCR-ABL-Translokation zur Imatinibindizierung bei der chronischen myeloischen Leukämie sowie einer HER2-Überexpression bzw. -Amplifikation als Voraussetzung einer Trastuzumabbehandlung des Mammakarzinoms ist die Vorhersage einer potenziellen Medikamentenwirksamkeit zu einer neuen Dimension im interdisziplinären Dialog zwischen Pathologie und Klinik herangewachsen. Das molekulare Tumorboard (MTB) bildet diesen Dialog in institutionalisierter und konzentrierter Form ab. Gestaltung und Funktionsweise des MTB werden von S. Lassmann und M. Hummel vorgestellt.

Personalisierte Patientenbehandlung in der Onkologie hat adäquate diagnostische Technologien zur Voraussetzung. Next Generation Sequencing (NGS) zum parallelen Sequenzieren verschiedener Gene und Genabschnitte in großer Zahl hat sich zum ubiquitär eingesetzten Arbeitspferd in der Molekularpathologie entwickelt. Dieser breit anwendbaren Technologie, deren weiteres Vordringen als Universaltechnik in der Tumorpathologie unschwer vorherzusagen ist, haben U. Lehman und A. Jung ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem die grundlegenden Begrifflichkeiten und apparativen Voraussetzungen erläutert werden.

Das technische Auslesen genetischer Informationen stellt allerdings nur den ersten Schritt in der Generierung eines aussagefähigen Befundes zur Therapielenkung dar. Maligne Tumoren weisen eine Unzahl von negativ und positiv selektionierenden Mutationen auf, darüber hinaus kommen viele für Prognose und Therapie unerhebliche Passengermutationen vor. Die Frage, welche von der Vielzahl genetischer Aberrationen, die die neoplastische Chaotisierung des Genoms mit sich bringt, tatsächliche Relevanz besitzen, weil sie potenzielle Zielstrukturen für eine medikamentöse Therapie bilden, wird von der gesicherten klinischen Evidenz, im Idealfall basierend auf prospektiven Phase-3-Therapiestudien als Zulassungsvoraussetzung für die jeweilige Medikation, vorgegeben. Die European Society of Medical Oncology (ESMO) hat in einer jüngsten Übersichtsarbeit, an der Herr A. Stenzinger mitgewirkt hat, die derzeit relevanten Zielmoleküle für eine mögliche onkologische Therapie zusammengefasst. In seinem Beitrag zu diesem Themenheft bildet A. Stenzinger einen Extrakt aus den Empfehlungen der ESMO und anderen in diesem Zusammenhang relevanten Arbeiten.

Weitere Beiträge in diesem Themenheft beschäftigen sich mit dem Einsatz von Molekulardiagnostik im Kontext neu etablierter Therapieprinzipien in der personalisierten Onkologie. Im Feld der Immuntherapie wurden in den letzten Jahren durch neue pharmakologische Behandlungsoption mittels sog. Checkpointinhibitoren, die als Therapieprinzip die ruhig gestellte Immunabwehr gegenüber einem Tumor reaktivieren, herausragende Behandlungserfolge in einer Vielzahl von Tumorentitäten erzielt. In diesem Kontext hat sich parallel für die Pathologie ein neues sehr breites Feld für die prädiktive Diagnostik eröffnet. Beispielhaft zeigt sich für dieses Gebiet insbesondere auch, wie das Methodenarsenal, das die Pathologie heute vorhält, insgesamt gefordert ist. Im Beitrag von H. U. Schildhaus und W. Weichert wird detailliert ausgeführt, wie das verfügbare breite Arsenal morphomolekularer Techniken zur Prädiktion der Wirksamkeit von Checkpointinhibitoren einzusetzen ist.

Ein zweites noch relativ junges und ebenfalls entitätsübergreifendes onkologisches Therapiekonzept bedient sich des Prinzips der „synthetischen Letalität“. Dieses Prinzip beschreibt ein Phänomen, bei dem eine akquirierte molekulare Veränderung in einem Tumor therapeutisch ausgenutzt werden kann, indem durch pharmakologische Blockade eines zweiten Signalweges die Tumorzelle in den Zelltod gezwungen wird, während normale Zellen, die diese Veränderung natürlicherweise nicht tragen, geschont werden. Am erfolgreichsten wird dieses Konzept zurzeit in Tumoren mit – aufgrund von molekularen Veränderungen auftretender – eingeschränkter Fähigkeit zur DNA-Reparatur ausgenutzt. Eine Hemmung der Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) bewirkt als Monotherapie in diesen Konstellationen insbesondere bei Vorliegen von BRCA-Mutationen im Brust‑, Ovarial‑, Pankreas- oder Prostatakarzinom häufig eine Lebenszeitverlängerung. Es wird jedoch grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine entsprechende Wirksamkeit auch dann besteht, wenn andere Ursachen einer homologen Rekombinationsdefizienz vorliegen. Daher fokussieren neue molekulardiagnostische Ansätze nicht nur auf Mutationen als Ursache eines solchen Defektes, sondern zunehmend auch auf das Auslesen von strukturellen genomischen Veränderungen („genomische Narbe“), die als Konsequenz entstehen, wie Frau N. Pfarr und Frau S. Merkelbach-Bruse in ihrem Beitrag ausführen.

Ein Beispiel aus den Organtumoren, die zunehmend auch über die etablierten prädiktiven Marker, wie beispielsweise Hormonrezeptor- und HER2-Status, hinaus einer breiteren prädiktiven Mutationsdiagnostik unterzogen werden, ist das Mammakarzinom, zumindest in der metastasierten, wenn auch nicht in der adjuvanten Situation, wie in einem Beitrag von P. Sinn und H. Kreipe auf Grundlage der aktuellen Empfehlungen der Organkommission „Mamma“ der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft dargestellt.

Zusammenfassend hoffen wir, mit diesem Themenheft die Breite der modernen morphomolekularen Tumordiagnostik in der personalisierten Medizin schlaglichtartig gewürdigt zu haben. Natürlich ist es unmöglich, alle Aspekte der prädiktiven onkologischen Pathologie im Rahmen eines solchen Sonderheftes vollumfänglich abzubilden. Da es sich bei diesem Themengebiet um ein sich sehr schnell entwickelndes Feld mit viel Bewegung handelt, hoffen wir jedoch, dass Sie den inkludierten Artikeln einiges Neues werden entnehmen können und hoffen zudem auf viel Spaß in der Beschäftigung mit unseren „hot topics“ aus diesem spannenden und dynamischen Bereich der Pathologie.